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Blaugelbe Messe

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Die Landesausstellung in Krems ist eine Leistungsschau von Handel, Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft des Bundeslandes Niederösterreich. Ihre traditionelle Verbindung mit dem Wachauer Volksfest, mit einem Trachtenfestzug und einem Schützenjubiläum darf nicht dazu verleiten, in ihr einen Hintergrund für folkloristische Veranstaltungen zu suchen. Die Rahmenprogramme sind wertvoll, erfreulich und der Förderung würdig, die Landesausstellung selbst ist und bleibt aber mit ihrem rein wirtschaftlichen Charakter im Mittelpunkt.

Rund 350 Aussteller — vorwiegend aus Niederösterreich, zum kleinen Teil auch aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland — haben auf einer Gesamtfläche von 50.000 Quadratmetern Gelegenheit, ihre Waren und Produkte auszustellen, für sie zu werben und neue wirtschaftliche Kontakte zu finden, wie es zum Charakter einer Messe gehört. Auch heuer werden wieder zahlreiche Neuerungen auf den Gebieten Haushalt, Bürobedarf, Kraftfahrzeugwesen, Fremdenverkehrseinrichtungen und Landwirtschaft bei diesem Anlaß der Oeffent- lichkeit vorgestellt werden.

Immer wieder versucht die niederösterreichische Wirtschaft Vorstöße zu neuartiger Werbung und Aufklärung ihres Kundenkreises. Auch dafür ist die Landesausstellung 1957 ein Beispiel. Eine eigene Spielwarenausstellung zeigt nicht nur die neuesten Produkte, sondern wird von Erziehern, Psychologen und Aerzten interpretiert, so daß der Beschauer ein klares Bild von der Zweckmäßigkeit der einzelnen Spielzeugarten für die verschiedenen Altersstufen erhält. Mit einem selbstgebauten Holzhaus beteiligen sich die Zimmermannslehrlinge an der Schau und beweisen damit einerseits die Leistungsfähigkeit des gewerblichen Nachwuchses, anderseits die Bedeutung des natürlichen Baustoffes Holz für freundliche und gesunde Wohnkultur.

Die organisatorische Umgestaltung der Landesausstellung, die erst heuer erfolgte, bestätigt die Entwicklung dieser Ausstellung zu einer regelmäßigen, bis ins letzte Detail durchdachten und für das Land Niederösterreich umfassenden Leistungsschau. Oblag ihre Vorbereitung bisher jeweils einem ad hoc gebildeten Veranstaltungsausschuß, so ist nunmehr eine Aktiengesellschaft für sie verantwortlich, der das Land Niederösterreich, die Kammer der gewerblichen Wirtschaft, die Landwirtschaftskammer und die Stadtgemeinde Krems angehören. Dadurch ist nicht nur die Abhaltung der jeweiligen Ausstellungen von Biennium zu Biennium gewährleistet, sondern auch eine aufbauende Planung auf längere Sicht ermöglicht.

Derselben Entwicklung trägt auch der neue Hallenbau Rechnung, dessen drei Hallen eine Fläche von 3000 Quadratmetern aufweisen. In den vergangenen Jahren beschränkten sich die Ausstellungsräumlichkeiten auf die beiden Schulen, wodurch zwangsläufig ein gewisser Improvisationscharakter gegeben war. Allerdings ist der wirtschaftliche Fortschritt heuer rascher gewesen als die Planer und Bauherren. Trotz der riesigen Neubauten mußten die beiden Schulen auch heuer wieder zur Ausstellung herangezogen werden, weil der Zustrom an Ausstellern neuerlich um ein Wesentliches zunahm.

Die Landesausstellung ist eine Wirtschaftsschau, das haben wir schon eingangs festgehalten. Sie ist aber kein routinemäßiger Serienbetrieb, sondern soll und wird ihren eigenen, man ist fast geneigt zu sagen, ihren persönlichen Charakter auch weiterhin bewahren. Der große Festzug, an dem nur Abordnungen in echten österreichischen Trachten teilnehmen können, das Reit- und Springturnier der Kampa- gnereitergesellschaft, der Abflug von 2000 Brieftauben, das Gastspiel der Wiener Sängerknaben, die Erfinderschau und schließlich die Autovorführung gehören als Rahmenveranstaltungen untrennbar zur Landesausstellung, ohne daß dadurch ihre wirtschaftliche Seriosität auch nur im geringsten beeinträchtigt würde. Im Gegenteil: der festliche oder fröhliche Charakter der Veranstaltungen schafft auch für die sachlichen Gespräche eine durchaus erfreuliche Atmosphäre.

