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Die Angst der Leute in den Scnutzanzügen

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Nicht erst seit der Entdeckung des HI-Virus beschäftigen die J. 1 kleinsten Krankheitserreger die Menschheit. Aber in zunehmendem Maße tauchen neue unbekannte Viren auf, die anscheinend ein bisher unterschätztes Potential von Bedrohungen für die Menschheit darstellen. Eine Mutation des Grippevirus raffte nach dem Ersten Weltkrieg mehr Menschen dahin, als im Krieg ums Leben gekommen waren.

Derzeit besonders stark im Gespräch: das Marburg- und das diesem nah verwandte Ebola-Virus, die Richard Preston Anlaß zu seinem Tatsachen-Thriller „Hot Zone” gaben.

Der mysteriöse Erreger kommt aus dem tropischen Regenwald. Im Jahre 1967 erkrankten plötzlich in Marburg, Frankfurt am Main und Belgrad Laborangestellte, die mit Zellkulturen aus den Nieren von Grünen Meerkatzen aus Uganda hantiert hatten. Die Kranken bekamen ein sogenanntes hämorrhagisches Fieber: Die Körpertemperatur stieg, auf der Haut bildeten sich Flecken. Dann fingen Haut und innere Organe an zu bluten. Auch Pflegepersonal und die Frau eines Infizierten zeigten nach kurzer Zeit diese Symptome. Sieben Erkrankte starben. Als Erreger isolierten Virologen einen Virus, den sie nie zuvor gesehen hatten. Sie nannten ihn Marburg-Virus.

In den siebziger und achtziger Jahren erkrankten erneut einige Personen am Marburg-Virus. Alle waren entweder in Afrika gewesen oder mit dort Infizierten in Kontakt gekommen.

1976 lösten dem Marburg-Virus verwandte Erreger Epidemien im Sudan und in Zaire aus. Wissenschaftler tauften den Keim „Ebola” nach einem Fluß in Zaire. Nach dem Auftreten zweier Varianten in Afrika, Ebo-la-Sudan und Ebola-Zaire, brach die Krankheit in einer Quarantänestation in Beston, in der Nähe von Washington D.C., unter Laboraffen aus, auch diesmal wiederum war der Erreger eine etwas veränderte Form des bereits bekannten Ebola-Virus.

Man rief die Armee zu Hilfe, die mit ihrer Hochsicherheitsausrüstung anrückte. In einer streng geheim gehaltenen, 18 Tage dauernden Aktion gelang es unter Einsatz zahlreicher Spezialisten, der Lage Herr zu werden.

„Viren sind unsere einzigen und echten Bivalen um die Herrschaft über den Planeten”, sagt der Genetiker und Medizin-Nobelpreisträger Joshua Lederberg von der Bockefeller University in New York, dem unter anderem der Nachweis der geschlechtlichen Vermehrung von Bakterien gelang. In seiner Äußerung über die Konkurrenz zwischen Menschen und Viren drückt sich genau jene Naturbeziehung aus, die wir überwinden müssen, nämlich ein gegen die Natur gerichtetes Herrschaftsdenken statt der Einsicht, daß die Menschheit entweder im Einklang mit der Natur überleben wird, oder aber gar nicht.

Dieses Herrschaftsdenken setzt auch in Prestons Tatsachenthriller deutliche Duftmarken. Der Ton, in dem er über die Viren schreibt, klingt streckenweise fast genauso wie der, in dem bis vor kurzem in den USA über die Bussen geschrieben wurde. Es schwingt darin Bedrohungsangst mit und das Gefühl, in einer grundsätzlich feindlichen Umwelt zu leben. In der Diktion drückt sich beim Nobelpreisträger Lederberg dasselbe aus wie beim Sachbuchautor Preston: Unterschwellige Verbreitung von Angst und Hysterie.

Prestons Thriller liest sich denn auch über weite Strecken eher wie eine fast krankhaft detaillierte und ausgedehnte Beschreibung qualvollen Sterbens, von Menschen, die sich infizieren und unter schrecklichen Qualen zugrundegehen. Das sachliche, fachliche Wissen, das in der 330 Seiten langen Geschichte verarbeitet wurde, ist denn auch in einem knapp 20 Seiten umfassenden Text von Horst Güntheroth am Schluß des Buches zusammengefaßt. Auch er schreibt zwar reichlich sensationell über die Bösartigkeit der Viren, nennt sie „eine Horde von Übeltätern, Experten der Zerstörung”, ist aber doch sachlich genug, auch die Vermutung des Molekularbiologen Michael Syva-nen zu erwähnen, wonach in der Virenübertragung von DNS-Molekülen möglicherweise eine wichtige Ursache für die genetische Vielfalt des Lebens zu suchen ist.

Die schnelle Mutation der Viren und die Vielfalt der Varianten stellt gewiß eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar - vor allem in einer Gesellschaft, in der die Ausbreitungsbedingungen für neue Erreger so günstig sind. Andererseits ist es bisher nicht gelungen, „rein negative”, aus menschlicher Sicht „böse” Lebensformen zu finden, die im großen Zusammenspiel des Lebens keine positive Aufgabe haben. Das dürfte auch für die Viren gelten.

Preston erzeugt immerhin Spannung und vermittelt in seinem Buch eine Vorstellung vom Vorgehen militärischer Stellen angesichts eines Zwischenfalles mit Viren und von den Ängsten der in ihren Schutzanzügen hantierenden Wissenschaftler.

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