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Mahler für Mazda getauscht

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Seit 125 Jahren gibt es diplomatische Beziehungen zwischen Österreich und Japan, schon am Beginn lag der Schwerpunkt der österreichischen „Exporte“ im kulturellen Bereich. 4:1 lautet das Import-Export-Verhältnis heute.

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Seit 125 Jahren gibt es diplomatische Beziehungen zwischen Österreich und Japan, schon am Beginn lag der Schwerpunkt der österreichischen „Exporte“ im kulturellen Bereich. 4:1 lautet das Import-Export-Verhältnis heute.

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So alt wie die Wiener Staatsoper sind die Beziehungen zwischen Japan und Österreich - 125 Jahre. In diesem Oktober feiern sie gemeinsam, indem die Staatsoper ihre Umbauphase nützt und den Tokiotern mit einem Gastspiel Freude bereitet. Es war am 2. Oktober 1869, als zwei österreichisch-ungarische Schiffe in Japan anlegten und einen privilegierten Freundschaftsvertrag unterzeichneten. Es war der allererste mit dem Siegel und Namen des Meiji-Kaisers. Sein Name gab der Epoche der Restauration und Öffnung den Namen.

Schon bei dieser Mission - bei der der Bau des Suezkanals Österreich eine Poleposition verschafft hatte — war der bilaterale Handel das Ziel. 1994 ist das Verhältnis österreichischer Importe zu den Exporten nach Japan 4:1, Japan steht unter Österreichs Importländern an fünfter Stelle, ist aber nur der elftgrößte Abnehmer österreichischer Waren.

Ein ungleiches Beziehungsspiel mit Tauschgeschäften findet statt: Autos für Musik, Mahler gegen Mazda.

Während Österreicn Autos, Elektronik, Fotoapparate, Uhren und Musikinstrumente von Japan bezieht, importiert Japan abendländische Kunst des 19. Jahrhunderts. Der erste Mephisto in Japan in Gounods Oper „Faust“ war der österreichische Gesandte Heinrich Coudenhove-Ca- lergi, vor genau hundert Jahren. Die Philharmoniker kamen erstmals mit Paul Hindemith 1956 nach Japan, das Burgtheater erstmals 1968, die Staatsoper mittlerweile viermal, die Wiener Sängerknaben schon vierzehnmal. Von der österreichischen Musik-Moderne wollen die Japaner wenig wissen, für den Genuß deutscher Symphonik und der Wiener Klassik zahlen sie auch einen halben Monatslohn.

Kultur muß sich für Japan, das Land des nicht subventionierten Kulturbetriebs, rechnen, aber im Zuge des seltsamen Konkurrenzkampfes mit Europa empfinden die Japaner ihr Bewußtsein für Marktwirtschaft als Rückstand und sind auf Aufholjagd.

Das Prinzip, von den Ausländemso viel wie möglich zu lernen, ohne dabei die Führung aufzugeben, zog Japan nicht nur bei seinen geliehenen Musiklehrem durch. 1869 bekam der Tenno seinen ersten Bösendorfer geschenkt, heute baut Japan musikalische Spezialprodukte wie die sogenannte Wiener Oboe. Als erster westlicher Musiker spielte der österreichisch-ungarische Geiger Eduard Remeny vor dem japanischen Kaiser, das bedeutete einen Wendepunkt. Damals legte die Kaiserin ihr japanisches Gewand ab. Vor einigen Jahren spielte der heutige Kronprinz einmal bei den Wiener Philharmonikern die Bratsche.

„STEMMBOGEN“ IN JAPAN

Von Österreich beeinflußt sind Recht und Medilingeschichte. Der Arzt Albrecht von Roretz, dessen Familie noch heute im niederösterreichischen Schloß Breiteneich wohnt, wirkte in Yamagata im Norden der Hauptinsel. Zu makabren Ehren gelangte die Ruine eines österreichischen Architekturdenkmals aus den letzten Tagen der Monarchie - die Industrie- und Handelskammer in Hiroshima lag im Epizentrum der ersten Atombombe der Welt.

„Stemmbogen“ heißt auch auf japanisch so, weil der Offizier Theodor von Lerch 1911 Japans erster Schilehrer war. Während die Japaner heute recht vorsichtig die Pisten herunterfahren, lernen die Österreicher die alten japanischen Kampfsportarten wie Karate und Judo.

So eifrig die Japaner seit mehr als 100 Jahren europäische Kultur und Lebensweise aufnehmen und sie in ihrer Gesellschaft institutionalisieren, so wenig wissen wir von ihnen. Daran hat auch der Direktflug von Tokio nach Wien nichts geändert oder die Sushi-Bar am Wiener Naschmarkt.

Obwohl man Mitte des 19. Jahrhunderts in Wien japanische Schriftzeichen setzen konnte, forderte 1990 das r„Österreichisch-japanische Komitee für das 21. Jahrhundert“ vergeblich ein Kulturinstitut in Tokio. Beispiel einer Synthese aus dem Jahr 1951: die Lieder auf Kartenspiele des österreichischen Dirigenten Josef Laska.

Die Japaner, die seit den fünfziger Jahren an den österreichischen Musikhochschulen zu Hunderten studieren, bringen ihre traditionelle Kunst und Lebensweise nicht ins Gastland mit. Ihre Identität scheint sich ganz mit Mozart“ & Co zu erfüllen. Hier, „am Ursprung der Musikkultur“ kommen sie „in ihre Seelenheimat“.

Die Veranstaltungen zum 125jährigen Jubiläum jetzt im Oktober laufen wie auf Schienen hin und her: ein Klavierabend einer Japanerin im Musikverein da, die Sängerknaben dort, die Theateraufführung „Shunkan“ im Theater an der Wien, die Staatsoper in Japan.

Bei den Bezirksfestwochen zwischen Hernals und Fuchu fand sich nur eine Hernalser Familie, die bereit war, einen japanischen Gast aufzunehmen.

Selten arbeiten Vertreter beider Völker zusammen, wie die Bitchu Kagura Tanztruppe mit der Volkstanzgruppe aus Lilienfeld. 1873 schlenderten die Wiener bei der Weltausstellung an der Japanischen Galerie in der Rotunde vorbei. Heute fotografieren sie mit japanischen Kameras.

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