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Zur neuen Theologie

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Es ist ein seltsames Zusammentreffen, daB die letzte, zusammenfassende Schrift des Modernismus jetzt, im gleichen Jahr wie die „Begegnung der Christen" und Lackmanns „Credo ecclesiam catholicam", herauskommt, und zwar herausgegeben von jenem Friedrich Heiler, der mit seiner ..evangelischen Katholizitat" seinerzeit die Una sancta faktisch eingeleitet hatte, herausgegeben wird zusammen mit einem unge- nannt bleiben wollenden romisch-katholi- schen Theologen, heute, funfzig Jahre nach dem Tod ihres Verfassers Tyrrell:

DAS CHRISTENTUM AM SCHEIDE- WEG. Von George Tyrrell. Ernst- Reinhardt-Verlag, Mfinchen. 191 Seiten.

GewiB ist Tyrrells Buch, gegenuber der Ulla Sancta, von einem mystischen Sub- jektivismus getragen, dessen jeweilig ge- schichtliche Objektivation die Dogmen der Kirche seien, wahrend die Una Sancta im Strom jener „Wende zum Objekt" ent- standen ist, die die Zeit nach dem ersten Weltkrieg beherrschte. Aber gemeinsam ist Tyrrell und der Una Sancta die Rich- tung auf eine „Theologie aus der Litur.gie und dem praktisch christlichen Leben" gegenuber einer „Begriffstheologie" und die vorwiegende Richtung auf ein „escha- tologisch-dsterliches Christentum" gegenuber einem Christentum innerirdischer Aktion. Nicht eine hierarchisch-juridische Kirche (als Stiftung Jesu) steht im Mittel- punkt, sondern eine Mystik Jesu, in der im Sinnhaften das Geistige des „ewigen Lebens" erscheint (bei Tyrrell) oder das- selbe Geistige im Sinnesvollzug des „litur- gischen Mysteriums" (faktisch in der Una Sancta). Was dem Modernismus seine Ge- fahrlichkeit verlieh, das Ineinander- schwimmen von Katholischem und Spi- ritualistischem, das lafit sich auch in den Kreisen der Una Sancta beobachten. Es ist die Vorherrschaft eines allgemein vagen ..katholischen Lebensgeffihls" fiber einen „tridentinischen Katholizismus" der klar umrissenen objektiven Dogmen.

Man wird nicht leugnen konnen, daB im „Katholischen Katechismus fiir die Bistumer Deutschlands" leider eine ahnliche Atmosphare zu spfiren ist. Er entstand im bewuBten Gegensatz zum alten „Canisi“, als Ausdruck jener „Mfinchner katecheti- schen Richtung", die gegen den Stil einer festen Dogmatik den Stil der psycho- logischen Stufen setzte, als Fortschreiten vom Anschauen des geschichtlichen Bildes fiber das Denken zum Abheben der intel- lektuellen Wahrheit. Der erste Entwurf wurde datum seinerzeit von Kardinal Faulhaber und Pralat Zinkl (als kateche- tischem Berater) abgelehnt. Aber auch die heutige Fassung wird Bedenken erregen. Entsprechend der Liturgischen Bewegung ist die Messe durchgehend nur als „Vergegen- wartigung" (memoria et praesentia) des Kreuzopfers Christi behandelt, wahrend das Trienter Konzil gerade in ihr den Charakter des „proprium sacrificium" be- tont, des „eigenstandigen“ Opfers von Brot und Wein, darin wir uns zum Opfer geben (Denz. 948—950). Messe ist gemaB der Theologie Augustins zuerst Dargabe unserer selbst in Brot und Wein, dann tlberwandlung dieses Opfers in das Opfer Christi in der Wandlung, endlich das Eins beider in der Kommunion: „Accipite quod estis" spricht nach Augustin der Priester. Eine reine ..Vergegenwartigung" allein tragt die Ziige der reformatorischen „Alleinwirksamkeit“ der Gnade und des mystisch passiven Erlebnisses eines Spiri- tualismus. Entsprechend dieser Richtung in

Zentralen ist es dem Katechismus auch eigen, daB er den Primat des Papstes durchweg auf die osterliche Erscheinung zu Petrus begrfindet („Weide meine Liim- mer" usw.), aber nicht auf die inner- irdische juridische „Schlfisselgewalt“, „zu binden und zu losen". Soil darin, gegen ein innerirdisches Christentum, ein himm- lisch osterliches betont werden? Und ge- hdrt dann nicht auch dazu, daB der ganze Stil des Katechismus der Stil eines „christ- lichen Humanismus" ist, fiir den das My- sterium des Kreuzes kaum erscheint (folge- richtig zur kreuzlosen Theologie, wie Peterson, Guardini und Dfirrrwell sie lieben?).

Entsprechend dazu, daB bereits der deutsche Einheitskatechismus Ziige einer neuen Theologie enthalt, ist eine theo- logische Auseinandersetzung mit solcher Theologie notwendig, und in guter Mit-

arbeit zwischen Dominikanern und Jesuiten auch schon geleistet worden:

DIE NEUE THEOLOGIE. Von Andreas Heinrich Maltha. Manz-Verlag, Mfin- chen 1960. 266 Seiten.

