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Das Desinteresse überwiegt

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Das slowakische Parlament in Preßburg hat am 26. Jänner dieses Jahres mit großer Mehrheit das neue Wahlgesetz für die Wahlen verabschiedet, die am 5. und 6. Juni stattfinden werden. Wie bisher werden die Wahlen nach einem Proporzsystem durchgeführt werden. Vaclav Havels Alternative - für jeden Wahlkreis nur einen Kandidaten der Parteien nach dem Vorbild Englands oder Frankreichs -wurde schon im Prager Parlament nicht angenommen.

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Das slowakische Parlament in Preßburg hat am 26. Jänner dieses Jahres mit großer Mehrheit das neue Wahlgesetz für die Wahlen verabschiedet, die am 5. und 6. Juni stattfinden werden. Wie bisher werden die Wahlen nach einem Proporzsystem durchgeführt werden. Vaclav Havels Alternative - für jeden Wahlkreis nur einen Kandidaten der Parteien nach dem Vorbild Englands oder Frankreichs -wurde schon im Prager Parlament nicht angenommen.

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Der einzige wichtige Unterschied zum alten Wahlgesetz ist in der Prozentklausel für die Möglichkeit, ins Parlament gewählt zu werden, gelegen. Bisher galt die Dreiprozenthürde. Bei den Wahlen von 1990 haben 16 Parteien fürs Slowakische Parlament kandidiert. Neun von ihnen haben die Dreiprozentmarke nicht erreicht. So kamen nur sieben Parteien ins Parlament: Öffentlichkeit gegen Gewalt (47 Mandate), die Christ-demokratische Bewegung (32 Mandate), die Slowakische Nationalpartei (22), die Partei der Demokratischen Linken/Neokommunisten (21), die ungarische Partei Zusammenleben (14), die Demokratische Partei (acht) und die Grünen (sechs).

Nach dem neuen Wahlgesetz ist die Prozentklausel auf fünf Prozent gehoben worden. Wsnn zwei oder drei Parteien in eine Wahlkoalition eintreten, beträgt die Klausel sieben, bei vier oder mehr Parteien zehn Prozent.

Im Parlament gab es eine rege Diskussion um diese Prozentklausel. Die einen plädierten für ihre Abschaffung, damit möglichst viele Richtungen im Parlament vertreten sein können. Die anderen argumentierten mit der größeren Arbeitsfähigkeit und mit der Möglichkeit, leichter zu einer funktionierenden Regierung zu gelangen. Das Beispiel Polens war maßgebend, wo das Parlament in 29 Parteien zersplittert ist, man daher nur schwer eine mehrheitsfähige Regierung bilden kann und deswegen eine Dauerkrise droht.

Nach Umfrage des Instituts für Meinungsforschung in Preßburg anfang Februar möchten 64 Prozent der Bürger zur Urne schreiten, im Jahre 1990 waren es 96 Prozent; das Desinteresse ist relativ groß.

Von diesen 64 Prozent möchten gemäß der Umfrage 38,1 Prozent ihre Stimme der Bewegung der Demokratischen Slowakei des Vladimir Me-ciar geben, 14,7 Prozent den Christdemokraten des Jan Camogursky, 14,5 Prozent der Neuen Linken eines Peter Weiss und 14,2 Prozent der Slowakischen Nationalpartei des Jozef Prokeä.

Mittlerweile erfuhr Carnogurskys Christdemokratische Bewegung (KDH) eine empfindliche Spaltung. Der nationalistische Flügel der KHD wird künftig als eigene Partei mit dem Namen „Slowakische Christdemokratische Bewegung" wirken und auch bei den Parlamentswahlen mit eigener Liste auftreten. An der Spitze der neuen Partei steht Jan Klepac.

Die Sammelpartei Öffentlichkeit gegen Gewalt, die sich nach dem Austritt (oder dem Ausstoßen) Vladimir Meciars den Namen Bürgerliche Demokratische Partei unter Martin Porubjak gegeben hat, müßte nach der Meinungsumfrage mit nur 2,2 Prozent Wähler nicht nur ihre vielen Ministerposten, sondern auch ihre Parlamentsanwesenheit aufgeben. Sie sucht daher eine Verstärkung bei ihrer Schwesterpartei des CSFR-Fi-nanzministers Vaclav Klaus, der sich auch auf der slowakischen politischen Szene präsent machen will. Ob das gelingt, ist fraglich.

Auch die bisher in der Koalition mitregierende Demokratische Partei mit ihren potentiellen 2,5 Prozent Wählern und die Grünen, die sich in einen pro-föderalistischen und einen pro-slowakischen Flügel gespalten haben, kämen mit ihren 3,3 Prozent nicht in das neue slowakische Parlament. Die Ungarische Bürgerpartei (laut Umfrage 1,2 Prozent), die Ungarischen Christdemokraten (0,7 Prozent) und die bisher wichtigste ungarische Partei Zusammenleben (1,7 Prozent) hätten zum jetzigen Zeitpunkt keine Chance, in das Parlament zu kommen, selbst wenn sie eine Wahlkoalition eingingen; aber das könnte sich und wird sich laut Beobachtern bestimmt ändern. Es wäre für die Slowakei auch wünschenswert.

Die gemäßigte Sozialdemokratische Partei eines Boris Zala steht mit nur 0,7 Prozent an der Peripherie der Wählergunst; vielleicht schadet ihr ihre pro-föderalistische Einstellung.

Die liberalen Parteien und die vielen radikalen separatistischen Gruppierungen erreichten in der Meinungsumfrage nicht einmal ein Prozent derpotentiellen Wähler. Und auch die weiteren etwa 50 Miniparteien und Minibewegungen, die im Innenministerium registriert sind, scheinen nur Eintagsfliegen zu sein.

Drei Monate bis zum Urnengang in der Slowakei bergen noch bestimmt viele Überraschungen. Obwohl der Wahlkampf nur 23 Tage vor dem Wahltermin beginnen darf, wurde er schon unauffällig gestartet - leider mehr mit Beschimpfungen und persönlichen Attacken als mit positiver Suche nach konstruktiven Konzepten.

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