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Ein Großbauherr vor 800 Jahren

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Aus den leidenschaftlichen Kämpfen des Papsttums und Kaisertums im Investiturstreit ging als eine der markantesten Bischoftsgestal-ten auf dem erzbischöflichen Stuhle von Salzburg Konrad I. aus dem Geschlechte derGrafen von Abensberg hervor. Gleich seinen beiden großen Vorgängern, Gebhard, dem „wachsamsten Späher der Burg Sion“, und Thiemo, der am 28. September 1101 auf dem Kreuzzuge in Kleinasien fiel, war auch ihm bald nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Salzburg am 9. Jänner 1106 das Los langjähriger Verbannung bestimmt. Indes gerade dieser Umstand wie auch sein früh erer Aufenthalt als Domherr von Hildesheim in Sachsen sollte für seine kirchenpolitische, vornehmlich aber für seine Tätigkeit als großer Bauherr im Salzburger Kirchensprengel von größter Wichtigkeit werden.

Aus dem Kloster Admont, das ihn mit Recht seinen zweiten Gründer nennt, sind uns zwei Lebensbeschreibungen erhalten, die uns ein anschauliches Bild dieses unerschrockenen, ganz vom Hirsauer Reformgeist erfüllten Mannes zeichnen. Vorerst galt sein größtes Interesse unmittelbar nach seiner 1121 erfolgten Rückkehr aus der Verbannung der Wiederherstellung des kirchlichen Lebens seiner weit ausgedehnten Kirchenprovinz. Besondere Vorliebe hatte er für die Regel des hl. Augustin; er führte sie bei seinem Domkapitel ein und verpflichtete seine Domherren zu einem gemeinsamen ,Leben. Desgleichen tat sein Suffraganbischof Roman v. Gurk, der auch für sein Domkapitel die Augustinerregel vorschrieb. Eine Reihe von Klöstern nach der genannten Regel entstand unter seiner Regierung: Au, Baumburg, Berchtesgaden, Chiemsee, Gars, Seckau, Suben und Sankt Zeno bei Reichenhall. — Der Erfolg der Bestrebungen des energischen Erzbischofs, die ganz im Sinne des berühmten Propstes Gernoch v. Reichersberg von tatsächlichem Erfolg gekrönt waren, veranlaßte später König Konrad III., als er 1149 auf der Rückkehr von dem verunglückten Kreuzzug das Pfingstfest in Salzburg feierte, zu der Erklärung, nirgends einen an Haltung, Kleidung und Ansehen dem Auge wohlgefälligeren Klerus sowie besser gebaute Kirchen als in Salzburg gesehen zu haben. Eingehend -sind wir über seine Bautätigkeit unterrichtet. Sein früherer Aufenthalt als Domherr in Hildesheim und später während seiner langjährigen Verbannung als Erzbischof bestimmten dabei ausschlaggebend seine Baugesinnung.

Fast ein volles Jahrhundert fehlen uns Nachrichten zur Baugeschichte, bis zur Herrschaft Konrads. Unter ihm begann eine Baubewegung, die für Salzburgs Kirchenprovinz alles Vorhergehende weit übertraf. In seiner Lebensbeschreibung wird uns erzählt, daß es in seiner weitausgedehnten Diözese keine Kirche gab, die er nicht entweder neugebaut oder wenigstens verbessert habe. Seine fruchtbare Bautätigkeit, die Zeit unmittelbar nach der Rückkehr aus der Verbannung, 1121—1146, umfassend, ist zeitlich von seiner inneren Reformarbeit begleitet und wirkt noch lange nach seinem Tode nach. Von größeren Kirchenbauten, die unter Konrads Regierung entstanden, sind vor allem zu nennen: Admont, die Erneuerung des Domes, St. Peter in Salzburg, St. Zeno in Reichenhkll, Seckau in Obersteiermark, Chor und Krvpta in Gurk und wahrscheinlich auch Nonnberg. — Am 5. Mai 1127 brach, so berichten die Totenbücher, in Salzburg ein Brand aus, der einen großen Teil der Stadt, den Dom und St. Peter zerstörte. Das Feuer entstand bei einem Glockenguß in der Nähe des Münsters, griff auf die Basilika über, zerstörte die verbrennbaren Teile aus Holz wie Decken und Dächer. Nur der gemauerte Bau blieb erhalten. Die gesamte Einrichtung und auch die Glocken waren ein Raub der Flammen geworden. Schon in fünf Monaten war die Kirche wieder soweit hergestellt, daß sie benützt werden konnte. Am 24. September 1127 fand die Weihe statt, zu der der König von Ungarn einen Boten nach Salzburg sandte, mit einem fürstlichen Geschenk an Gold und Silber und vielen Prunkkleidern, bestimmt, für das Heiligtum verwendet zu werden. In wenigen Jahren war das Innere vom Fußboden bis zur Decke auf das prächtigste wiederhergestellt. Erzbischof Konrad errichtete hohe Türme, ließ Glocken gießen, die größer waren und mächtiger klangen als die alten, die Wände zierte er mit Gemälden, die .von Gold leuchteten. 1121 ließ er auch die heute nicht mehr erhaltene Kirchs zu Admont an Stelle einer früheren, abgebrannten, neu erbauen. „Sie hatte prächtige Marmorsäulen und fand in jenen Berggegenden kaum ihresgleichen.“ — 1130 bis 1143 entstand St. Peter, die früheste, in einem barocken Umbau heute uns noch erhaltene Schöpfung Konrads, eine drei-schiffige, ursprünglich flachgedeckte Basilika mit dem charakteristischen Stützenwechsel

