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800 Jahre Schloß Straßburg

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Wer einmal durch die stille Waldlandschaft des Kärntner Gurktales wandert und sich etwa von der östlichen Talseite her dem Städtchen Straßburg nähert, der sieht ein stolzes Schloß auf waldumrauschter Höhe, die an seinen Südabhang des Burghügels sich sanft hinschmiegende Stadt mit ihren verträumten Giebeln und verschmelzend mit dem fernen Hintergrunde, der das tausendjährige Lieding mit seiner majestätisch thronenden, uralten Kirdie zeigt, die feine Silhouette des Turmes des Straßburger Gotteshauses. Ein wundervolles Panorama. Mag die umliegende, etwas schwermütig stimmende Landschaft mit dem Samt ihrer dunkelgrünen Wiesen und dem Gürtel ihrer weiten Wälder längst schon im Schatten liegen, so ist die Burg noch immer verschwenderisch von Sonnenlicht Übergossen. M;ch dünkt sie immer am schönsten an klaren Herbsttagen, wenn ihr gelblichgraues Gemäuer, das aus dem Felsen emporzuwachsen scheint, von der Sonne vergoldet wird, während hinter ihr die bewaldeten Kuppen am fernen Horizont verdämmern und hoch über ihnen der Zirbitzkogel über seine beschneiten Hänge einen leuchtenden Hermelmmantel breitet.

Das Schloß Straßburg, das durch fast 650 Jahre die Residenz der Gurker Bischöfe gewesen ist, darf sich rühmen, Kärntens *hr-würdigste Burgruine zu sein. In diesem Jahre begeht es seinen 800jährigen Bestind, freilich — man wird es beim Näherkommen gewahr — nicht mehr in rüstiger Festlichkeit, Zeuge vielmehr des Wandels historischer Schicksale, von herrischem Glanz zu Heimsuchung und Verfall. In seiner zeitlos gewordenen Physiognomie fließen heute das Einst und Jetzt, Vergangenheit und Gegenwart, ineinander, seheinbar schon entrückt dem Wechsel der Geschichte, ehrwürdig noch als Monument von Jahrhunderten, die uns Modernen weltfern sind und die'uns dieser Bau- verdolmetscht.

Im Jahre 1147 vollendete Gurks größter Bischof, Roman I. (1131—1167), den Sdiloß-bau in seiner ursprünglichen, bescheidenen Anlage. Dieser Kirchenfürst, der der Erzieher der zwei Kärntner Herzöge Hermann und Heinrich war, zehn Jahre für seinen Freund Konrad I. das Erzstift Salzburg verwaltete und von seinem vertrauten Freund Kaiser Friedrich Rotbart zum Reicbsfürsten erhoben wurde, war auch der erste Bauherr des Gurker Domes. Mit seinem Zug ins Große kennzeichnet er jenen Persönlichkeitstyp, der, vom staufischen Ritterideal her . geformt, uns in Bisdiöfen seiner Zeit, wie etwa Christian von Mainz oder Wichmann von Magdeburg, entgegentritt Von seiner Bautätigkeit mag noch die Anlage des heutigen Ostturmes der Burg herrühren, der an seiner Außenarchitektur die romanische Apsis der einstigen Kapelle zeigt.

In den nach Pvomans II. Tode, um die Mitte des 12. Jahrhunderts, hereinbrechenden Wirren, die zum sogenannten Gurker Bischofskriege führten, wurde Schloß Straßburg schwer mitgenommen. Hermann von Ortenburg hatte sich als Kandidat der Gurker Partei gegen den von Salzburg eingesetzten Bischof Dietrich II. von Albeck erhoben und sich in die Feste Straßburg geworfen. Zweimal hier belagert und aus dem zerstörten Bau vertrieben, ließ sich der Ortenburger zur Abdankung bewegen. Seine Fehde war das blutige Vorspiel zu den in den folgenden Jahrzehnten mit Schwert und Feder von den Gurker Bischöfen geführten Kämpfen um die kirchliche und politische Unabhängigkeit von Salzburg. Die damaligen Urkundenfälschungen der Straßburger Kanzlei gehören zu den Curiosa in der mittelalterlichen Rechtsgeschichte.

