PMDS wie verwandelt - © Foto: iStock/NickyLloyd (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

PMDS: Eine unbekannte Krankheit

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Durch Erfolge der Gendermedizin werden Krankheiten entdeckt, die nur Frauen betreffen. Ein Gespräch mit der Psychologin Almut Dorn über eine gynäkologische Störung, die Betroffene suizidal machen kann.

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Durch Erfolge der Gendermedizin werden Krankheiten entdeckt, die nur Frauen betreffen. Ein Gespräch mit der Psychologin Almut Dorn über eine gynäkologische Störung, die Betroffene suizidal machen kann.

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Unter hundert Frauen im gebärfähigen Alter sind fünf bis acht von der prämenstruellen dysmorphischen Störung (PMDS) betroffen, deren Symptome bis hin zur Suizidalität führen. Doch die Diagnose ist den meisten Ärzt(inn)en unbekannt, Betroffene bleiben mit ihren Problemen oft unbehandelt. Almut Dorn und ihre Kolleginnen haben einen Ratgeber für Erkrankte geschrieben.

DIE FURCHE: PMS, das prämenstruelle Syndrom, ist heute vielen bekannt. In den Tagen vor der Menstruation erleben viele Frauen psychische und physische Beeinträchtigungen. PMDS hingegen ist weitgehend unbekannt. Worin unterscheiden sich die beiden Phänomene?
Almut Dorn:
PMS ist ein Syndrom. Das bedeutet, dass es keinen klaren Parameter gibt, womit man es diagnostizieren kann. Sieht man sich Studien zu Befindlichkeitsstörungen an, findet man sehr viele unterschiedliche Kriterien, über 150 Symptome fließen in den Begriff hinein. Für viele Frauen stehen vor allem körperliche Symptome im Vordergrund: Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, Migräne. Viele kennen auch Stimmungsschwankungen. Aber PMS ist nicht immer therapiebedürftig, einzelne Symptome sind in den Alltag integrierbar. PMDS hingegen ist eine Störung. Ihre Symptomatik wird mit Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und Wut beschrieben. Aber auch depressive Verstimmungen, Niedergeschlagenheit, Angst und Anspannung können dazugehören. Manche Frauen sind in diesem Zeitraum lebensmüde, versuchen sogar Suizid. Sie befinden sich in einem Ausnahmezustand, in dem es oft zu Konflikten in Partnerschaften kommt. Immer wieder zerbrechen ganze Familien an PMDS.

DIE FURCHE: Dieser Ausnahmezustand hält aber nicht die gesamte Zeit an, sondern hängt vom monatlichen Menstruationszyklus der betroffenen Frau ab. Woran liegt das?
Dorn:
Wie lange der Zustand andauert, ist unterschiedlich. Das Problem beginnt jedenfalls mit dem Eisprung, weil dabei eine Hormonumstellung stattfindet, die diese Dysphorie, also das Gegenteil von Euphorie, auslösen kann. Manche Frauen erleben die Symptome dann fünf oder zehn Tage vor der Periode, andere Frauen ab dem Eisprung, also den halben Monatszyklus lang.

DIE FURCHE: Im Jänner dieses Jahres veröffentlichte ein Forschungsteam vom MaxPlanck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und dem Universitätsklinikum Leipzig eine Studie. In dieser will das Team die Ursache von PMDS erkannt haben: Das Gehirn kann sich nicht gut auf die Hormonveränderungen nach dem Eisprung einstellen und nimmt ein zu geringes Level an Serotonin auf. Gerade das Serotonin ist verantwortlich für affektive Veränderungen. Dass es sich bei einzelnen Frauen so rasch ändern kann, hat die Forschung überrascht. Bisher wurde angenommen, es würde sich nur alle zehn Jahre geringfügig ändern. Was ändert diese Erkenntnis?
Dorn:
Wir wissen auch schon von größeren Studien aus den Jahren zuvor, dass Serotonin eine Rolle spielt und Frauen mit PMDS von jenen Antidepressiva, die die Verfügbarkeit von Serotonin verstärken, profitieren. Diese Studie und die Erkenntnis, wie rasch sich die Aufnahme des Serotoninausmaßes ändern kann, untermauert folgendes: Betroffene können die Medikamente auch punktuell nur an den schlechten Tagen oder nur über die zweite Hälfte des Zyklus einnehmen. Das hilft jenen Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht kontinuierlich Medikamente nehmen möchten oder können.

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