— zwei Säulen mit einem Pfeiler — mit ausladendem Querschiff und Vierung, eigenem Chorquadrat samt einer später beseitigten Apsis. Die gedrungenen Säulen mit ihren mächtigen Würfelkapitälen -verraten das sächsische Vorbild. Als Baumeister haben wir zweifellos sächsische Mönche anzunehmen, die Konrad nach Salzburg berief. 1136 legte er den Grundstein für St. Zeno in Reichenhall.

Als ein Spätwerk im konradinischen Stil ist die Basilika zu. Seckau, deren Bauzeit sich von 1142—1164 erstreckte, anzusehen. Die Verwandtschaft mit Sankt Peter in Salzburg ist leicht zu erkennen. Der Innenraum bis zum Chor ist unversehrt erhalten. Wenn man durch die Vorhalle in die Kirche tritt, empfindet man sofort die starke Raumwirkung. Neben Gurk unzweifelhaft das Großartigste, was man an frühmittelalterlicher Raumkunst in unseren Alpenländern — auch Süddeutsch-land hat nichts Gleichwertiges aufzuweisen

— erleben kann. Trotz der nahen Verwandtschaft mit Salzburgs St. Peter — Rhythmus im Stützenwechsel, gleichgeformte Kapitale und Anzahl der Stürzen — weist Seckau einen völlig anders gearteten Grundriß auf: eine langgestreckte, dreischiffige Basilika ohne Querschiff, im Westen mit zwei quadratischen Türmen und Vorhalle, im Osten drei Apsiden in einer Flucht nebeneinander. Soweit der ursprüngliche Zustand ohne das im 19. Jahrhundert neu eingefügte Querschiff. — Wie St. Peter ist Seckau indes nicht mehr reiner, sächsischer Typus, vielmehr eine Abwandlung der Hirsauer Schule, die schon, bevor noch Konrad die sächsische Bauweise hieher verpflanzte, für die Salzburger Kirchenprovinz bestimmend war. Bekanntlich unterhielt Salzburg schon zur Zeit der Entstehung der Hirsauer Bauschule enge Beziehungen mit dem schwäbischen Reformkloster. Erzbischof Gebhard lebte während seiner Verbannung, 1077—1088, in Schwaben, sein Nachfolger Thiemo war in frühester lugend selbst Mönch von Niederalteich gewesen und lebte als Abt von St. Peter eine Zeitlang in Hirsau, bekannt als Maler. Bildhauer, Goldschmied und Steingießer. Er bestimmte den Abt Gisilbert v. Reinhardsbrunn, einen von Hirsauer Geist erfüllten Mönch, zum Vorsteher Admonts. Auch Erzbischof Konrad gab sein Beziehungen zur Hirsauer Schule nicht auf. Die Schule griff auf die reine Basilikafotm zurück, deren gleichmäßige Säulen- und Pfeilerreihe mit der Flachdecke sich bis ins 13. Jahrhundert hinein erhalten hat. Das unmittelbare Vorbild für Seckau war Paulinzelle, eine Hauptgründung der Hirsauer, oder Hammersleben, ein sächsischer Vertreter dieser Schule. — Gurk sollte gleichfalls im konradinischen Stil erbaut werden, doch kam nur der Chor zustande. Der Grundriß, der noch unter Konrad I. (1140) entstand, zeigt das Schema von Seckau. Der Bau der ausgedehnten Krypta mit ihren 100 Säulen und der damit verbundene erhöhte Chor (um 1174 vollendet) gehen auf Salzburger Vorbilder zurück, und darin weicht Gurk von der Hirsauer Baugewohnheit ab. Das Langhaus wurde als Pfeilerbasilika vollendet. In Sankt Zeno (Reichenhall), fast gleichzeitig mit St. Peter vollendet (1143), ging uns ein prächtiges Denkmal konradinischer Renaissance verloren.

