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Es begann mit einem Bombenattentat

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Das erste Opfer im Widerstand gegen den Nationalsozialismus war der Arbeiterkaplan Franz Eibel. Vier Jahre vor dem Anschluß Österreichs an Hitler-Deutschland war er am 24. Juni 1934 einem heimtückischen Bombenanschlag zum Opfer gefallen. Ein neben dem Haustor des Pfarrhofes St. Oswald in Kapfen-berg deponierter Ekrasitsprengkörper mit eingebautem Zeitmechanismus explodierte in der Nacht gerade in dem Augenblick, als Eibel vorbeikam. Eibeis Becken wurde vom Sprengstoff zerrissen, jede ärztliche Hilfe war vergebens. Daß hinter diesem tödlichen Attentat nicht die zunächst beschuldigten Sozialdemokraten und Kommunisten standen, sondern Nationalsozialisten, scheint eindeutig erwiesen.

Elf Jahre später und kurz vor dem Ende der NS-Herrschaft forderte der nationalsozialistische Terror noch das Leben des steirischen Pfarrers von St. Georgen bei Obdach, Heinrich Dalla Rosa. Am 23. August 1944 war er verhaftet und ins Gefangenenhaus Leoben eingeliefert worden. Die zweistündige Gerichtsverhandlung am 23. November 1944 in Wien, Landesgericht I, endete mit dem Todesurteil. Die Urteilsbegründung lautete: „Heinrich dalla Rosa, ein Pfarrer aus der Steiermark, hat im Jahre 1943 eine hochschwangere Lehrersfrau aufgefordert, sie solle ihren Mann von seiner Arbeit für die N.S.D.A.P. abbringen, da an unseren Sieg kein intelligenter Mensch mehr glaube und nach einem verlorenen Kriege gegen ihren Mann Vergeltungsmaßnahmen getroffen würden.” Die Hoffnung Dalla Rosas, er werde begnadigt oder das Schreckensregime in der Todes-zelle noch überleben zu können, war trügerisch. Am 24. Jänner 1945 endete sein Leben in Wien am Schafott.

Dalla Rosa hatte seine Todeszelle mit einem anderen Priester, dem Wahlsteirer, Franziskanerpater und Grazer Studentenseelsorger DDDr. Kapistran Pieller zu teilen. Pieller stammte aus Wien, Schottenpfarre, wo er am 30. September 1891 geboren worden war. Im September 1909 war er in Graz als Franziskaner-Novize eingekleidet worden und hatte den Ordensnamen Johannes Kapistran erhalten. Seine Tätigkeit für die „Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs”, eine gleich virulente wie idealistische und ziemlich unbekümmerte Widerstandsgruppe, die in Kärnten entstanden war, blieb genausowenig wie bei seinem Provinzial Steinwender geheim, und so wurden sie beide im Sommer 1943 von der Gestapo verhaftet. Ein Jahr lang mußten sie auf ihren Prozeß warten.

Steinwender war am 14. März 1895 in Maria Lankowitz geboren, auf Eduard getauft, im August 1913 als Franziskaner eingekleidet und im Juli 1920 zum Priester geweiht worden. In seinem geliebten Franziskanerorden hatte er den Namen Angelus erhalten. Am 6. Juli 1943 stehtin der Ordenschronik eingetragen: „... von der Geheimen Staatspolizei verhaftet.” Einem Gedächtnisprotokoll eines beim Prozeß Anwesenden zufolge hatte Provinzial Steinwender seine Abziehmaschine zur Vervielfältigung von Anti-NS-Flug-blättern zur Verfügung gestellt.

Ausgefertigt in Potsdam und datiert

mit 12. August 1944, lautete das Urteil des Volksgerichtshofes, der in Wien getagt hatte: „Es werden verurteilt wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung die Angeklagten ... Dr. Granig, Dr. Steinwender und Dr. Pieller zum Tode und zum Ehrenrechtsverlust auf Lebenszeit.” Insgesamt waren bei diesem Prozeß acht Todesurteile gefällt worden; alle acht Männer waren, in unterschiedlicher Intensität, Mitarbeiter und Mitstreiter genannter „Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs”.

Diese höchst bemerkenswerte Freiheitsbewegung, bisweilen auch „Kärntner Bewegung” genannt, hatte im Territorialbereich Klagenfurt ihren Kristallisationspunkt; ihre Mitarbeiter waren aber über Österreich hinaus bis in deutsche Reichsgebiete verstreut. Ihr Ziel war das freie und unabhängige Österreich.

Anton Granig, der Mitbegründer dieser „Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs”, war 1901 geboren worden und stammte aus der Sagritz bei Heiligenblut. Am 24. Juni 1936 wurde er in Graz mit der Dissertation „Paulus als Seelsorger” zum Doktor der Theologie promoviert.

Die Hoffnung, die die Todeskandidaten wegen des bald zu erwartenden Kriegsendes geschöpft hatten, erfüllte sich nicht. Am 5. April 1945 mußten sie, zu zweit aneinandergekettet, von Wien aus über Stockerau ihren Leidensweg nach Stein an der Donau antreten. Am 15. April wurden dort sämtliche Todeskandidaten dieses Zuges paarweise erschossen. Die Leichen wurden im rückwärtigen Hof der Strafanstalt Stein in einem Massengrab verscharrt.

Zu nennen sind noch die fünf Laien aus der „Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs”, die zusammen mit den Priestern Granig, Pieller und Steinwender im August 1944 zum Tode verurteilt wurden.

Zwei von ihnen wurden am 15. April 1945 in Stein an der Donau erschossen: Franz Bernthaler, am 26. Oktober 1889 in Zwein, Kärnten, geboren; Georg Kofier, am 22. August 1897 in Fresach bei Villach geboren.

Drei weitere österreichische Patrioten waren schon am 22. März 1945 in Wien enthauptet worden: Karl Krum-pl, am 27. September 1909 in St. Veit an der Glan geboren; Ernst Ortner, am 1. September 1914 in Innsbruck geboren; Wenzel Primosch, am 28. September 1887 in Klagenfurt geboren.

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