Die Besucherzahl der Landesausstellung hat sich seit Kriegsende ständig aufwärts bewegt und im vergangenen Jahr mit 180.000 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. In Anbetracht der Erweiterung der Ausstellung ist daher heuer mit einer Besucherzahl von mindestens 200.000 zu rechnen. Wir hoffen und erwarten, daß sich unter den Besuchern auch Wiener und Vertreter der benachbarten Bundesländer befinden werden, die sich hier vom Aufstieg der niederösterreichischen Wirtschaft überzeugen können. Trotzdem muß diese Ausstellung uns Niederösterreicher, vor allem aber auch die verantwortlichen Stellen des Staates, daran gemahnen, daß das Land Niederösterreich bei allem Fleiß und Opfermut seiner Bewohner nicht in der Lage ist, alle Schäden der Besatzungszeit allein zu überwinden. Wir haben schon viel erreicht, aber wir brauchen auch weiterhin nicht nur Verständnis, sondern auch tatkräftige Hilfe. Wenn es der Niederösterreichischen Landesausstellung gelingt, den überzeugenden Beweis zu liefern, daß es sich lohnt, diesem Land Niederösterreich weiterzuhelfen, so wird sie damit eine ihrer Hauptaufgaben erfüllen.

Geleitwort zur Niederösterreichischen Landesausstellung 1957

Als vor, neun Jahren in Krems an der Donau die erste Niederösterreichische Landesausstellung nach 1945 abgehalten wurde, kam dieser Veranstaltung ganz besondere wirtschaftliche und politische Bedeutung zu. Damals konnten wir beweisen, dal) unser Land alle Anstrengungen unternahm, um die Kriegsschäden, die Niederösterreich mehr als andere Bundesländer getroffen hatten, zu beseitigen. Gleichzeitig galt es, der Welt zu zeigen, daß die besonderen Besatzungsverhältnisse Niederösterreich weder politisch noch wirtschaftlich aus dem Gefüge des Gesamfstaates herauszulösen vermochten. 200 Aussteller und 80.000 Besucher der Landesausstellung waren für die damaligen Verhältnisse eine richtige Sensation.

Die geographische Lage der Stadt Krems im Herzen des Landes war immer schon eine gewisse Gewähr für das Gelingen wirtschaftlicher Veranstaltungen. Die Landesausstellung 1956 bestätigte mit 180.000 Besuchern aufs neue diese Tatsache. Die Gründung einer Wachauer Volksfest-AG., an der das Land maßgeblich beteiligt ist, garantiert nun die kontinuierliche Weiterentwicklung von Krems zur niederösterreichischen Volksfest- und Aus- sfellungsstadf. Das rege Interesse in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft für die Landesausstellung 1957 läßt erwarten, daß auch der diesjährigen Veranstaltung wieder der gewohnte Erfolg beschieden sein wird.

Hat die Kremser Landesausstellung 1948 bewiesen, daß die Wirtschaft des Landes trotz zahlloser Schwierigkeiten im Gesamfkonzepf des österreichischen Wirtschaftslebens nicht abgeschrieben werden kann, so soll die diesjährige Ausstellung zeigen, daß das Land zum guten Teil aus eigener Kraft und auf eigene Initiative diese Schwierigkeiten überwunden hat und auf dem besten Wege ist, sich jene wirtschaftliche Stellung zu erarbeiten, die ihm als dem größten Bundesland zukommt.

Johann Steinbock, Landeshauptmann von Niederösterreich

Die Landesausstellung in Krems ist das Schaufenster der niederösterreichischen Wirtschaft. Daß dieser konzentrierte und mit Feststimmung umrahmte Ausschnitt ein echtes und wahrheitsgetreues Bild projiziert, davon kann man sich überzeugen, wenn man einen Rundgang durch die alte Donaustadt unternimmt.

Fortschrittliche Bauten bilden neben der Altstadt ein modernes Krems, Wohnhäuser und Geschäftslokale auf dem Bahnhofsplatz schaffen ein neues Zentrum. Ein Blick über die Kremsbrücke überzeugt von der vorbildlichen

Arbeit, die für die Flußregulierung geleistet wurde. Auch der Hochwasserschutzdamm entlang der Donau wird ausgebaut. Neue Bauprojekte, vor allem die Errichtung eines Krankenhauses, werden ausgearbeitet. Eine breite Straße führt an der Donau entlang und mündet in das Betonband der neuen Wachauer Straße. An den Ufern des Stromes landen schnittige Donaubusse und bringen Gäste aus nah und fern über die Donau nach Krems.

Querschnitt des Aufbaues in Niederösterreich — das zeigt Krems nicht nur auf dem Aus stellungsgelände, sondern auch auf allen seinen Straßen und Plätzen, eine Leistung, zu der die Landesverwaltung die Voraussetzungen schaffen mußte, die in enger Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung und der Privatinitiative von der gesamten Bevölkerung erarbeitet wurde.

