Der Junge und der Reiher.jp - © Polyfilm

Wie ein Epilog – „Der Junge und der Reiher“

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Der fast 83-jährige Anime-Meister Hayao Miyazaki legt seinen vermutlich letzten Film vor.

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Der fast 83-jährige Anime-Meister Hayao Miyazaki legt seinen vermutlich letzten Film vor.

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Schon einige Male hat es geheißen, dass sich die graue Eminenz des japanischen Animationsfilms Hayao Miyazaki aus dem Filmgeschäft zurückzieht. Nun gibt es zehn Jahre nach seinem letzten Anime „Wie der Wind sich hebt“ (2013) doch wieder einen neuen Miyazaki aus dem Hause Ghibli im Kino zu bestaunen. „Der Junge und der Reiher“ wirkt dabei wie der wehmütige Epilog zu einem beeindruckenden Gesamtwerk.

Die während des Zweiten Weltkriegs angesiedelte Geschichte um den Buben Mahito, der bei einem Bombenangriff seine Mutter verliert und daraufhin mit seinem Vater aufs Land zieht, weist einige Parallelen zu Miyazakis eigener Biografie auf: Die Fabrik von Mahitos Vater produziert Flugzeugteile für den Krieg, wobei die Abwesenheit der Mutter – ähnlich wie schon in „Mein Nachbar Totoro“ (1988) – die Kindheit des jugendlichen Protagonisten entscheidend prägt. Obwohl der japanische Originaltitel von „Der Junge und der Reiher“ eins zu eins dem Titel von Yoshaburo Yoshinos Kinderbuch „How Do You live?“ (1937) entspricht, erzählt der Film seine eigene Geschichte.

Das Buch hält insofern Einzug in den Film, als die Mutter nach ihrem Tod ein Exemplar dem Sohn hinterlässt, wobei die Lektüre Mahitos spirituelle Reise dann in Gang setzt. So wie im Buch muss der junge Protagonist lernen, dass sich die Welt nicht allein um ihn dreht, sondern dass er Teil eines größeren Ganzen ist. Mahito hat zunächst Schwierigkeiten, sich mit seiner neuen Stiefmutter (der Schwester seiner leiblichen Mutter) anzufreunden, beschließt dann aber doch, sie zu suchen, nachdem sie eines Tages im Wald verschwindet. Begleitet wird er dabei von einem sprechenden Reiher, dessen Motive zunächst undurchsichtig bleiben. Mahito ist auf der Hut, während er immer tiefer in eine fantastische Welt eintaucht, in der menschenfressende Sittiche nicht das Ungewöhnlichste bleiben. Alltagsszenen und magischer Realismus Wie man es von einer Studio-Ghibli-Produktion gewohnt ist, kommt man bei den atemberaubenden (und nach wie vor durchwegs per Hand gezeichneten!) Animationen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Besonders eine Szene zu Beginn des Films, in der Mahito zum brennenden Krankenhaus eilt und seine in Flammen stehende Mutter daraus aufsteigen sieht, bleibt noch lange im Gedächtnis.

Wie bei Miyazaki üblich, weichen Alltagsszenen oft übergangslos einem magischen Realismus, der seiner eigenen Traumlogik folgt. Auch fällt es nicht schwer, im Großonkel, der die fantastische Welt des Films erschuf und dem Mahito am Ende gegenübersteht, Miyazaki selbst zu erkennen. In ihm kommt die Melancholie eines Weltenbauers zum Ausdruck, der zum letzten Mal sein Werk überblickt.

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