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Vollendetes und Unvollendetes

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Unter tief-blauem Nachthimmel über dem Residenzhof fand Mozarts „Entführung aus dem Serail“ statt. Beinahe nur das Bühnenbild ist vom Vorjahr geblieben. Und selbst dieses ist wesentlicher geworden. Karlheinz Haberland als Regisseur hat das Spiel gelockert, es scheint zuerst, als ob nur in den kleinen Dingen. Aber bald rundet sich eine neue „Entführung“, echtes Pathos wird fühlbar und zugleich Innerlichkeit der Menschengestaltung. Recht ungleich gut sind dagegen die Kostüme Liselotte E r 1 e r s. Erika K ö t h (Konstanze) bringt sehr viel reifen Ausdruck in Gesang und Spiel. Renate Holm (Blondchen) ist gegenüber dem Vorjahr in ihrer Drolligkeit eher etwas gebändigt, Gerhard U n g e r als Pedrillo ist ein klarer Gewinn, ebenso Ludwig W e 11 e r als Osmin. Istvan K e r t e s z, der Dirigent, musiziert wieder mehr eine Serenade als ein Singspiel, aber sehr kultiviert, was er mit dem die zartesten Töne beherrschenden Mozarteum-Orchester auch wahrlich kann.

Vollendung blieb wie schon im Vorjahr M o z a.r t s „C o s i fan tutte“. Die musikalische Darbietung dieser Oper ist so abgerundet, Karl Böhm dirigiert dieses Werk mit seiner absolut dienenden und doch formenden Hingabe, Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig und Grazieila Sciuttj haben in Stil und Kunst des Gesanges eine Idealform errungen, der auch die Herren Waldemar K m e n 11 und Karl D ö n c h, besonders Hermann Prey nahe kommen, daß diese Aufführung als Urbild dieser Oper im Ohr bleibt.

Die Aufführung des Requiems von Giuseppe Verdi unter Herbert von K a r a j a n nannte man ein „gesellschaftliches Ereignis“. Aber es war mehr. Denn es bleibt immer das Phänomen Karajans, daß er doch nach innen mehr gibt, als es nach außen scheint. Denn als Dirigent ergreift und formt Karajan stets die Ur-elemente der Musik, wenn er sie darstellt.

Freilich: wieder weiß man, was die letzten Dinge zwischen Mensch und Gott sind, wenn Mozart sie in seiner Messe in c-Moll jubelt und klagt. Es ist das Weltgeschehen der Menschheit im Menschen, das hier Musik geworden ist, ebenso weise wie naiv. Bernhard Paumg artner erweckte die schöne Weisheit dieser Musik zu ausgewogenem LebeflfiuJ'.'fprmte diesÄi&oheileisti? ror* allein durtfciias in älieousömBtii 'Gruppen I schlechthin vollendete Moz&rteum-Orche-1' ster. Dem Salzburger Rundfunk- und Mozarteum-Chor (Einstudierung Ernst Hinreiner) gelangen schöne Kontraste. Die Stimme Edith M a t h i s' schien etwas herber geworden, was sie den anderen Stimmen (Annelore C a h n b 1 e y, George M a r a n, Walter Ranninger) mehr angleicht; aber sie erblühte ganz im Agnus Dei.

Dem Schauspiel ist die Vollendung offenbar weniger beschieden. Denn Goethes „Faust“ ist mit allen seinen Stärken und Schwächen fast unverändert vom Vorjahr übernommen. Die überzeugenden Szenen des Beginns, die auch immer wieder zu neuer Größe aufflackern, werden von unbefriedigenden Bildern abgelöst und gestört. Aber es liegt nicht etwa nur an manchen Bühnenbildern. Es liegt auch an der schauspielerischen Aussage, besonders der vital und geistig unterspielten Faustgestalt Attila H ö r b i-g e r s, was bei der schwierigen Sprachakustik des großen Hauses besonders bedenklich wird. Ein intellektuell scharf gezeichneter Mephisto ist wieder Will Quadflieg und die beiden Frauengestalten Aglaja S c h m i d s und Susi N i-c o 1 e 11 i s sind vollendete Menschenbilder.

Was Attila Hörbiger im „Faust“ schuldig bleibt, überzahlt er in Nestroys „Lumpazivagabundus“ im Landestheater. Sein Knieriem ist eine vollendete Studie der Schwäche des Menschen ohne rechte Schlechtigkeit. Diese außerordentliche Leistung Hörbigers wirft freilich viel Schatten auf die übrigen, ohnehin schon bei Nestroy etwas blassen Gestalten. Bruno D a 11 a n s k y als Zwirn gelingt noch eine flattrige Schneidergestalt, während Walter R e y e r als Leim besser heiter-naiv als bieder wäre. Willy Trenk-Trebitsch als Lumpazi ist ein mehr wienerischer Mephisto .als ein lustig-luftiger, CJeist. Noch dazu verstärkt die Regie Leopold t i n'd fb e r g s gerne die spöttische Verzerrung (wie etwa bei der Fee Amorosa). Das Bühnenbild (Lois Egg) ist so biedermeierlich als möglich und die Kostüme Elli Rolfs treffen diesen Stil auch bis in das Spöttische hinein. So wurde „Lumpazivagabundus“ nicht ganz zu einer abgerundeten Komödie. Gewiß, es ist Nestroy-Jahr. Aber sollte man nicht doch für Salzburg wie an die großen Mysterien wieder an die großen Komödien vom Menschen denken?

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