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St.Paul zeigt Kärntens Kostbarkeiten

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Bis zum 26. April wollen 16 Pilger auf den Spuren der Benediktinermönche aus St. Blasien im Schwarzwald - Männer aus St. Paul - im Kärntner Stift im Lavanttal eingetroffen sein. Bis zum 26. April, an dem in diesem „Schatzhaus Kärntens" die Landesausstellung eröffnet wird. Es waren nämlich Benediktinermönche aus St. Blasien, die im Jahr 1809 auf Wunsch Kaiser Franz I. zunächst nach Spital am Pyhrn im heutigen Oberösterreich gezogen waren, um Kärntens darniederliegendes Schulwesen neu aufzubauen.

Bei diesem Auszug hatten sie einen ansehnlichen Teil der St. Blasiener Kunstschätze - Gemälde, Graphiken, Handschriften, eine wertvolle Münzsammlung und Teile des Kirchenschatzes, aber auch die Gebeine 14 früher Habsburger, darunter der ersten Gemahlin des Hausbegriin-ders Rudolf I., mit sich genommen.

Diese Schätze bilden nun den Kern der kunsthistorischen Schau in St.Paul, der um etwa 70 Leihgaben ergänzt wurde.

Die Niederlassung von zwölf Benediktinermönchen aus dem schwäbischen Reformkloster Hirsau im Lavanttal belegen erste Urkunden für das Jahr 1091. Die Grafen von Spanheim, Erben der Burg Lavant und ab 1122 Herzöge von Kärnten, hatten sie ins Land geholt. In den folgenden zwei Jahrhunderten wurde das Kloster zum entscheidenden Kulturträger der Region, Wälder wurden gerodet, Gutshöfe und Weingärten entstanden, Siedlungs- und Kirchenbauten wurden errichtet. Man beschäftigte Baumeister und Bildhauer. Maler und Schreiber, gründete eine erste Lateinschule. Zwischen 1180 und 1220 entstand die mächtige dreischiffige Pfeilerbasilika, eine der schönsten romanischen Kirchen Österreichs.

Ihre hellen Steinquader strahlen nach der Restaurierung in fast schon südlichem Licht. Im Giebelfeld ihres Südportals (12./13. Jh.) bringen die heiligen Könige einem stämmigen Jesuskind ihre Gaben, über Maria und einem recht herrscherlich aussehenden Josef rafft ein Engel sein Faltenkleid, schwebt ein Blumen-Stem. Aus der linken Ecke zum säulengeschmückten Torgewände hin blickt ein Mann, der sich über seinen langen Bart streicht. Über dem Westportal umschweben hingebungsvolle Jünger- und Engelsgestalten Christus, sie haben Hände und Füße (!) gefaltet. An vielen Stellen der Außenmauem sind romanischeTier-oderMenschengestalten zu entdecken, ein Widder mit Weibchen, die Unzucht darstellend, bleibt besonders im Gedächtnis. Im Inneren der Stiftskirche ziehen die romanischen Säulenkapitelle mit unterschiedlichen Pflanzenmotiven den Blick nach vorne zu Chor und Apsis, deren spätromanische Fresken die Kreuzigung des Petrus und die Köpfung des Paulus zeigen.Thomas

von Villachs Fresko, den Kirchenstifter und seine Gemahlin darstellend (1492/93), enthält im seitlichen Rankenwerk ein Selbstporträt des Künstlers, verschmitzt lächelt er dem Betrachter zu. Im gotischen Netzwerk von Mittel- und Seitenschiffen sind Maßwerk-Medaillons eingebunden, Friedrich und Michael Pacher haben sie kostbar mit Heiligendarstellungen bemalt.

Dem blühenden Leben in St. Paul haben die Türkenverheerungen des 15. Jahrhunderts, der wirtschaftliche Niedergang und die Reformationszeit ein Ende bereitet. Erst Abt Hieronymus Marchstaller, „der zweite Gründer von St. Paul", brachte dem Stift in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts neuen geistlichen und wirtschaftlichen Aufschwung. Er gab den Neubau des Stiftsgebäudes in Auftrag.

Wie viele Stifte und Klöster wurde auch St. Paul 1782 ein Opfer des Reformeifers Kaiser Joseph IL, über hundert Jahre war es dem Verfall preisgegeben. Nach der Neubesiedlung von 1809 durch die St.Blasiener (die ursprüngliche Niederlassung in Spital am Pyhm wurde wegen der Entfernung bald nach St.Paul übersiedelt) entwickelte sich St. Paul durch seine wissenschaftlich betriebene Geschichtsforschung, durch Stiftsgymnasium und Konvikt, zur ersten Bildungsstätte des Landes. Heute führt St. Paul das größte Privatgymnasium Österreichs mit angeschlossener Tagesheimschule, es setzt seelsorglich und kulturelle

neue Initiativen.

Die in den insgesamt 28 Räumen des Stiftes (darunter Bibliothek, Alte und Neue Prälatur, Sommerrefektorium) arrangierte Schau geleitet von den keltisch-römischen Ursprüngen durch die 900 Jahre seines Bestandes bis in die Gegenwart und hat ihre Höhepunkte in den Kostbarkeiten des Mittelalters: Im Reliquienkreuz der Königin Adelheid von Ungarn (11. Jh.), in den prunkvollen romanischen Meßgewändern, den ältesten Textil-kunstwerken Österreichs, in Buchdeckeln aus geschnitztem Elfenbein (9.Jh.) oder fast vollplastischem Silber (13. Jh.).

Unter den mehr als 60.000 Bänden der stiftseigenen Bibliothek, deren Handschriftensammlung die größte nach der Nationalbibliothek ist, sind einige weitere attraktive Schwerpunkte der Ausstellung: Das Fragment einer Bibelübersetzung aus dem 5. Jahrhundert, Handschriften von der Bo-densee-Insel Reichenau (9. Jh.) Leihgaben aus Oxford (11. Jh.).

Außergewöhnlichen Rang hat auch die rund 12.000 Werke umfassende Sammlung von Holzschnitten, Kupferstichen, Radierungen und Handzeichnungen vom 15. bis zum 20. Jahrhundert, Peter Paul Rubens ..Anbetung der Hirten" und 15 großformatige Ölgemälde des Kremser Schmidt, darunter sein „Letztes Abendmahl" als Auftragswerk für das Spitaler Refektorium entstanden, deutsche, niederländische, italienische Künstler spiegeln die Vielfalt klösterlichen Kultursinns.

(Bis 27. Oktober, täglich 9 bis 17 Uhr.)

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