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Toleranzpatent und Klostersturm

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Bei seinem Regierungsantritt fand der junge Kaiser folgende kirchliche Situation vor: der Großteil seiner Stammlande stand, trotz der schon unter den Babenbergern einsetzenden Bemühungen um eigenständige Landesbistümer, unter Jurisdiktion des Bischofs von Passau und des Erzbischofs von Salzburg, also „auswärtiger” Reichsfür-sten. Das Pfarrsystem war erstarrt, und die Stiftung vieler Klosterniederlassungen war Ausdruck wohlgemeinter Frömmigkeit bzw. des Hungers nach dem Worte Gottes. Ihre Zahl schien aber sehr beträchtlich. Das Landeskir-chentum war schon im Spätmittelalter erkennbar.

Durch den Schutz, den katholische Herrscherhäuser während und nach der Reformation ihrer Religion angedeihen ließen, ist dessen Ausbau und Erstarkung gefördert worden. Das Gedankengut des Jansenismus, Gallikanis-mus, der Toleranz und der Aufklärung Führten zu den Maßnahmen des Volks-Kaisers, der auch in Sorge um die Religion, wie sonst, zu kleinlicher Reglementierung neigte.

Bei der Ordnung dieser Angelegenheiten schenkte der Kaiser sein Vertrauen vor allem Hofrat Franz Joseph Ritter von Hinke. An der Kurie mußte ihm die Bestätigung seiner Maßnahmen, soweit er diese Für erforderlich hielt, der österreichische Kronkardinal Franz Graf von Hrzan-Harras durchsetzen, den er nur als dienendes Werkzeug einstufte.

Die neuen Markierungen der josephinischen Kirchenpolitik wurden bald an bestimmten Punkten erkennbar: Toleranzpatent, Klostersturm, Einrichtung neuer Bistümer, Pfarr-Regulie-rung und eine Reihe zum Teil sehr kleinlicher Maßnahmen.

Nach den weniger erfolgreichen Maßnahmen seiner Mutter gegen den Krypto-Protestantismus sicherte der Kaiser bald nach seiner. Regierungsübernahme den Lutheranern, Reformierten und nichtunierten Griechen freie Religionsausübung, allerdings unter bestimmten Einschränkungen, zu.

Trotz des Papstbesuches setzte der Sturm gegen die Klöster mit großer Heftigkeit ein. Zwei Kartäuser aus Mauerbach mit ihren Beschwerden (sie erwiesen sich als haltlos) haben die Lawine losgetreten. Schon am 29. November 1781 traf der Kaiser erste Anordnungen gegen jene Orden beiderlei Geschlechtes, die weder Schule hielten, noch Kranke pflegten, noch sonst sich „in studiis” hervortaten, sondern nur ein beschauliches Leben Führten. Bald darauf erfolgte die Auflösung dieser Konvente. Im Laufe der Zeit wurden bei der Aufhebung vor allem alter Stifte weitere Gründe geltend gemacht. Schlechte Wirtschaftsführung, Bitte des Konvents selber, Ausstattung neuer Bistümer und Domkapitel. Bis 1786 waren schon 738 Konvente in der österreichischen Reichshälfte aufgehoben. Daß dabei wertvoller Kulturbesitz verschleudert wurde, ja manchmal sogar zugrunde gegangen ist, war eine keineswegs beabsichtigte, aber leider doch manchmal vorkommende unangenehme Nebenwirkung.

Kardinal Leopold Ernst Graf Fir-mian, Fürstbischof von Passau, und Hieronymus Graf Colloredo, Fürsterzbischof von Salzburg, waren selbst Anhänger der Aufklärung. Man mußte daher besonders vorsichtig vorgehen. In Passau wartete man den Tod des Kirchenfürsten ab. Dieser trat am 13. März 1783 ein. Mit einer für die Bürokratie bewundernswerten Behendigkeit wurden die nun schon geplanten Maßnahmen durchgeführt. Der Passauer Offizial in Wien, Weihbischof Ernst Graf Herberstein, wurde vom Kaiser zum Bischof von Linz ernannt. Der Wiener Neustädter Bischof Johann Heinrich von Kerens wurde nach St. Pölten versetzt. Dem Linzer Bischof wurden die Güter des Klosters Gleink und später auch die von Garsten als Dotation angewiesen, dem dortigen Domkapitel die Besitzungen des Klosters Waldhausen zur Nutznießung übertragen. Für die Ausstattung von St. Pölten wurden Besitzungen des Augustiner-Chorherrenstiftes St. Pölten benützt.