In dieser bewegten Periode erbaute Bischof Walter vonDatz (1200-1213) die heutige Stadt Straßburg; eine rohe Stein büste des Bischofs aus dem Jahre 1220, die beim ehemaligen Westtore der Stadt eingemauert ist, erinnert heute noch an diese stürmische Zeit. Auf Schritt und Tritt begegnet man in dem Städtchen den Spuren der bischöflichen Burgherren. Die Kollegiat-kirche der Stadt mit ihrem festlich wirkenden Innenraum ist die Grabeskirche der Bischöfe geworden; sie birgt ein Meister werk spätgotischer Grabplastik, das rot-marmorne Doppelgrabmal der beiden Bischöfe Johann V. und Ulrich III„ ^es bekannten Kanzlers Friedrichs III. Es wurde von Hans Eybenstock hergestellt, jenem Meister, der jetzt als der Lehrer des in Kärnten gut vertretenen, berühmten Grab plastikers Hans Valkenauer angeseher: wird. (Vgl. „Furche“ Nr, 50, 1946.)

In der gotischen Bauperiode, die sich an den Namen des tatkräftigen Bischofs Gerold (1326—1332) knüpft, erhielt die Burg durch zwei neu hinzugekommene Bergfriede ihr bis heute gebliebenes trutziges Gepräge.

Die folgenden Jahrhunderte, in denen das unersetzliche Archiv zum großen Teil einem Brand zum Opfer fiel, haben am Baucharakter der Burg wenig geändert, bis in Fürstbischof Johann VIII., Kardinal von Goes (1673—1696), dem baufällig gewordenen Schlosse der große Mäzen ersteht, der die .Glanzperiode der Barockzeit in Straßbnrg einleitet. Der am Wiener Hofe hochgeschätzte Diplomat, der 'm Konklave nach dem Tode Alexanders VIII. eine maßgebende Rolle spielte und am Zustandekommen des Nymweger Friedens hervorragend beteiligt war, erhebt Schloß Straßburg zu einem glänzenden Fürstensitz. Während noch einer seiner Vorgänger klagf, daß die Burg eher einer „Spelunke“ gliche, wird sie nunmehr wohnlich ausgebaut. Von Goes stammen vor allem an der Innenseite der Burg die schönen Pfeilerarkaden mit den im Obergeschoß ihnen aufgesetzten toskanischen Säulenumgängen. Diese Umrahmung schuf eine Schloßhofanlage von bezaubernder, den heiteren Geist des Südens atmender Wirkung, die heute noch inmitten des Verfalles lebendig wird.

Jahrelang war der Tiroler Maler Paul Troger im Schlosse beschäftigt; seine Tafelbilder schmückten die Prunkräume, indes Kärntens großer Barockmeister F r o m i 11 e r für die Kollegiatkirche sein berühmtes Hochaltarbild schuf. Alle Künste waren zu jener Zeit auf der Burg ihrer bischöflidien Mäzene daheim. Für einige ihrer Theater weisen die Urkunden einen eigenen Bühnendekorateur aus. Es war die letzte Blütezeit vor dem Ende. Ein Erdbeben in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts schüttelte das Schloß und zerfurchte die Mauern. Es mag nicht sehr anheimelnd mehr gewesen sein, denn der dem Geiste der Aufklärung huldigende, der alten Romantik abholde Fürstbischof Josef II. Graf Auersperg, bezog im Jahre 1780 das durch den Architekten J. G. Hagenauer erbaute Residenzschloß Pöckstein am Eingang ins Gurktal („Furche“ Nr. 13). Als dann gar unter Kardinal Salm im Jahre 1787 der Sitz des Bistums nach Klagenfurt verlegt wurde, versank die altersgraue Straßburg in das Schweigen der Einsamkeit. Ein Blitzschlag traf sie 70 Jahre später und Versehrte durch Brand ihre Innenräume. Sollten die Bischöfe des 19. und 20. Jahrhunderts die mittelalterliche Burg, die vom Verfall bedroht war, wieder herstellen? Sie sahen für sich wichtigere Aufgaben und größere Sorgen und damit war, scTsehr man es des alten Wahrzeichens wegen bedauern mag, das Schicksal der Burg besiegelt. Der Untergang des einst so stolzen Schlosses ist kaum mehr aufzuhalten.

Das kostbarste Stück seiner ehemals reichen Inneneinriditung bildet ein aus dem Jahre 1390 stammender Wandteppich, der sich jetzt im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet, ein Meisterwerk altdeutscher Gobelinkunst, dessen allegorische Darstellung den Kampf zwischen Tugend und Laster symbolisiert.

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