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Die Maßnahmen gegen die Vogelgrippe rufen immer mehr Tierschützer - und Globalisierungskritiker - auf den Plan.

Schnell und konsequent" hätte man handeln wollen, betonte Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU). Schnell und konsequent wurde schließlich auch "gekeult": 419 Tiere (darunter 200 Jungenten, 150 Enten und 60 Masthähnchen) wurden vergangenen Montag auf einem Geflügelhof im oberfränkischen Lichtenfels ins Jenseits befördert - gleich, nachdem in einem Schnelltest die Infektion von sieben Jungtieren mit Influenza-A-Viren festgestellt worden war (siehe Kasten). Dieses konsequente Einschreiten sei notwendig gewesen, meinte der Minister: Schließlich sei dies der erste H5N1-Verdachtsfall in einem deutschen Nutztierbetrieb - und die Möglichkeit eines Exportverbots für Geflügel würde wie ein "Damoklesschwert" über den Landwirten schweben. Noch am selben Tag sollte es freilich verschwunden sein: So war im nationalen Referenzlabor, dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Ostsee-Insel Riems, vom gefährlichen H5N1-Virus nichts zu sehen.

Prophylaktisch keulen?

Was bleibt, ist Erleichterung - und die Kritik des Deutschen Tierschutzbundes, dass die vorsorgliche Keulung in Bayern überzogen war. "Meiner Ansicht nach war sie das nicht", entgegnet Josef Köfer von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf Anfrage der Furche. "Das ist in Anbetracht dessen, was bei so einem kleinen Tierbestand an Verschleppungsmöglichkeiten gegeben ist, OK." Auch Ulrich Herzog vom Gesundheitsministerium stößt ins selbe Horn: "Wir sind bei solchen Maßnahmen - wie bei BSE - immer mit Bedenken von Tierschützern konfrontiert. Aber hier geht es ja nicht um eine Tierseuche, sondern um eine Erkrankung, die auch für den Menschen gefährlich werden kann." Um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, müsse ein "Eintrag des Virus in die Haustierpopulation" um jeden Preis vermieden werden. Anders als in Deutschland würden sich die österreichischen Behörden freilich nicht auf Influenza-Schnelltests verlassen, sondern (nach einer Verdachtsmeldung durch den Amtstierarzt und der Sperre des Betriebs) erst dann keulen, wenn zumindest der H5-Erreger im AGES-Labor bestätigt werde.

Doch dann muss es schnell gehen: durch Massenschlachtungen, durch Kohlendioxid-Begasung, durch eine gerade erprobte Schaummethode, bei der die Tiere in einem C02-Schaumteppich ersticken, oder per Elektro-Schock wie in der neuartigen Tötungsmaschine der Firma "Bird Flu Control" des Niederländers Harm Kiezebrink. Mit ihm haben auch die Österreicher längst Kontakt aufgenommen, um alle Krisenszenarien durchzuspielen. Vernichtungserfahrung hat Kiezebrink, der bis zu 10.000 Tiere pro Stunde keulen kann, genug: Als im Jahr 2003 nach dem Verdacht einer H7N7-Geflügelpest-Infektion in den Niederlanden über 15 Millionen Tiere gekeult werden mussten, war er der einzige mit adäquater Tötungskompetenz.

Noch ist man in Österreich von solchen Szenarien weit entfernt. Noch wird nur streng beobachtet - und massenhaft getestet: Über 1100 Tiere sind bis Ende vergangener Woche im Mödlinger AGES-Labor gelandet - von der Amsel bis zum Waldkauz, mehrheitlich jedoch Enten, Gänse, Schwäne und Wassergeflügel. Dazu kommen jene 500 Rachentupferproben von Katzen, die nach dem - mittlerweile entkräfteten - Verdacht von H5N1-infizierten Katzen im Grazer Tierschutzhaus "Arche Noah" eingesendet worden sind. In insgesamt 38 Fällen hat sich bisher der H5N1-Verdacht bestätigt.

Ein Zwischenstand, der die mäßige Furcht der Österreicherinnen und Österreicher zu bestätigen scheint: Laut einer IMAS-Umfrage schlossen 62 Prozent der Befragten aus, dass sich die Vogelgrippe zur "ganz großen gesundheitlichen Gefahr für die Menschen" entwickeln könnte.

"Monster an der Schwelle"

Mike Davis ist hier anderer Meinung - zumindest was die von der Globalisierung benachteiligten Gebiete der Erde betrifft: Dort könnte eine Mutation des H5N1-Virus und eine mögliche Übertragung von Mensch zu Mensch verheerende Folgen haben. "Sollte eine H5N1-Pandemie ausbrechen, müsste Deutschland etwa 800.000 Tote erwarten, die USA zwei Millionen. In Westafrika und Südostasien aber würden ganze Nationen dezimiert: bis zu 140 Millionen Opfer", prophezeite er zuletzt in einem Interview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin. H5N1 - dieses "Monster an unserer Türschwelle" - nütze eben "mit seinem undurchschaubaren und aggressiven Verhalten die Schwächen unserer globalisierten Welt und ihre zutiefst ungerechten Lebensverhältnisse aus".

Auch wenn viele Davis Panikmache unterstellen: Dass die Folgen der Vogelgrippe arme Länder und Geflügezüchter unverhältnismäßig stärker treffen, ist unbestritten. Nicht zuletzt deshalb hat WHO-Generaldirektor Lee Jong Wook die afrikanischen Regierungen aufgefordert, Milliarden Dollar für die Entschädigung von Bauern bereitszustellen, deren Geflügel vorsorglich gekeult werden müsse. Ob auch die internationale Gemeinschaft einspringt - womöglich "schnell und konsequent" - bleibt abzuwarten.

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