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Abbau auf allen Linien

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Flaues Wirtschaftswachstum, Dollarverfall und ausländische Billigprodukte setzen der Stahlindustrie hart zu. Die Folge: Schrumpfende Märkte und Beschäftigungszahlen.

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Flaues Wirtschaftswachstum, Dollarverfall und ausländische Billigprodukte setzen der Stahlindustrie hart zu. Die Folge: Schrumpfende Märkte und Beschäftigungszahlen.

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Während in der Vorwoche in Österreich Entscheidungen über die Höhe der neuerlichen Finanzzuschüsse an die Verstaatlichten-Holding ÖIAG gefallen sind, kommen von internationaler Seite immer neue Meldungen über die erforderlichen Kapazitätsund Beschäftigungsschnitte im sogenannten Basissektor, insbesondere im Bereich der Stahlindustrie.

In der BRD verkündete Wirtschaftsminister Bangemann das Aus für Kohle und Stahl - was in dieser Formulierung allerdings später dementiert wurde. Tatsache ist, daß im Ruhrgebiet ganze Landstriche von Massenarbeitslosigkeit bedroht sind, wenn die dortige Kohle- und Stahlindustrie ihre Sanierungspläne wahr-

macht. Dabei hat die bundesdeutsche Stahlindustrie in den letzten Jahren ohnedies bereits 150.000 Arbeiter abgebaut. Aber das genügt noch nicht: Dollarverfall, schwache Nachfrage und Konkurrenz durch Billigprodukte aus den SchweUenländern bedrohen weitere 10% der verbliebenen 350.000 deutschen Stahlarbeiter.

Da der gegenwärtige Kapazitätsüberhang in der EG, Japan Jind den USA zusammengenommen auf bereits 50 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt wird, ergibt sich für die nächste Dekade bei Berücksichtigung der erwarteten Verbrauchs- und Produktionsrückgänge ein Stillegungsbedarf von 75 Millionen Tonnen, das ist etwa ein Viertel in den genannten Ländern.

Was sind die Ursachen für diese triste Lage der Grundstoffindustrie?

• Hier wäre zunächst der allgemeine Wachstumsknick der Weltwirtschaft seit etwa 1980 zu nennen. Allerdings betraf dieser nicht nur die Basisindustrien; hinzu kam vielmehr, daß eine zunehmende Entkoppelung des weltwirtschaftlichen Wachstums und der Nachfrage nach Grundstoffen zu beobachten ist: Während ersteres seit Beginn der achtziger Jahre durchschnittlich 2,3% pro Jahr beträgt, ging die Nachfrage nach Grundstoffen im selben Zeitraum um 1,2% pro Jahr zurück.

• Auch produktionstechnologische Fortschritte und rationellerer Einsatz von Grundstoffen vermindern den Bedarf.

• Was die Situation in den Industrieländern betrifft, so gab es si-

cherlich auch eine Verlagerung der Produktion in die Entwicklungsländer, doch wächst eben dort auch noch die Nachfrage, während in den Industrieländern wie erwähnt der Bedarf sinkt.

In Österreich stagniert die reale Produktion der Grundstoffindustrie gleichfalls seit über 10 Jahren; die Beschäftigung in diesem Bereich fällt stärker als im gesamten industriellen Sektor.

Einem Vorurteil gilt es allerdings entgegenzutreten, nämlich daß der Basissektor in Österreich „zu groß“ sei. Wie die Tabelle zeigt, liegt in Österreich der Anteil des Basissektors an der Ge-

samtindustrie durchaus im internationalen Durchschnitt (die Ziffern beziehen sich auf das Jahr 1985).

Wichtiger als die Situation zu bejammern erscheint es jedoch, zu fragen, was getan werden kann. Denn daß solche Krisen ganzer Industriesektoren bewältigbar sind, darauf hat Karl Aiginger (Wirtschaftsforschungsinstitut) bei einem Symposium an der Universität Linz anhand eines Vergleichs mit der Krise der Textilindustrie aufgezeigt, die heute als im wesentlichen überwunden gelten kann.

Der Preis der Krisenbewältigung war hoch: In der EG wurde von 1973-84 die Produktion der Textilindustrie um 9% eingeschränkt, die Beschäftigung sank um nicht weniger als 46%.

Ohne Härten wird es sicherlich nicht gehen, denn eines erscheint klar: Marktanteile halten in einem schrumpfenden Markt heißt auf jeden Fall selbst „Schrumpfen“ ; unterstellt man daneben noch ein rund dreiprozentiges Produktivitätswachstum pro Jahr, impliziert dies grob gesprochen einen fünfprozentigen Beschäftigungsabbau pro Jahr.

Welche Strategien bieten sich nun ganz allgemein in solch schrumpfenden Märkten? - Eine Möglichkeit wäre eine Marktlea-der-Strategie, das heißt zu versuchen, in einem solchen Markt der beste Anbieter (sei es von den Kosten, der Qualität oder der Spezialisierung auf bestimmte Produkte her) zu werden.

• Ein anderes Vorgehen, das Österreich schon mehrmals empfohlen wurde, wäre es, bestimmte spezielle Marktnischen einzunehmen und dort unbestritten zu sein.

• Letztlich gibt es natürlich auch die Möglichkeit eines mehr oder weniger raschen Rückzugs aus bestimmten Bereichen.

Welche Strategie für welche Branche einzuschlagen ist, wird von Fall zu Fall zu entscheiden sein. Als am günstigsten haben sich Doppelstrategien erwiesen, zum Beispiel Abbau überschüssiger Kapazitäten bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung und Diversifizierung der Produkte. Dazu gibt es erfolgreiche Beispiele in Japan und Schweden, wo schon vor zehn Jahren und mehr mit harten Auflagen Umstrukturie-rvmgen eingeleitet wurden. In Österreich wurde diese Beschleunigung des Strukturwandels bisher nicht rigoros genug gehandhabt.

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