Zwei Jahre später hat dann der uns schon bekannte österreichische Kronkardinal in Rom die päpstliche Bestätigung für die neu errichteten Diözesen und ihre Bischöfe erreicht. Ähnlich ging es bei der Einrichtung der Bistümer Seckau-Graz und Gurk-Klagen-furt vor sich.

Die Pfarr-Regulierung war schon vor Errichtung der neuen Diözesen in Gang gekommen, obwohl die Ordinariate einerseits und die Pfarrer andererseits (vor allem wegen Verkürzung ihrer Einnahmen) hinhaltenden Widerstand leisteten. Es war u. a. vorgesehen, überall dort Pfarren bzw. Lokalien einzurichten, wo eine Gemeinde mehr als 700 (in Städten 1000) Seelen hatte; außerdem dort, wo mehr als eine Stunde Fußwegs zum Besuch der Pfarrkirche notwendig war. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden in Wien 36 und in der Diözese Linz 130 neue Pfarren eingerichtet.

Um für diese Seelsorgeposten geeignete Priester heranzubilden, wurden 1783 vier Generalseminarien eingerichtet, und zwar in Wien, Budapest, Pavia und Löwen. Ein fünfjähriges Studium war vorgesehen. Das Fach Pastoral wurde neu eingeführt und der Kirchengeschichte ein gebührender Platz angewiesen. Dazu kam noch eine Reihe kirchlicher Verordnungen. Viele davon betrafen den Gottesdienst. Die Anzahl der Messen und Andachten wurde genau geregelt. Prozessionen, Wallfahrten, Vespern, Kreuzwegandachten, No-venen und Wettersegen wurden verboten. Das Ziel des Gottesdienstes sollte eine Hinführung zum praktischen Christentum sein.

Darum auch kleinlich erscheinende Vorschriften zu den Predigt-Themen (Weihnachten - Nutzen der Stallfütterung, Ostermontag - Vorteile des Spazierengehens). Der Volksgesang und die Ubersetzung der Meßtexte in die Volkssprache wurden gefördert, dazu kamen Anordnungen bezüglich der Anzahl der Kerzen beim Gottesdienst und Bestattung der Toten in Säk-ken.

Diese kurze Ubersicht kann keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit oder Systematik erheben, wohl aber ist sie ein Anruf, damit wir uns selber fragen, wie weit Joseph II. in uns noch fortlebt. Zu den Ideen, die wir zweifellos bejahen, gehört die einer richtig verstandenen Toleranz. Sie ist nicht Unsicherheit und ungesunde Kompromißbereitschaft, sondern Hochachtung vor der ehrlichen Gesinnung Andersdenkender.

Wieweit zittert die Geringschätzung des der Betrachtung und Innerlichkeit zugewandten Ordenslebens noch nach? Sind wir nicht oft zu rasch mit der Frage da, was tun die Mitglieder dieser Gemeinschaften erkennbar Gutes für die unmittelbare Seelsorge vor allem in den Pfarren? Gott sei Dank ist diese Gesinnung nicht mehr allgemein verbreitet. Dafür gibt z. B. die freudige Begrüßung der Einrichtung von neuen Karmelitinnen-Niederlassungen, selbst durch die Ortsbischöfe, ein beredtes Zeugnis.

Die Übernahme der kirchlichen Besitzungen, vor allem die Aufhebung der Klöster, war zweifellos ein Unrecht. Daraus haben andere kirchliche Einrichtungen wie Bistümer und Domkapitel Nutzen gezogen, weil ihnen Liegenschaften und Wälder übergeben wurden. Wer denkt von den heutigen Nutznießern daran, die Güter an die ursprünglichen Besitzer zurückzugeben oder auch nur die auf den Besitzungen lagernden Patronatslasten voll anzuerkennen?

Begrüßen werden wir zweifellos die Einführung der Volkssprache in der Liturgie. Eines der Anliegen der josephinischen Gottesdienstordnung ist im Gefolge des Vatikanum II in Erfüllung gegangen.

Diese Überlegungen mögen uns helfen, um nach zweihundert Jahren zu einer immer gerechter werdenden Beurteilung des stürmischen und manchmal kleinlichen, aber um seine Untertanen aufrichtig besorgten Kaisers zu kommen, der noch auf seinem Sterbebett seine guten Absichten beteuert hat.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für Kirchengeschichte und Patrologie an der Universität Wien.

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