Die Not zur Tugend machen

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Zum Dossier. Immer mehr angehende Akademiker arbeitenneben dem Studium. Dadurch verlängert sich meist die Studiendauer. Das Jobbenwirkt sich aber oft durchaus positivauf den Berufseinstieg aus. Viele Studentennutzen den Nebenerwerb, um Erfahrungen zusammeln und erste Firmenkontakte fürdie spätere Karriere zu knüpfen.

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Zum Dossier. Immer mehr angehende Akademiker arbeitenneben dem Studium. Dadurch verlängert sich meist die Studiendauer. Das Jobbenwirkt sich aber oft durchaus positivauf den Berufseinstieg aus. Viele Studentennutzen den Nebenerwerb, um Erfahrungen zusammeln und erste Firmenkontakte fürdie spätere Karriere zu knüpfen.

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Der "traditionelle" Student besucht die Uni direkt nach der Matura und tritt erst nach Abschluß des Studiums ins Berufsleben ein. Doch genau dieses Bild ist den letzten Jahren weitgehend zur Fiktion geworden. Die Studierenden werden eine immer inhomogenere Gruppe, mit verschiedenen Bedürfnissen und Interessen.

Rund 60 Prozent der Studierenden geben an, mindestens ein Semester während ihres Studiums regelmäßig zu arbeiten. Nach dem Bericht zur sozialen Lage der Studierenden sind über ein Drittel regelmäßig erwerbstätig. Steigend ist aber auch der Anteil derer, die zuerst arbeiten und sich erst dann dazu entschließen, ein Studium auf der Uni zu absolvieren.

Nach den Ergebnissen der aktuellen Studie "Gründe und Ursachen für die langen Studienzeiten in Österreich", die von der Österreichischen Hochschülerschaft in Auftrag gegeben wurde, arbeiten 15 Prozent der Studierenden hauptberuflich. 29 Prozent geben an, aus Gründen der Existenzsicherung neben dem Studium zu arbeiten. Ebenfalls 29 Prozent wollen durch einen Job neben dem Studium ihre Berufschancen verbessern und 39 Prozent nützen die Zeit des Studiums, um Erfahrungen in der Berufswelt zu sammeln.

Erwerbstätigkeit bei Studierenden ist kein neues Phänomen, neu ist jedoch das Ausmaß und die zugrundeliegende Motivation. Der Anteil derer, die auf einen Job angewiesen sind, um sich das Studium leisten zu können, hat stark zugenommen. Der Trend zur steigenden Erwerbstätigkeit der Studierenden entspricht aber durchaus auch den Anforderungen des Arbeitsmarkts. Zunehmend wird erwartet, daß neben dem abgeschlossenen Studium Zusatzqualifikationen vorgewiesen werden können. Dazu werden nicht nur sogenannte "soft skills", etwa Teamfähigkeit und selbstbewußtes Auftreten gezählt, sondern auch einschlägige Berufserfahrung wird immer öfter vorausgesetzt.

Das Ausmaß der Erwerbstätigkeit beziehungsweise der Anteil der erwerbstätigen Studierenden steigt während des Studiums deutlich an. Prinzipiell kann gesagt werden, daß Studierende eher einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Durch die starre Regelung der Verdienstfreigrenzen, sind die Studierenden bei der Wahl ihres Nebenjobs stark eingeschränkt. Wenn im Monat ein Schilling mehr als 3.977 Schilling verdient wird, kommt es zum Verlust der Familien- und Studienbeihilfe. Dies hat zur Folge, daß Studierende oft weniger qualifizierte Arbeiten annehmen müssen, weil in diesen Bereichen eine geringfügige Beschäftigung eher zu erhalten ist.

Reformen wären daher dringend notwendig. Die soziale Lage der Studierenden ist im neuen Regierungsprogramm aber mit keinem Wort erwähnt. Dieses Thema wird daher auch in Zukunft von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) stark besetzt werden. In einem ersten Schritt werden wir die Neuregelung der Verdienstfreigrenzen einbringen. Aber auch Themen wie soziale Härtefälle, Studieren mit Kind oder die Situation ausländischer Studierender müssen behandelt werden.

In den letzten Monaten heftig diskutiert wurde die Einführung von Studiengebühren. Inzwischen hat sich Ministerin Elisabeth Gehrer für ein freies Grundstudium inklusive Doktoratsstudium ausgesprochen. Was sich die politisch Verantwortlichen allerdings vorbehalten haben, ist eine Diskussion über Studiengebühren in Zusammenhang mit der Einführung der Vollrechtsfähigkeit der Universitäten.

Die ÖH hat sich immer vehement gegen die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen und wird weiterhin dagegen argumentieren. Der Zugang zu einem Studium, darf nicht von den finanziellen Möglichkeiten abhängig gemacht werden. Die soziale Verträglichkeit von Studiengebühren ist nicht gegeben. Es ist schon von vielen Seiten bestätigt worden, daß die Einführung von Studiengebühren kein adäquates Mittel zum Stopfen von Budgetlöchern an den heimischen Universitäten sind.

"Der Gratis-Hochschulzugang ist eines der besseren Modelle und viele Gründe die oft dagegen genannt werden sind nicht haltbar", meint etwa Richard Sturn, Mitverfasser der Studie "Der gebührenfreie Hochschulzugang und seine Alternativen". Es wird zum Beispiel oft behauptet, daß der freie Zugang zu Lasten der Armen geht. Dieses Argument ist laut der Studie von den Professoren Sturn und Wohlfahrt nicht haltbar, da die reichen Bevölkerungschichten auch mehr Steuern bezahlen.

Studiengebühren würden dazu führen, daß Hochschulbildung wieder zu einem Privileg der sozial oberen Schichten wird. Zu befürchten ist dann auch, daß weniger Menschen ein Studium beginnen und die ohnehin schon extrem niedrige Akademikerrate in Österreich noch weiter zurückgeht.

Es ist jetzt schon so, daß Studieren mit gewissen Fixkosten verbunden und nicht kostenlos ist. Jeder der studiert(e) weiß, daß laufend Ausgaben anfallen. Für öffentliche Verkehrsmittel, die Unterkunft oder Studienunterlagen wie Bücher und Skripten. Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren sind viele Studierende auf Nebenjobs angewiesen. Reformen im Bildungsbereich sind dringend notwendig, aber nicht über die Einführung einer Gebührenpflicht zu erzielen. Einige wichtige Punkte, die von der ÖH schon lange gefordert wurden, wie die Einführung eines modernen, leistungsorientierten Dienstrechts oder die verpflichtende, regelmäßige Evaluierung mit Konsequenzen sind erfreulicher Weise im Regierungsprogramm enthalten.

Der Autor ist Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft.

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