Tschechien: Das Spiel alle gegen Paroubek

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Bei den tschechischen Wahlen wenden sich praktisch alle Parteien gegen den sozialdemokatischen Favoriten JiÇrí Paroubek. Von der Schwäche der Bürgerpartei ODS könnte die Partei TOP 09 von Karel Schwarzenberg profitieren.

Vojtech Filip ist nicht gekommen. Im an der österreichischen Grenze gelegenen südböhmischen Städtchen Nová BystÇrice (Neubistritz) hat am 8. Mai, dem „Tag der Befreiung vom Faschismus“, die Ortsgruppe der Kommunistischen Partei zu einer Gedenkstunde geladen. In Zeiten des Wahlkampfes für die bevorstehenden Parlamentswahlen war der Parteichef als Hauptredner angekündigt. Kurz vor dem angekündigten Beginn versammeln sich Teilnehmer schüchtern um den Brunnen am Hauptplatz. Zaghaft tritt das Grüppchen am Gehsteig den Marsch zum nahen „Befreiungsdenkmal“ an. Eine Frau legt ein paar Rosen nieder, dann geht es weiter zum Friedhof. Das war es dann auch. Vielleicht dachten einige der ergrauten Herren noch an die Zeit vor 1989 zurück, als die Kundgebungen noch von Musik, Jungpionieren, Militär und Volksmilizen begleitet wurden.

Kommunistische Aussichten

Trotz des eher armseligen Aufgebots werden die Parlamentswahlen am kommenden Wochenende für die Kommunisten auch heuer in Nová BystÇrice wohl nicht zum „letzten Gefecht“ werden. Im Grenzgürtel zu Österreich und Deutschland verfügen sie auch 20 Jahre nach der Wende noch über gute Chancen. Die Gründe dafür reichen weit in die Vergangenheit zurück. Die an sich übernational orientierten Kommunisten präsentierten sich nach 1945 als energische Befürworter der Vertreibung der Deutschen aus dem Grenzgebiet und kümmerten sich dann auch um die Verteilung des herrenlos gewordenen Gutes an die „Neusiedler“. Dies sicherte ihnen bis heute eine stabile Wählerbasis. Verbalradikalismus und die nie wirklich erfolgte Distanzierung zur Vergangenheit der Vorgängerpartei hält zwar die überalterte und stockkonservative Mitgliederschaft bei der Stange und verschafft der um eine Generation jüngeren Führungsmannschaft Mandate und Funktionen.

Sie ist aber auch ein Grund für eine Dysfunktionalität des tschechischen politischen Systems. Gut zehn Prozent des Wählerspektrums waren bis jetzt aus dem politischen Kräftespiel de facto ausgeschlossen. Besonders schmerzhaft verspürten dies die Sozialdemokraten (CSSD), denen der Koalitionspartner links der Mitte fehlte. Im Unterschied zu Ungarn und Polen handelt es sich nicht um zu smarten Modernisierern gewandelte Kommunisten, sondern um die nach 1989 erfolgte Neugründung einer Traditionspartei. Unter der Führung von JiÇrí Paroubek ist sie Favorit für den Wahlsieg. Ihre in sanften Orangetönen gehaltenen Wahlplakate zeigen glückliche Jungfamilien, denen im Falle des Wahlsieges günstige Wohnungen versprochen werden, oder in Würde ergraute Rentner. Paroubek muss auch in der Wahlwerbung darum bemüht sein, sein älteres, von der Wende enttäuschtes Stammpublikum nicht zu vergraulen, gleichzeitig aber auch in der Mitte an Boden zu gewinnen. Doch der Siegeszug Paroubeks, bestätigt durch einen überwältigenden Sieg bei den Regionalwahlen 2008, ist ins Stocken gekommen.

Kampagne gegen Paroubek

Paroubek sieht sich mit einer massiven Kampagne konfrontiert, die ihn als Steigbügelhalter für die Kommunisten bezeichnet und darauf verweist, dass er sich diese als potenzielle Unterstützer im Talon hält. Für viele aus der durchwegs rechts(liberal) gepolten medialen, künstlerischen und alternativen Szene stellt Paroubek mit seinem verbal prononcierten, staatsgläubigen Linkskurs der alten Schule indes ein noch größeres Feindbild als die KP selber dar. Man könne prinzipiell schon sozialdemokratisch sein, lautet der Tenor in den Prager Klubs und Zirkeln, nur nicht so. Erst langsam formiert sich rund um den Jungalternativen Jakub PatoÇcka und einigen Veteranen des „Prager Frühlings“ so etwas wie ein intellektueller links-alternativer Gegenpart zum rechten Mainstream.

Mehr als diese Attacken muss ihn aber die neue Konkurrenz in der Mitte stören. Die Welle an Unzufriedenheit mit vielen Skandalen der letzten Jahre wird nämlich die Partei der „Öffentlichen Angelegenheiten“ ins Parlament schwappen. Kurios dabei ist, dass diese selber an den Kritikpunkten leidet, die sie gegen andere vorbringt: geringe Mitgliederzahl, mächtige Finanziers im Hintergrund und leichte Manipulierbarkeit durch Lobbys aller Art. Deren Einfluss zurückzudrängen, hat sich auch Petr NeÇcas zur Aufgabe gemacht, der den impulsiven Ex-Premier Miroslav Topolánek als Leader der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) abgelöst hat. Die schon so oft totgesagte ODS wird auch nach diesen Wahlen die stärkste Gruppe im rechten Lager bleiben. Während jedoch die einflussreichen ODS-Regionalhäuptlinge auf eine Koalition auch mit den Sozialdemokarten drängen, um nicht den Zugang zu Geld und Macht zu verlieren, hat der ideologisch sattelfestere NeÇcas diese bereits ausgeschlossen.

„Prager Kaffeehaus“-Partei

Potenzielle Koalitionspartner für beide Großparteien wären die Christdemokraten von der Volkspartei, die neben den Kommunisten als einzige auf eine ungebrochene Kontinuität seit der Vorkriegszeit, stabile Strukturen und eine noch immer verhältnismäßig große Mitgliederschaft verweisen können. Was den einen der nationalistisch verbrämte Sozialismus, ist der Volkspartei die enge Bindung an die Kirche. Ob die stabile Unterstützung aus dem bröckelnden Milieu des Traditionskatholizismus in den ländlichen Regionen Süd- und Ostmährens auch diesmal wieder für den Einzug ins Parlament reichen wird, ist allerdings fraglich. Die Neugründung TOP 09 wird ihr nämlich Stimmen aus dem Nichtkernbereich kosten. TOP 09 (Tradition, Verantwortung, Prosperität) verkörpert eigentlich das dritte politische Lager, das sich nach der Wende 1989 in Tschechien herauskristallisiert hat.

Ironisch gerne „Prager Kaffeehaus“ genannt, sammelt es vor allem unter dem jüngeren, gebildeten, urbanen Publikum Stimmen. In der letzten Periode übernahmen die Grünen deren Vertretung, rieben sich jedoch in internen Grabenkämpfen auf. TOP 09 greift in personeller Besetzung und politischer Programmatik weit in das Spektrum von ODS und Christdemokarten hinein. Als Galionsfigur tritt Karl Schwarzenberg auf. Seine große Popularität verkörpert indes auch einen Paradigmenwechsel in der tschechischen Gesellschaft: Denn dass mit ihm als (auch) Deutschsprechendem, Adeligem und Katholiken gleichsam die Verkörperung des alten „dreifaltigen“ Feindbildes der tschechischen nationalen Romantik in einer Person reüssieren könnte, wäre noch vor Kurzem kaum denkbar gewesen.

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