Konrad I. hatte bei seinen Kirchenbauten — von ihm stammen auch die gewaltigen und imposanten Festungen H o h e n s a 1 z-burg, Werfen und Friesach — einen durchaus einheitlichen Plan in der Gestaltung des Innenraumes verfolgt. Mit Recht könnte man von einem ausgeprägten konradinischen Stil dieses bedeutenden, tatkräftigen Kirchenfürsten sprechen, dem in der Malerei ein antikisierend byzantinischer Charakter nachgewiesen wurde. Mit ihm begann das „Goldene Zeitalter der mittelalterlichen Kunst“ in Salzburg. —

Im Dezember 1146 weilte Konrad netah in Friesach. Krankheit lähmte seine unermüdliche Schaffenskraft. Schon 1137, nach dreißigjähriger, aufreibender Regierung, hatte er den Bischof Reginbert v. Brixen an den Papst Innocenz II. gesandt mit der doppelten Bitte, dem Bischof Roman von Gurk „die Sorge und Administration der ganzen Kirchenprovinz“ zu übertragen,ihm selbst aber zu gestatten, sich zu einem rein beschaulichen Leben in ein Kloster zurückziehen zu dürfen. Waährend der Papst die erste Bitte gewährte, versagte er jedoch das zweite Ansuchen, um einen so ausgezeichneten Führer der Salzburger Diözese zu erhalten. Im Frühjahr 1147 trat Konrad von Friesach die Rückkehr nach Salzburg an. Er erreichte sein Ziel nicht mehr. An einem unbekannten Ort im Lun-gau soll ihn der Tod — nun vor achthundert Jahren — am 9. April 1147 ereilt haben. Die Leiche wurde nach Salzburg gebradit und im Dome bestattet. —

Konrad war der redite Mann für die verworrene Zeit des Investiturstreites. Kein Mann wie sein Vorgänger Gebhard, dieser Mann der Sanftmut, Gelehrsamkeit und Beredsamkeit, oder wie Thiemo, diese stille Mönchs- und Künstlernatur, nein, einer, der ebenso durch Kraft eines starken, unbeugsamen Geistes, durch Entschiedenheit der Gesinnung wie durch den Besitz äußerer Machtmittel als Anhänger der Reformbestrebungen sich durchzusetzen verstand. Witzig, zuweilen derb und hart zupackend, konnte er in seiner Umgebung sein. Als Johann von Gaeta zum Papst gewählt wurde und sich Gelasius nannte, sagte Konrad von ihm: „Als Johann war er zu nichts nütze, vielleicht wird er als Gelasius besser sein.“ Während seiner unfreiwilligen Anwesenheit am Hofe Heinrichs V. wurde er von den Neuankommenden gefragt, was es da Neues gäbe, und antwortete: „Großes, Ungewöhnliches und seit Jahrhunderten Unerhörtes. Hier werden ein Strauß, der Eisen frißt, und ein Bischof, der gefangen ist, herumgeführt, der Bischof nämlich, damit er gestraft werde, weil er nichts Strafwürdiges begangen, und der sterben soll, weil er unschuldig ist.“ Dem Herzog von Lothringen, der ihn aufforderte, dem König Konrad III. den Treueid zu leisten, entgegnete en „Herr Herzog, wäret Ihr 9er Wagen, Ihr liefet den Ochsen voran; zwischen mir und dem Herrn Könige wird sich alles so ordnen, daß Eure Sorge überflüssig ist.“ Ein Kirchenfürst von energischer, ehrlicher und offener Natur. So brauchte ihn das 12. Jahrhundert.

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