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Die Zukunft der FPÖ

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Was diese Zeilen nicht sein sollen, sei an den Anfang gestellt. Sie sind weder ein Rechtfertigungsversuch für meinen Rücktritt noch ein

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Was diese Zeilen nicht sein sollen, sei an den Anfang gestellt. Sie sind weder ein Rechtfertigungsversuch für meinen Rücktritt noch ein

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Programm für meinen Nachfolger und ebensowenig ein Beitrag zu einer Personaldiskussion.

Die Nationalratswahl am 6. Mai hat der FPÖ einen bedeutenden Stimmenzuwachs und ein zusätzliches Mandat gebracht. Damit ist die Partei seit vielen Jahren erstmals wieder in eine bundesweite Aufwärtsentwicklung geraten. Detailanalysen zeigen, daß der Wahlerfolg besonders auch auf eine Zunahme bei den jüngeren Wählern zurückzuführen war. Der Erfolg erlaubte Hoffnungen für die Zukunft.

Diesem Ergebnis auf Bundesebene widersprach der Ausgang mehrerer Wahlgänge ftir Länderparlamente im Herbst. Ist nun die FPÖ im Aufwind oder signalisieren die jüngsten Ergebnisse eines SPÖ-nahen Meinungsforschungsinstitutes und die Landtagswahlen eine Krise?

Es soll gar nicht bestritten werden, daß der Zustand der Partei kritisch ist. Das Wort Krise hat jedoch eine Vielfalt von Begriffsinhalten, die dabei zu beachten sind. Krise be-

schreibt sowohl eine gefährliche Entwicklung wie auch die Möglichkeit einer Besserung und Gesundung. Dies gilt auch für die derzeitige Lage der FPÖ. Sie ist engst, aber gerade deshalb ist zu erwarten, daß es fruchtbare und erfolgreiche Diskussionen über die Zukunft der Partei geben wird.

Ein wenig erfolgreicher Beitrag zu dieser Diskussion war ein Zeitungsinterview von mir vor einigen Wochen, das durch die eigenwillige Überschrift zu vielen Mißverständ-

nissen geführt hat. Wer nur den Titel gelesen hat, mußte glauben, der Generalsekretär der FPÖ frage sich selbst, warum man diese Partei wählen solle. So ernst ist die Lage bei weitem nicht, daß selbst Spitzenfunktionäre nicht sagen können, warum die Partei wichtig sei.

Anders sieht es jedočh aus, wenn man die Frage aufwirft, welches Bild der einzelne Wähler von der Partei hat und ob dieses übereinstimmt mit dem, das die Funktionäre der

Partei in Form ihrer Wahlwerbung und von gezielten politischen Aktionen zeichnen. Letzteres war das Thema des zitierten Zeitungsartikels.

Das Ergebnis von Untersuchungen beweist, daß die Vorstellung von drei klar abgegrenzten politischen Lagern, die den drei Parlamentsparteien entsprechen, zumindest heute nicht mehr voll stimmt Vielmehr gibt es sehr starke Überschneidungen der Wählerbereiche bezüglich deren ideologischen Grundvorstel-

lungen. Vereinfacht könnte man von einem zunehmenden Wechselwähleranteil bei allen Parteien sprechen.

Für die FPÖ ist bedeutend, daß es bei beiden anderen Parteien sehr beträchtliche Wählergruppen gibt, die nach ihren politischen Grundauffassungen eigentlich freiheitlich wählen müßten, sich aber dennoch in keinem Gewissenskonflikt befinden, wenn sie SPÖ oder ÖVP wählen. Wähler dieser Gruppen vertreten typisch freiheitliche Standpunkte bezüglich Eigentum, Freiheit, Gerechtigkeit, Leistung, Familie, Gemeinschaft und liberalem Rechtsstaat.

Es ist daher nicht zu leugnen, daß der Versuch der beiden anderen Parteien, jeweils als „Volksparteien“ zu agieren und damit ein sehr breites ideologisches Feld abzudecken,

für die FPÖ seit ihrer Gründung eine Bedrohung darstellt. Dies wird verstärkt, wenn unter den jüngeren Wählern die Zugehörigkeit zu den klassischen drei Lagern nicht mehr so aus-

geprägt ist.