SCHRIFTEN ZUR THEOLOGIE, Bd. IV von Karl Rahner. Benziger-Verlag, Ein- siedeln 1960. 508 Seiten.

Der hollandische Dominikaner Maltljl kennzeiohnet die „neue Theologie" im vorzfiglichen ersten Teil seines W.erkes als „Neigung zu Intuitionismus" (in Betonung „konkreter Erkenntnis", „unmittelbarer Erkenntnis" und „affektiver.‘ Erkenntnis"), ferner als „Neigung zu Konfusionismus" und als „Neigung zu Evolutionismus". Im zweiten Teil, der die einzelnen theologi- schen Schultraktate durchgeht, folgt er im allgemeinen der Art Karl .Rahners, die tra- ditionellen Traktate positiv aufzulockern und so innerhalb einer „alten Theologie" eine solche relativ neue Theologie anzu- 'bahnen, die nicht, wie die modische Neue Theologie, in einen Intuitionismus und Konfusionismus zu verfallen droht (mit Malthas Worten), sondern wirklich „weite Raume" offnet. Malthas wie Karl Rahners Theologie will gewib nicht auf neue Syn- thesen aus, sondern ist kritische Theologie gegenfiber einfach tradierter Theologie der Schulen. Aber mit dieser sorg- faltigen Kritik macht sie eine schwanne- rische Neue Theologie, die fiber die Gren- zen schweifen mochte, einfach entbehrlich.

Doch nicht eigentlich eine „kritische Theologie" ist die ents.cheidende Antwort auf die „intuitionistische“ Neue Theologie, sosehr sie auch in ihrer unterscheidenden Nfichternheit hilft. Sondern die Antwort ist, diejenige, von der die erste Antiphon der dritten Nocturn der Marienfeste sagt: „Alle Haresien gesamt hast du allein ver- nichtet im Universum der Welt" („cunctas haereses sola interemisti in universe mundo"), und diejenige, die Kardinal Newman (der angebliche. ,.Vater neuer Theologie") die „turris Davidica", Turm Davids, datum nannte, weil sie als „Turm“ das ..Mysterium Davids", die ungemin- derte Personeinheit von Gottessohn (als „Herrn Davids") und Menschensohn . (als „Sohn Davids") umwallt.

Nicht ein katholischer Theologe ist es, sondern ein Westschweizer Arzt, der das Geheimnis der Mutterschaft der Frau in hoher Kunst transparent macht in eine Mutterschaft der „Magd des Herm" (wie der franzdsische Titel genau lautet) in seinem Buch

MUTTERSCHAFT. . on Maurice.. Z e r- m a 11 e n. Rascher-Verlag, Zurich 1960. 80 Seiten,

dem Buch, das iiberraschenderweise in dem

Verlag erscheint, der sonst die Bucher von C. G. Jung betreut.

Das Sammelwerk „Begegnung der Christen" hat gewifi ein Kapitel „Maria als Bild der Gnade und Heiligkeit", von einem Protestanten und einem Katholiken ver- faBt, aber nur in einer distanten, ideativen Zeichnung. Max Lackmanns „Katechis- mus" streift sie kaum (wo doch Luther Maria als Form des christlichen Lebens nimmtl). Und merkwiirdigerweise erwarmt sich auch die „kritische Theologie" Malthas und Rahners nur wenig fiir sie. Einzig Maurice Zermatten lafit sie als „Magd des Herrn" (also mit ihrem Titel im Evangelium und in der unverkfirzten christlichen Frommigkeit) durch die Mutterschaft der Frau als Mutter hindurch- leuchten, wie es vor ihm Gertrud von Le Fort in ihrem Marienbuch als Frauen- buch getan hatte. „Neue Theologie" und „Kritische Theologie" bringen jenes nicht auf, was man als die Einheit von Ehrfurcht und Kindlichkeit bezeichnen konnte: daB die echte Marienfrommigkeit jene Ehrfurcht von dem „immer grbBeren Gott" einbeschliefit, die zugleich (gemaB dem selben Augustinus-Wort in Ps. 62, 16) uns als „Kleinchen“ und ..Klieken" „unter dem Schatten Seiner Fliigel" gottlich- mfitterlich und gottmfitterlich „beschfitzt" sieht. Diese Marienfrommigkeit, als eigent- liche Christlichkeit, war es, durch die Bayern katholisch blieb und Osterreich wieder katholisch wurde. Mariens Mutterschaft ist es, die allein die getrennten Brfider heimffihren kann und ihre katholischen Kinder im angestammten Heim be- Wahren kann, weil sie es ist, in deren SchoB (gemaB der Predigt Newmans fiber Glaubensentfaltung) das „Wort des Herrn" ruhig und sicher wachst in die „Heilig- Geist-Weisheit des Herrn", nach der die Neue Theologie und die Kritische Theologie brennend ausschauen.

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