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SPÖ-Zahlenspieeel

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Das Zentralsekretariat der SPÖ legte auch dem diesjährigen Parteitag einen ausführlichen Bericht vor. Eine Analyse bietet einen Einblick sowohl in die Parteiorganisation als auch in Entwicklungsprozesse des österreichischen Sozialismus, soweit sie sich in der Form von Zahlen vergegenständlichen.

Die Organisationsdichte der Partei ist außerordentlich groß. Nicht weniger als 44,8 Prozent der Wähler der Partei zählen zu ihren Mitgliedern (727.000 zu 1,954.000).

Der Mitgliederstand der Partei hat sich im Berichtszeitraum etwas verringert. Am 1. Jänner 1961 standen 727.265 Männer und Frauen in den Reihen der SPÖ; am 31. Dezember 1962 waren es nur mehr 698,705. Die Reduktion beträgt 28.560, das sind 3,93 Prozent; bei den Frauen sind es 4,59 Prozent. Der stärkste Rückgang ist im Burgenland festzustellen (6,63 Prozent), während Tirol als einziges Bundesland einen Zuwachs von 0,4 Prozent aufweisen kann.

Ein dichtes Netz an Vertrauenspersonen bildet eine auch in Krisensituationen stets wirksame Verankerung der Partei. Nicht weniger als 65.922 Funktionäre (davon 81,87 Prozent Männer) betreuen das Parteivolk. Auf zehn Mitglieder kommt im Bundesdurchschnitt schon eine Vertrauensperson. Die stärkste Vertrauensmännerdichte hat interessanterweise jenes Bundesland, das den stärksten Mitgliederrückgang aufzuweisen hat, nämlich das Burgenland. Auf fünf Parteimitglieder kommt im Burgenland ein Vertrauensmann, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß gerade im Burgenland die Partei auch in den kleinsten Dörfern, die dort keine Bauern-Arbeiterdörfer sondern Arbeiter-Bauerndörfer sind, vorzudringen vermochte, wodurch, aus der Natur der Organisation in einer kleinen Siedlung heraus, schon wenigen Mitgliedern relativ viele Funktionäre ent-sprechen müssen.

Der alte Stamm

Die Mitgliederbewegung zeigt, daß die SPÖ insoweit eine „alte“ Partei ist, als sie einen großen Stamm an alten Mitgliedern hat, wodurch sich die natürlichen Abgänge besonders stark auch in der Mitgliederstatistik widerspiegeln.

Die Spontanbewegung in der Mitgliederentwicklung zeigt, daß im Zeitraum 1960 bis 1962 62.277, 30.503 und 30.292 Personen der Partei beigetreten sind, während in der gleichen

Periode 26.183, 26.970 und 20.638 Personen die Partei verließen. Die Saldi in der Mitgliederbewegung weisen also das außerordentliche Gewicht der natürlichen Abgänge aus.

Die Geschlechtsproportion der Mitglieder ist seit Jahren die gleiche. Im allgemeinen stehen seit 1945 je 65 männlichen Mitgliedern 35 Frauen gegenüber.

Die Beziehung der Mitglieder zu ihrer Partei und deren organisatorische Qualität zeigt sich auch in der Zahlungsfreudigkeit. Jeder Kenner der sozialistischen Organisationen, nicht nur unseres Landes, weiß, daß der Inkassant wohl ein Geldeinsammler, vor allem aber das wirksamste Instrument der Verbindung von Organisationsspitze und Masse darstellt. Im Jahre 1948 zahlten 83,62 Prozent der Mitglieder ihre Beiträge. Der Höhepunkt war das Jahr 1955 (95,89 Prozent), während es 1962 95,38 Prozent waren. Die Zahlungsfreudigkeit ist ein Anzeiger sowohl des Kontaktes der Mitglieder zur Organisation als auch des gut funktionierenden Inkassoapparates.

Die der Zentrale unterstehende Parteipresse weist zwischen 1961 und 1962 keine wesentlichen Veränderungen auf:

1961 1962 Arbeiter-Zeitung 116.900 116.400 Die Zukunft 5.400 6.000

Das Kleine Blatt 116.000 112.800 Welt am Montag 120.400 114.000

Die zwei zuletzt angeführten Zeitungen stehen einer starken Konkurrenz der neutralen Prasse gegenüber. Der Rückgang ist daher nicht auffällig.

j •cqaittuti.xfaul liiiMÄiM vb' -jfe'.if Auf und Ab in den Organisationen

Von den sozialistischen Organisationen liegen nur zum Teil Berichte vor; wenige nennen Mitgliederzahlen. Aus diesem Grunde ist lediglich eine Teilanalyse möglich.

Über die Sozialistische Jugend erfahren wir, daß in ihren Reihen 73,8 Prozent Burschen und 26,2 Prozent Mädchen stehen, sehr zum Unterschied von der Katholischen Jugend, bei der die weiblichen Mitglieder überwiegen. Von den Mitgliedern der SJ sind neun Prozent Angestellte und 6,4 Prozent Schüler und Studenten.

Beachtlich sind die Zahlen, die der Sozialistische Lehrerverein vorlegt: Dem Verein gehören 11.631 Lehrkräfte an, gegenüber 1960 um 385 mehr. Den stärksten Zuwachs hat die Steiermark zu verzeichnen. Von den Mitgliedern sind unter anderen

9067 Pflichtschullehrer, 787 Mittel-schullehrer, 39 Hochschullehrer und 641 Berufsschullehrer. Diese Gruppe weist als einzige einen Rückgang auf.

