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Kubins Phantasiewelten

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Aus dem eigenen Unbewußten, aus den inneren Abgründen der Menschen, aber auch aus der idyllischen Innviertier Landschaft schöpfte Alfred Kubin seine Motive.

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Aus dem eigenen Unbewußten, aus den inneren Abgründen der Menschen, aber auch aus der idyllischen Innviertier Landschaft schöpfte Alfred Kubin seine Motive.

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Alfred Kubin wurde am 10. April 1877 in der böhmischen Stadt Leitmeritz geboren und starb am 20. August 1959 in Zwickledt' bei Wernstein am Inn, nahe der Grenze zwischen Oberösterreich und Bayern. So viel man auch rechnet, man kommt auf kein rundes Jahr. Aber es ist sehr wohl demnächst ein Jubiläum zu begehen: A^n 29. Mai 1895 wurde das Stammhaus des OÖ. Landesmuseums, das ehrwürdige Francisco Carolinum, eröffnet, und es feiert seinen 100. Geburtstag mit einem „Kubin-Projekt”, das in seiner Bandbreite allen Anzeichen nach zum künstlerischen Jahresereignis in Oberösterreich werden dürfte.

Dieser Schwerpunkt wurde nicht von ungefähr gesetzt: Das Landesmuseum besitzt mit rund 4.000 Blättern und 70 Skizzenbüchern weltweit die umfangreichste Sammlung von Werken des Künstlers, dessen Bang als bedeutendster österreichischer Graphiker unseres Jahrhunderts längst international unbestritten ist, der mit Adalbert Stifter und Anton Bruckner zu jener Trias gehört, deren Werk von ihrer angeborenen oder angenommenen Heimat Oberösterreich in die Welt ging und dort universales Heimatrecht hat.

Das Kubin-Fest beginnt mit der Ausstellung in der OÖ. Landesgale-

rie, die bis 9. April mit hochkarätigen Beispielen die gesamte künstlerische Entwicklung Kubins vor Augen führt. Alle Arbeiten stammen aus der Graphischen Sammlung des OÖ. Landesmuseums; die meisten werden zum erstenmal öffentlich gezeigt.

Die Fülle dieses Besitzes wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß bei einer Frequenz von acht Ausstellungen im Jahr mit durchschnittlich hundert Blättern erst zur Jahrtausendwende alle Werke Kubins vorgestellt wären, die das Museum hütet, denn der umfangreiche Nachlaß wurde zu gleichen Teilen der Albertina und dem OÖ. Landesmuseum anvertraut.

Schau der Weggefährten

Den Initiatoren, allen voran Peter Assmann, dem Chef der Landesgalerie, geht es auch darum, das Klischee vom „,Magier von Zwickledt” zurechtzurücken. Seit Anfang dieses Jahrhunderts das Wort „dämonisch” für Kubins Werk verwendet wurde, holt es wer immer über Kubin schreibt, aus dem Vorrat strapazierter Bedensarten, obwohl Kubin mit dem Teufel - pardon, mit den Dämonen - nicht viel am Hut hatte.

Daß ihn die „andere Seite” zeitlebens in besonderem Maß beschäftigte, daß er das Innere der menschlichen Seele bloßlegte, nach außen stülpte, ist das Wesen seiner Kunst.

Ergänzt wird diese Werkpräsenta-

tion durch eine zweite Ausstellung im Landesmuseum (10. März bis 16. April) mit Beispielen des künstlerischen Bezugskreises von Alfred Kubin bis in die österreichische Gegenwartskunst. Wir vergessen ja gern, daß er in der ersten Stunde des „Blauen Beiters” mit von der Partie war, ein Zeitgenosse des Anfangs, der uns nur deshalb als unser Zeitgenosse gegenwärtig ist, weil er erst ein Viertel] ahrhundert nach Kan-dinsky starb.

Der Bogen spannt sich von altdeutschen Graphiken über Bem-brandt, Goya und Daumier bis zu Kubins Weggefährten. Die meisten der Bilder gehören zum Nachlaß Kubins. Sie werden ergänzt durch Arbeiten derer, die nach dem Klassiker der Moderne flügge wurden, wie Arnulf Bainer und Günther Brus. Für sie war Kubin schon Geschichte, die dennoch in die Gegenwart reichte.

Er war der Mündige, der Meister, der damals anders weiterging als Franz Marc und August Macke, die andere Wege wählten.

Die zweite Halbzeit des Kubin-Projekts beginnt am 27. April und endet am 4. Juni. Es geht, mit Kubin als innerer Klammer, um den Zwischenbereich von Bealität und Vorstellung in der Kunst der Gegenwart.

Vom 25. März bis 28. April stellt das Adalbert-Stifter-Institut Kubin als Wortkünstler vor im Kontext zur phantastischen Literatur seiner Zeit. Schwerpunkte sindrder Boman „Die andere Seite”, den Kubin 1909 schrieb und illustrierte, und Illustrationen zu den Werken geistesverwandter Autoren wie E. T. A. Hoffmann, Honore de Balzac, Edgar Allan Poe, Fjodor M. Dostojewski und Nicolai Gogol, bis herauf zu Zeitgenossen Kubins wie Gustav Meyrink

und Bichard Billinger.

Auch das Innviertier Volkskunde-haus in Bied beteiligt sich am Projekt, denn Kubin war jahrzehntelang Mitglied der Innviertier Künstlergilde, und dieses Museum hat zahlreiche Blätter in seinem Besitz. Privatgalerien schließen sich an. Zu einer Zeit, da Werke Kubins auf dem freien Markt rar werden, kann man in der Galerie Figl in Linz von 3. März bis 15. April unter fünfzig Zeichnungen und Druckgraphiken zu angemessenen Preisen wählen. Das Offene Kulturhaus Linz zeigt von 27. Mai bis 9. Juli die Ergebnisse einer Projektarbeit zum Thema „Phantasma und Phantome”. In einem abschließenden Symposion werden sich im Mai internationale Experten unter dem Leitgedanken „Die andere Seite der Wirklichkeit” mit dem Werk Kubins und seinem geistigen Umfeld auseinandersetzen.

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