Parteien, die mehr als 50 Prozent der Bevölkerung ansprechen wollen, müssen sich ideologisch stark überschneiden, in ihren politischen Kernaussagen unscharf sein und sich stark auf Einzelpersönlichkeiten, die sie in den Vordergrund stellen, abstützen.

Für die FPÖ ergibt sich die Frage, ob sie in diesem Wettbewerb als dritte „Volkspartei“ oder als Partei für eine spezifische Wählergruppe auftreten will. Ob sie alle Bevölke-

rungsgruppen und Schichten nach ihrer Gesamtzahl vertreten will oder eine Politik für bestimmte Zielgruppen macht. Es reduziert sich somit auf die Frage eines Journalisten in der letzten TV-Diskussion von Alexander Götz: „Will die FPÖ für 25 Prozent der Wähler Politik machen und damit gegen die restlichen 75 Prozent?“

Bei einem derzeitigen Wähleranteil von 6,1 Prozent kann die Antwort nur zugunsten der 25 Prozent ausfallen. Politik, die auf Mehrheitsmeinungen der Bevölkerung aufbaut,

ist das Aktionsgebiet von Parteien, die hoffen, von mehr als 50 Prozent gewählt zu werden, also von der regierenden SPÖ und einer optimistischen ÖVP.

Damit wäre die FPÖ klar auf dem Kurs, die Wünsche und Meinungen einer Minderheit in der Bevölkerung zu vertreten, der bereits im freiheitlichem Manifest als

„Aktivelement“ bezeichnet ist. Der typische FPÖ- Wähler findet sich in allen Bevölke-

rungsschichten. Er ist der aktive, kritische Arbeitnehmer ebenso wie der zukunftsorientierte Unternehmer, Freiberufler oder Landwirt.

Er läßt sich aber weniger nach Beruf, Bildung oder Vermögen charakterisieren als vielmehr durch seine Einstellung zur Gemeinschaft, Familie, Umwelt, Kultur, Freizeit,

Risiko, Fortschritt und Leistung sowie seine Abneigung gegen zuviel Macht und Bürokratie.

Das so umschriebene Wählerpotential erlaubt die Hoffnung auf eine drastische Steigerung des Wähleranteils. Die Konsequenz für die FPÖ dürfte daher nur sein, in Zukunft die Interessen und Meinungen dieser Gruppe akzentuiert zu vertreten und klare Kontraste zu beiden anderen Parteien zu zeichnen. Es müßte möglichst allen jenen Wählern, die freiheitlich danken, aber ÖVP oder SPÖ wählen, klar werden, warum sie nicht nur ihre Sympathie, sondern auch ihre Stimme der FPÖ geben sollen.

Wie sollen solche Erkenntnisse umgesetzt werden? Wie soll der Wähler angesprochen werden?

Die Chance für eine kleine Partei liegt in den Medien. Eine Auswertung der Erfolge der Medienarbeit während des Nationalratswahlkamp- fes zeigt, daß bei ausreichendem

Angebot die Berichte über die FPÖ in den Medien überdurchschnittlich waren. Eine kleine Partei ist in Zeitungen und Rundfunk nur präsent, wenn sie neue Ideen einbringt und klare Akzente in aktuellen politischen Diskussionen setzt.

Wenn es auch innerhalb der Partei anerkannt wird, daß es notwendig ist, Gegensätze zu den anderen im Parlament vertretenen Parteien stärker herauszustreichen, um in der

Öffentlichkeit gehört zu werden, so entsteht daraus dennoch bei manchem die Sorge um das Aufrechterhalten des guten Verhältnisses zu den beiden änderen Parteien.

Diese Sorge ist unbegründet. Doch selbst wenn sie berechtigt wäre, wo bliebe dann das Bekenntnis zur politischen Toleranz, das alle gerne ablegen? Politische Gegensätze dürfen kein Grund für Feindschaft zwischen einzelnen Personen, aber auch nicht zwischen politischen Fraktionen sein, oder aber das Bekenntnis zur Demokratie ist nicht mehr ernst gemeint.

Toleranz gegenüber politischen Gegnern bedeutet das Anerkennen der Möglichkeit von klaren Gegensätzen in politischen Kernfragen. Dies bedeutet aber, daß es weder zum

Einfrieren von Kontakten noch zu Repressalien kommt, wenn eine Partei ihren Standpunkt deutlich - selbstverständlich im Rahmen der politischen Fairneß - dem einer anderen politischen Gruppe entgegensetzt.

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