Hoch ist auch die ausgewiesene Mitgliederzahl der Akademiker im BSA, wenn sich auch die Parteiführung dessen bewußt ist, daß nicht wenige der Mitglieder des Bundes ihre öko-

nomischen Interessen in Form von „Ideen“ sublimiert haben und nur so lange parteitreu sind, als dies ihren Einkommenshoffnungen entspricht. Derlei soll aber nach Gerüchten auch bei anderen Parteien der Fall sein.

Rentner im „Vormarsch“

Heute gehören dem BSA 11.116 Mitglieder an (nicht durchweg Akademiker), um 89 mehr als ein Jahr vorher. Wien zeigt einen Zuwachs (120); di* Bundesländer weisen meist leichte Rückgange auf. Die aktivste Gruppe sind die Mittelschullehrer, also jene, die am wenigsten verdächtig sind, ihren Sozialismus mit der Hoffnung auf wirtschaftliche Vorteile zu verkoppeln.

Bezeichnend ist, daß der Verband der österreichischen Rentner und Pensionisten einen ganz beachtlichen Zuwachs aufzuweisen hat (von 115.700 auf 145.700). Im Anstieg der Altenorganisation zeigt sich die Reverenz, welche die alten Menschen der SPÖ für ihre Bemühungen um die Verbesserungsversuche im Bereich der Altersversorgung erweisen. Man kann vermuten, daß die Wähler der SPÖ in einem wachsenden Umfang aus der Schichte der alten Menschen kommen, während diese früher eher den konservativen Parteien zugeneigt waren.

Auch die Mietervereinigung konnte von 1960 auf 1962 ihren Mitgliederstand von 234.270 auf 243.235, das heißt um 3,27 Prozent, erhöhen.

Der Freie Wirtschaftsverband zählt nunmehr 21.463 Selbständige zu seinen Mitgliedern (+ 477). Von den

Angehörigen des Freien Wirtschaftsverbandes gehören die meisten dem Gewerbe an, also jener Schichte, die aus Tradition in der Sozialhierarchie der Schichte der Arbeiter am nächsten kommt. Die Tatsache, daß mehr als 20.000 Klein-„Kapitalisten“ sozialistisch organisiert sind, läßt vermuten, daß es so etwas wie ein einheitliches „Bürgertum“ kaum gibt, muß man doch nach den sozialökonomischen

Merkmalen auch die sozialistischen Gewerbetreibenden noch als „bürgerlich“ klassifizieren. Nicht weniger als 362 sozialistische Selbständige sind für die SPÖ als Mandatare tätig, 79 sind Bürgermeister oder Vizebürgermeister. Im Berichtsjahr wurde innerhalb des Verbandes ein Jugendklub errichtet.

Der Arbeitsbauernbund hat ungefähr elf Prozent der Personen zu Anhängern, die das Wahlrecht zu den Bauernkammern besitzen.

Wie rot sind die Konsumvereine?

Der Konsumverband (Zentralverband der österreichischen Konsumgenossenschaften) hat bereits 14.400 Angestellte und konnte 1962 einen Bruttoumsatz von nicht weniger als 2715 Millionen Schilling erzielen. Die Zahl der Ladengeschäfte, die dem Verband inkorporiert sind, ist zwischen 1961 und 1962 von 1643 auf 1647 gestiegen. Ob man den Konsumverband als eine sozialistische Organisation im üblichen Sinn bezeichnen kann, muß dahingestellt bleiben, wenn diese Klassifikation auch für die Führung des Verbandes gilt. Keinesfalls kann jeder Genossenschafter durch sein Bekenntnis zum Genossenschaftsgedanken als „sozialistisch“ etikettiert werden.

Der ASKÖ, der sozialistische Sport-und Turnverband, hat 363.088 Mitglieder, für die in der Frage der politischen Zurechnung das gleiche gilt wie beim Konsumverband.

Die SPÖ will „allen alles“ sein und betreut auch eine Reihe kleiner Hobby-Vereinigungen, wie den Bund Technischer Amateure und den Österreichischen Briefmarkenverein, der 2800 Mitglieder hat.

Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, daß die RUEFA, ebenfalls im Parteitagsbericht angeführt, heute nach dem Österreichischen Verkehrsbüro das größte Reisebüro unseres Landes ist. Der Umsatz des Jahres 1962 betrug mehr als 76 Millionen Schilling, wobei etwa 40.000 Personen betreut wurden.

Schlüsse

Soweit für die Organisationen, die der SPÖ inkorporiert sind, Ziffern vorliegen, läßt sich feststellen:

• Die Partei hat vorläufig den Plafond der zahlenmäßigen Entwicklung erreicht. Der Versuch, Volks-Partei zu werden, ist zum Teil gelungen. Beweis: der Zuwachs bei jenen Gruppen, die Akademiker und Selbständige umfassen. Anderseits gehen der Partei offensichtlich auf den Status von Facharbeitern und Angestellten erhobene Arbeiter ebenso verloren, wie es ihr auch nicht gelingt, die Politikmüdigkeit der jungen Generation zu beheben.

• Dagegen zeigen die Interessentengruppen, deren Mitglieder ihre Einkommenshoffnungen mit den Bestrebungen der Partei verbinden, einen leichten, wenn nicht gar beachtlichen Zuwachs (Rentner). Die Partei kommt daher an die Randschichten über die Interessentenorganisationen heran, deren Mitglieder nur zum Teil als SPÖ-Mitglieder zu führen sind. Man kann also davon ausgehen, daß die Partei immer weniger eine weltanschaulich fixierte Organisation ist und in einem steigenden Umfang (in „revisionistischer Abweichung“) zu einem Interessentenverband wird, ähnlich der englischen Arbeiterpartei, deren Gesinnung weitgehend von praktischen Erwägungen bestimmt ist. Das Absterben des Marxismus in der SPÖ ist daher ein Prozeß, der auch von den Repräsentanten des orthodoxen Flügels nicht aufgehalten werden kann.

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