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Nach diesen nicht gerade zur Klärung der Affäre beitragenden Vorkommnissen verharrte der Untersuchungsausschuß wochenlang in Untätigkeit, bis schließlich die sozialdemokratischen Ausschußmitglieder damit drohten, von sich aus die Untersuchung durch Vernehmung des Zeugen Herrschaft und anderer Zeugen wieder aufzunehmen. Ausschußvorsitzender Hoogen (CDU) gab vor dem- Bundestag am 28. Juni dafür die Erklärung, er habe der SPD kein „Material für den Wahlkampf“ in Nordrhein-Westfalen liefern wollen In der bisher letzten Sitzung des FIBAG-Ausschusses vor etwa vierzehn Tagen überraschte die Regierungsmehrheit die SPD-Mitglieder mit einem angeblich noch nicht ganz fertig gestellten Abschlußbericht des FPD-Abgeordneten .Dahlgrün, der zwar Strauß tn mehreren Fällen unzweckmäßiges Verfaliren vorwarf, hn a“ber in einer Schlußformulierung von dem Vorwurf der Pflichtwidrigkeit freisprach. Der Bericht wurde nur teilweise verlesen, den SPD-Abgeordneten keine Abschrift gezeigt. Nichtsdestoweniger war der Bericht bereits 36 Stunden später gedruckt und sollte dem Bundestag am vorletzten Tag der Session zur Beratung vorgelegt werden.

Diese offenbar beabsichtigte Brüskierung war nicht geeignet, das Zwielicht um Strauß zu zerstreuen. Im Gegenteil, mußte sie dazu beitragen, den Ruf des Verteidigungsministers weiter zu untergraben. Insgesamt gesehen erinnerte diese „Ehrenerklärung“ für Strauß mitunter an Mark Antons „ ... doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann“. Strauß erkannte dies auch sofort und war entschlossen, im Bundestag gegen diesen Bericht anzugehen. Eine listige Regie hatte es aber so gefugt, daß er bei seiner eigenen Partei kaum etwas aussiebten konnte, sondern auf sejine ehemaligen Verbündeten vom Herbst 1961, die FDP, vorwiesen war. Alle Schuld schien nämlich den FDP-Berichterstatter Dahlgrün zu treffen. Nicht nur, daß er der SPD gegenüber als der Brüskierende dastand. Auch die CDU-Mitglieder hatten nicht den in dem Bericht gemachten und für Strauß sehr unangenehmen Feststellungen, sondern nur der salvierenden Schlußformel zugestimmt.

Der FIBAG-Ausschuß schien noch am Montag vergangener Woche als ein böser Fleck auf der weißen Weste des Bundesverteidigungsministers in die Geschichte einzugehen, als sich überraschend am Dienstag die FDP gegen die ihr zugedachte Rolle erhob. Sie beschloß am 26. Juni, den Bericht des eigenen Abgeordneten Dahlgrün abzulehnen und ihn an den Ausschuß zurückzuverweisen, der seine Tätigkeit erneut aufzunehmen hätte. Vergeblich versuchten Brentano und FDP-Vorsitzender Mende, der die Koalition gefährdet sah, die Fraktion zum Einlenken zu bewegen. Auch Adenauer schaltete sich vergeblich ein. Die CDU/CSU berief alle Abgeordneten in das Bundeshaus und ließ es auf eine Kampfabstimmung ankommen, in der sie mit 226 zu 224 Stimmen unterlag. In letzter Minute wurde aus der Affäre Strauß ein Fall CDU/CSU. Auf sie fielen alle Versäumnisse und Winkelzüge des FIBAG-Untersuchungsaus-schusses zurück.

Das ist zehn Tage vor der Land-tagswahl im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen eine mehr als unangenehme Situation, zumal die Gefaht besteht, daß Strauß auch bei den bayerischen Landtagswahlen im September noch nicht aus dem Zwielicht der Untersuchung heraus ist. Unfreiwillig lieferte die CDU der FDP die zugkräftigste Wahlparole, Hüterin der Sauberkeit im Staat zu sein. Das Verhalten der CDU läßt sich nur mit völliger Kopflosigkeit im nur mit völliger Kopflosigkeit im Angesicht der Haltung der FDP erklären. Nach der Abstimmung war von empörten CDU-Politikern zu hören, die Abstimmung sei das Ende der Koalition. Es gelang aber Bundeskanzler Adenauer, der sehr genau erkannte, daß dies das Ende seinei Kanzlerschaft bedeuten könnte, seine Fraktion zu beruhigen. Jedoch sine sich die Beobachter einig, daß diese erste schwere parlamentarische Niederlage die Krise in der CDU beschleunigen wird, insbesondere, wenn die Lartdtagswahlen in Nordrhein-West-falen am nächsten Sonntag für die CDU einen Rückschlag bringen sollten

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