Ein Vergleich mit anderen Bundesländern läßt die Bedeutung dieser Leistung erst voll erkennen. Nicht nur Besatzungszeit und politische Lage des Landes haben die Entwicklung der heimischen Wirtschaft durch zehn Jahre wesentlich gehemmt. Auch jetzt noch, da die ungleiche Verteilung der ERP-Mittel auf Grund der geänderten politischen Situation zu Ende ist, die ehemaligen USIA-Betriebe wieder in die österreichische Wirtschaft eingegliedert werden konnten und allgemein die Bereitschaft vorhanden ist, auch von privater Seite Investitionen in Ostösterreich durchzuführen, hat Niederösterreich ungleich schwierigere Verhältnisse zu meistern. Vor allem fehlt Niederösterreich die Landeshauptstadt. Als Niederösterreich mit Wien noch eine Einheit bildete, zählte es zu den finanzstärksten Verwaltungsbereichen. In der Trennung, die vor bald 40 Jahren stattfand, liegt auch heute noch die Ursache für Niederösterreichs finanzielle Benachteiligung. Eine Gegenüberstellung der Steueranteile in den verschiedenen Bundesländern läßt die Tatsache deutlich erkennen. In Niederösterreich beträgt der Landessteueranteif pro Kopf 383 Schilling, in Oberösterreich 397, in Salzburg 439, in Tirol 465 und in Vorarlberg sogar 515 Schilling. Entsprechend niedriger müssen daher auch die Investitionen in Niederösterreich sein, es entfallen pro Kopf nur 196 Schilling, in Oberösterreich hingegen 212, in Salzburg 207 und in Vorarlberg sogar 375 Schilling. Der Vergleich mit Wien, das als Land und als Gemeinde eine Vorzugsstellung einnimmt, wurde absichtlich nicht herangezogen.

Niederösterreich ist das größte Bundesland, es leben dort 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung, aber es stehen der Landesverwaltung die geringsten finanziellen Mittel zur Verfügung. Selbst wenn die Verwaltung auf die sparsamste Weise durchgeführt, wird -r und das beweisen-ebenfalls- die Vergleiehszahlen mit den anderen Bundesländern —, so muß sich diese finanzielle Lage des Landes auf die gesamte Entwicklung der Wirtschaft auswirken. Trotzdem hat der Haushaltsplan des Landes heuer die Milliardengrenze weit überschritten, und vor allem für produktive Investitionen wurden beachtliche Millionenbeträge aufgebracht. Allein für die Wohnbauförderung sind rund 120 Millionen Schilling vorgesehen, damit werden die bisher für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Mittel fast eine halbe Milliarde Schilling erreicht haben. Der Großteil dieser Summe wurde als Förderungsbeitrag den einzelnen Bauwerbern zugeteilt.

Diese Anwendung der Geldmittel entspricht dem Bestreben der Landesverwaltung, durch entsprechende Beiträge neue Finanzquellen zu erschließen und vor allem auch die Privatinitiative zu fördern. Das Land besitzt nicht den falschen Ehrgeiz, selbst als Bauherr aufzutreten, sondern es ist bemüht, daß mit den öffentlichen Mitteln eine möglichst umfangreiche Investitionstätigkeit und Produktivität erzielt wird. Mit der Bereitstellung von Förderungsbeiträgen hat Niederösterreich als erstes Land einen neuen Weg beschritten. Gerade das Zusammenwirken von öffentlicher Verwaltung und Privatinitiative hat sich besonders erfolgreich erwiesen. Die Tatsache, daß Wien als natürliches Wirtschaftszentrum aus dem Lande herausgelöst wurde und Niederösterreich damit eine schwere finanzielle Einbuße erlitten hat, muß gemeistert werden. Freilich muß dazu auch mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, daß eine weitere Benachteiligung des Landes in bezug auf seine finanzielle Stellung unter keinen Umständen hingenommen werden könnte.

Niederösterreich kann mit dbr Entwicklung der anderen Bundesländer nur Schritt halten, wenn es einerseits aus den vorhandenen Mitteln den größten Wirkungsgrad erzielt und anderseits die Voraussetzungen für den Ausbau der heimischen Industrie und des Gewerbes schafft. Eine dauernde wirtschaftliche Stärkung kann nur eine Erhöhung der Steuerkraft des Landes ermöglichen.

Der Schlüssel dazu liegt vor allem in der vollen Ausnützung der heimischen Energiequellen. Die Entwicklung der niederösterreichischen Wirtschaft wird wesentlich dawn ab-

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