Schicksalsgemeinschaft Mensch - Mikroben

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Ausstellung im Naturhistorischen Museum Wien beschäftigt sich mit der rasanten Entwicklung der Infektionsforschung seit Robert Koch.

Eine tödliche Grippeinfektion, die sich rapide ausbreitet, dargestellt anhand roter Flecken auf der digitalen Weltkarte einer Gesundheitsbehörde - dies war das Thema von Steven Soderberghs Seuchenfilm "Contagion“, in dem mit der Globalisierung verbundene Ängste in Form der Bedrohung durch unsichtbar reisende Krankheitserreger auf die Spitze getrieben wurden.

Tatsächlich sorgten in den letzten zehn Jahren Infektionskrankheiten wie SARS, "Schweine-“ und "Vogelgrippe“ oder durch EHEC ausgelöste Darmentzündungen für Wellen öffentlicher Beunruhigung. "Ich würde den Begriff der ‚Seuchenangst‘ nicht gebrauchen, aber in den letzten Jahren haben Krankheitsausbrüche in der Bevölkerung das Bewusstsein für eine gewisse Bedrohung durch Infektionen sicher verstärkt“, sagt Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts in Berlin. "Der EHEC-Ausbruch hat auch die möglichen wirtschaftlichen Folgen eines solchen Krankheitsgeschehens vor Augen geführt, wo finanzielle Folgen in der Größenordnung von 1,6 Milliarden Euro zu verzeichnen waren“, so Burger.

Fundiertes Wissen ist das beste Mittel im Hinblick auf den Schutz vor Infektionen und den Umgang mit ihren Auslösern - Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten. Einem solchen Anliegen widmet sich die Ausstellung "Mensch Mikrobe“ im Naturhistorischen Museum Wien, die Einblick in das heutige Wissen über die schicksalhafte Gemeinschaft von Menschen und Mikroorganismen vermittelt. Anhand von zehn Themenblöcken spannt die Ausstellung einen Bogen von der Begründung der modernen Infektionsmedizin bis hin zu aktuellen Herausforderungen wie Krankenhaus-assoziierte Infektionen, Antibiotika-Resistenzen, Impfstoff- und Arzneimittelentwicklung.

Entdeckung der Mikroben

Die Entdeckung krankheitsauslösender Mikroorganismen geht zurück auf die Pionierleistungen von Forschern im 19. Jahrhundert, die verbreitete "Krankheitsmythen“ durch wissenschaftliche Erklärungsmodelle ersetzten, deren Gültigkeit durch eindrucksvolle Heilungserfolge bestätigt wurde. Als der deutsche Arzt Robert Koch 1882 entdeckte, dass sich die Tuberkulose auf mikroskopisch kleine Tuberkelbazillen zurückführen lässt, war dies eine medizinische Sensation, denn die grassierende "weiße Pest“ wurde bisher lediglich mit einem ungünstigen Klima, sozialem Elend, aber auch mit Dekadenz und Verweichlichung in Verbindung gebracht.

Die im Jahr 2010 anlässlich des hundertsten Todestages von Robert Koch initiierte Wanderausstellung beleuchtet aber auch die alltägliche Co-Existenz von Menschen und Mikroben. Der menschliche Körper beherbergt schätzungsweise hundert Billionen Mikroorganismen - circa zehnmal so viele wie der Organismus Zellen besitzt. "Der Mensch ist wie ein wandelnder Zoo, da er eine ungeheure Vielzahl von Mikroben mit sich herumträgt“, erklärt Martin Lindner, Kurator der Ausstellung. "Die meisten Mikroben sind für den Menschen harmlos, viele sogar nützlich, aber einige können als Krankheitserreger zur wahren Geißel werden.“

Mikroben können etwa bei der Verdauung hilfreich sein, das Immunsystem stimulieren oder als "Schutzschild“ im Darm und der Haut fungieren; sie können aber auch als aggressive Erreger das Immunsystem herausfordern. Zudem finden sich in der normalen Körperflora Mikroben, die nur im Falle eines geschwächten Immunsystems problematisch werden - etwa der Hefepilz Candida oder das Herpes-Virus. Da sich nützliche Bakterien genetisch verändern können, besteht zwischen Gesundheit und Krankheit oft nur ein schmaler Grat. Die Erforschung dieser Zusammenhänge im menschlichen Darm, der überhaupt zu den am dichtesten besiedelten bakteriellen Lebensräumen zählt, gilt heute als viel versprechend im Hinblick auf die Entwicklung neuer Therapieansätze, beispielsweise für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Das Ausstellungskonzept umfasst auch interaktive Exponate wie die Computer-Simulation einer Länder-übergreifenden Krankheitsausbreitung, ein Krankenhaus-Modell zur Erforschung von Infektionsquellen oder ein überdimensionales Stoffbakterium, anhand dessen die Wirkungsweise von Antibiotika verständlich wird. Sämtliche Inhalte sind in Form einer "Kinderstation“ und einfacher Texte auch für Kinder ab dem Grundschulalter aufbereitet. Für Schulklassen werden interaktive Führungen und Workshops angeboten.

Einen weiteren Zugang vermitteln über Kopfhörer abrufbare Audio-Features, die von den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen von Seuchen erzählen, zum Beispiel anhand der Pest im Mittelalter oder der Cholera-Epidemie 1892 in Hamburg.

Armut und Krankheit

Auch die Malaria kam im 19. Jahrhundert in Europa vor und verschwand erst infolge der Trockenlegung von Sümpfen, verbesserter Wohnhygiene und des Einsatzes von Insektiziden. In (sub-)tropischen Weltgegenden hingegen stellt die durch Anopheles-Mücken übertragene Malaria bis heute ein Gesundheitsproblem dar, da einer hohen Verbreitung des Erregers oft mangelhafte medizinische Versorgungsstrukturen gegenüberstehen. Armut führt dazu, dass sich viele Familien Moskitonetze oder Malaria-Medikamente nicht leisten können und Unterernährung die Krankheitsanfälligkeit zusätzlich erhöht.

Im Zuge der prognostizierten Klimaerwärmung könnten tropische Infektionskrankheiten wie das Denguefieber auch heute wieder in Europa auftreten, sofern sich die Wanderung der entsprechenden Überträger-Mücken nach Norden verstärkt und es zu Infektketten kommt - für den Experten Burger ein insgesamt "schwer zu quantifizierendes Risiko“. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich Krankheitsausbrüche durch geeignete Mückenbekämpfungsmaßnahmen rasch wieder stoppen ließen.

Das Themenspektrum der Ausstellung schließt mit Hygiene-Empfehlungen für den Alltag: So können Lebensmittelinfektionen durch das Einhalten der Kühlkette, Durchgaren von Fleisch, hygienisches Kochen und sorgfältiges Reinigen von Oberflächen vermieden werden. Durch regelmäßiges Händewaschen mit Wasser und Seife lässt sich das Auftreten infektiös bedingter Atemwegs- und Durchfallerkrankungen nachweislich verringern.

"Die Basishygiene sowie das Einhalten der empfohlenen Impfungen tragen wesentlich dazu bei, Infektionskrankheiten zu vermeiden“, resümiert Burger, der Präventionsmaßnahmen auch in einem globalen Zusammenhang sieht: "Angesichts des weltweiten Personen- und Warenverkehrs stellt heute beispielsweise der Kampf gegen die Kinderlähmung in den drei Polioherden Afghanistan, Pakistan und Nigeria einen Dienst an der ganzen Menschheit dar.“

MenschMikrobe.

Naturhistorisches Museum Wien Burgring 7, 1010 Wien

bis 14. Juli 2013

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung