6777720-1969_28_18.jpg
Digital In Arbeit

„Gelbe Gefahr“ im Lichte der Statistik

Werbung
Werbung
Werbung

„Die Neuauiassunig japanischer Autos in Österreich schnellte von 1961 auf 1962 um 400 Prozent hinauf. Nach einer Abschwächung in den folgenden Jahren erfolgte von 1964 auf 1965 ein abermaliger Boom mit 300 Prozent Steigerung. 1968 aber brachte eine Ver-zwanzigfachung der Importe.“ Wäre Japan kein fernöstliches, sondern ein Land hinter dem Eisernen Vorhang, dann hätte man sich während der erwähnten Zeiträume mit diesen Prozenitzahlen begnügen müssen und man hätte rein optisch den Eindruck einer, japanischen Autoinvasion bei uns gehabt. Wie sieht nun die Wirklichkeit, wie sehen die absoluten Zahlen aus? Von 1961 bis 1968 wurden laut „Statistischem Zentralamt“ folgende Stückzahlen japanischer Personenwagen in Österreich neu zugelassen:

1961.... 1 1965.... 4

1962____ 5 1066____ 2

1963____ 2 1067---- 3

1964____ 1 1968---- 62

Das vergangene Jahr brachte also eine Wende, allerdings bloß in Vorarlberg, wo 50 Stück neu zugelassen wurden, die restlichen 12 verteilen sich auf Kärnten (3), Tirol (3) und Wien (6).

Mit großem Werbeaufwand erfolgte im Mai 1962 ein Vorstoß der Nissan-Werke auf dem österreichischen Markt. In einem repräsentativen Lokal auf dem Wiener Ring wurde u. a. der Sportwagen Datsun Fair Lady (1,2 Liter, 50 PS) zum „sensationellen“ Preis von 39.000 Schilling — und dies trotz 9000 Kilometer Seeweg — präsentiert. Die Wagen hatten eine gute Presse, die Japaner waren das Tagesgespräch, der Erfolg blieb allerdings aus, wenige Monate später war das Lokal vom Ring verschwunden, fünf 1962 verkaufte Fahrzeuge waren der einzige Effekt des großen Aufwandes. Mit viel weniger Publicity hatte vor etwa fünf Jahren eine alteingesessene Wiener Autoflrma die Vertretung von Toyota für Österreich übernommen. Auch sie erzielte keine Erfolge, der Vertretungsvertrag wurde nach'relativ kurzer Zeit wieder aufgelöst. Der inzwischen verstorbene Chef dieses Hauses gab uns seinerzeit folgende Erklärung für seinen Mißerfolg: „Die japanischen Autos sind qualitativ gut, sie entsprechen durchaus dem westeuropäischen Geschmack, die Verkaufsmethoden der japanischen Industriellen aber stecken noch in,den Anfängen, man ist dort ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht, man strebt möglichst große Abschlüsse an, aber man ist nicht bereit, einen Kundendienst aufzuziehen, Wer-

bung zu betreiben, öfferotlichikeitsarbeili zu pflegen. Man lächelt verbindlich, verspricht alles und hält nichts.“ Bei dem damaligen Interview wurden einige besonders krasse Fälle durch Zahlen belegt: „Sie verlangen Vorauszahlung und liefern monatelang später. Sie versuchen, durch persönliche Kontakte mit den Untervertretern den Generalimpor-teur unter Druck zu setzen, das japanische Geschäft in Österreich kann unter solchen Umständen nie in Schwung kommen.“ Die bisherigen Erfolge Japans in Österreich sind also wenig ermutigend, angesichts der seit Jahrzehnten bestens eingeführten deutschen, englischen, französischen, italienischen und anderen Marken und des durch diese Lieferanten aufgezogenen, zum Teil vorbildlichen Kundendienstes. So dürfte sich an dieser Lage in absehbarer Zeit kaum etwas ändern, außer das Beispiel Vorarlbergs macht Schule. In den letzten Tagen wurde die Öffentlichkeit durch die Nachricht alarmiert, japanische Autos wären infolge die Sicherheit beeinträchtigender Defekte von den Erzeugern in die Werke zurückgerufen worden Man soll solche Nachrichten weder unterschätzen, man soll ihnen aber auch keine alizugroße Bedeutung beimessen, denn Weltfirmen, wie die Giganten der amerikanischen Autoindustrie, aber auch renommierte deutsche Werke haben ebenfalls des öfteren bereits verkaufte Wagen „zurückgerufen“, und so unangenehm das für den betroffenen Besitzer auch sein mag, eigentlich ist dieses Vorgehen eher ein Beweis der Stärke, jedenfalls aber des Verantwortungsbewußtseins. Auch in früheren Zeiten haben Automobilwerke gelegentlich des Kundendienstes in aller Still Fehlkonstruktionen beseitigt. Erst seit infolge der Großserien solche Maßnahmen in die Hunderttausende gehen, wird darüber mehr geschrieben als früher. Es wäre also verfehlt, gerade den Japanern etwas anzukreiden, was auch anderswo vorkommt.

In der Weltstatistik der Automobilproduzenten fuhren schon immer die USA und werden voraussichtlich auch weiterhin an erster Stelle liegen. Nach ihnen kamen — ebenfalls seit ^Fahren — die sogenannten klassischen Länder des Autoraofoilbaues, Großbritannien Westdeutschland, Frankreich, Italien. Vor einigen Jahren änderte sich in dieser Reihenfolge die Position des Zweiten und Dritten, indem Deutschland die Briten überflügelte. Japan war zu dieser Zeit kaum in Erscheinung getreten, seit einiger Zeit allerdings hat die japanische Industrie stark aufgeholt, hat Italien, Frankreich, Großbritannien und sogar

Deutschland überholt und liegt stückzahlmäßig nunmehr an zweiter Stelle hinter den USA. Diese Entwicklung hatte zur Folge, daß man von einer „Gelben Gefahr“ zu sprechen begann, um so mehr, als auch Japan, ebenso wie die anderen autobauenden Länder, einen beträchtlichen Teil der Produktion exportiert. Tatsächlich haben in gewissen Zonen der Welt japanische Autos beachtliche Erfolge erzielt, vor allem natürlich in Ostasien, in Australien, aber auch in den USA und da insbesondere an der verkehrstechnisch günstig gelegenen Westküste. Selbst in einigen europäischen Ländern haben die Japaner bereits Fuß gefaßt und den Befürchtungen, ihre Erzeugnisse würden Europa überschwemmen, neue Nahrung gegeben.

Auch in Österreich wird — wie eingangs erwähnt, nicht zum ersten Male — wiederum der Versuch gemacht, Fahrzeuge aus dem Fernen Osten zu importieren: Vor einigen Tagen ging die Nachricht durch die Presse, daß eine Firma mit dem Sitz in Wien und in Kärnten beabsichtige, die Mazda-Typen des Produzenten Toyo Kogyo hier zu verkaufen, wobei drei Modelle mit Wankelmotor in den Preislagen zwischen rund 50.000 und 90.000 Schilling angeboten werden sollen Eine weitere Nachricht aus den USA verdient in diesem Zusammenhang Erwähnung: Der drittgrößte Konzern Amerikas, Chrysler, hat laut Automobil Revue, Bern, die Absicht, Anfang 1970 das neue Modell des Mitsubishi Colt aus Japan einzuführen. Dieser Wagen, Meiner als der Ford Maverick und etwas größer als der VW, wird angeblich billiger sein als diese beiden. Diese Nachricht gibt nun den Gerüchten weiteren Auftrieb.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung