6974563-1985_42_08.jpg
Digital In Arbeit

Der eiserne Erfolgskurs

19451960198020002020

1979 trat Margaret Thatcher mit einem Privatisierungsprogramm die Regierung an. Seither wurden 16 Unternehmen ganz oder teilweise veräußert. Mit welchem Erfolg?

19451960198020002020

1979 trat Margaret Thatcher mit einem Privatisierungsprogramm die Regierung an. Seither wurden 16 Unternehmen ganz oder teilweise veräußert. Mit welchem Erfolg?

Werbung
Werbung
Werbung

Die konservative Regierung Großbritanniens hat offenbar das Bestreben, das Land in eine Demokratie der Aktienbesitzer zu verwandeln. Im Jahr 1979 war die verstaatlichte Industrie für zehn Prozent des Bruttosozialproduktes und für 15 Prozent der gesamten Investitionen verantwortlich. In der verstaatlichten Industrie wurden 1,5 Millionen Menschen beschäftigt. Dominierend waren Bereiche wie Transport, Energie, Kommunikation, Stahl und der Schiffsbau.

Im Parteiprogramm der konservativen Partei für die Wahlen 1979 stand die Zurückdrängung des Staates an erster Stelle, und der populärste Erfolg in diesem Bereich war der Verkauf von im Staatsbesitz befindlichen Wohnungen an ihre Mieter. Mit diesem Verkauf wurden bis jetzt 6,1 Milliarden Pfund (Umrechnungskurs 1 Pfunc = 26,3 Schilling), obwohl ein Teil des Geldes dafür verwendet wurde, den neuen Besitzern Hypothekarkredite gewährt.

Neben dem Anwerben von privaten Firmen beispielsweise im Spitalsbereich, wo diese Reini-gungs- und Verpflegungsdienste übernehmen, hat vor allem der Verkauf von großen Firmen Aufsehen erregt.

Es scheint Ubereinstimmung darin zu herrschen, daß die Repri-vatisierung ein privatwirtschaftliches Denken und Handeln herbeiführte und daß die Aussicht darauf den Vorständen einzelner Gesellschaften großzügige Entscheidungsfreiräume gewährte.

Die Fluggesellschaft British Airways hat sich nach Verlusten von 544 Millionen Pfund im Jahr 1982 in eine hochprofitable Gesellschaft verwandelt. Die Arbeitskräfte wurden dabei von 58.000 im Jahr 1979 auf heute 35.000 reduziert. Die Arbeitskräfte partizipieren darüber hinaus auch noch an einem ertragsorientierten Bonussystem.

British Telecomm, die viertgrößte Telefongesellschaft der Welt, hat ähnliche Erfolge zu verzeichnen. Die Warteliste für Telefonanschlüsse lag 1980 bei 122.000, eine Ziffer, die seit der Privatisierung 1982 bis auf 2.000 Wartende reduziert werden konnte.

Die konservative Regierung Englands hat in ihrem Bestreben der Reprivatisierung ein Ziel zu verwirklichen versucht, nämlich das nationale Eigentum unter möglichst vielen privaten kleinen Investoren zu verteilen, dabei aber zu vermeiden, daß institutionelle Anleger große Anteile erwerben. Es war anfangs die Gefahr gegeben, daß kapitalstarke institutionelle Investoren den Löwenanteil aufkaufen. Die Hälfte des gesamten Aktienbesitzes ist in Händen von Pensionsfonds, Versicherungen oder Investmentfonds. Nur ein Fünftel aller Aktien, Staatsanleihen oder staatlichen Sparbriefen war im Besitz von privaten Einzelpersonen.

Im Vergleich dazu ist es interessant festzustellen, daß rund ein

Viertel aller Erwachsenen in den USA Aktienbesitzer sind, hingegen nur sieben Prozent aller britischen Erwachsenen sich Aktionäre im weitesten Sinn nennen können.

Die ersten öffentlichen Notierungen von verstaatlichten Unternehmen haben diesen Trend noch nicht umgekehrt. Die Zahl der privaten Aktionäre beim Luftfahrzeug-Konzern „British Aerospace“ lag anfänglich bei nur 158.000 und fiel innerhalb von zehn Monaten auf 27.000 zurück, weil einige private Spekulanten ihren raschen Profit realisieren wollten.

Der Erfolg der Emission der Transportgesellschaft „National Freight Consortium“ (1982) kann nicht ganz als solcher angesehen werden. 82,5 Prozent der Aktien wurden von Angestellten dieser Firmen gekauft. Sie können ihre Anteile am freien Markt erst ab 1987 verkaufen.

Als wirklicher Erfolg kann der Verkauf (1984 50,2 Prozent der Ge-

Seilschaft) von British Telecomm angesehen werden. Er hat 2,25 Millionen individuelle Aktionäre angezogen. Nach Auskunft von Generaldirektor Sir George Jeffer-son besitzen noch immer 1,7 Millionen Menschen ihre Aktien. Ein erhöhter Anreiz liegt darin, daß nach dreijährigem Besitz eine bevorzugte Behandlung beim Verkauf der verbleibenden 49,8 Prozent der Gesellschaft in Aussicht gestellt wird. Darüber hinaus haben Telefonanschlußbesitzer eine leichte Reduktion ihrer Telefonkosten zu erwarten, wenn sie Aktionäre von „British Telecomm“ sind.

Ein wichtiger Aspekt des Repri-vatisierungsprozesses ist die Involvierung der Angestellten von einzelnen Unternehmen. Bevor die konservative Regierung Thatcher ans Ruder kam, gab es weniger als 30 Gewinnbeteiligungsformen in britischen Unternehmen. Im letzten Dezember waren es 804 Unternehmen, die ein Gewinnbeteiligungsschema für Angestellte ausgearbeitet hatten. Auch die 222.000 Angestellten von „British Telecomm“ (96 Prozent aller Angestellten) haben alle oder einen Teil der ihnen zustehenden Aktien erworben.

Staatlicher Ausverkauf?

Neue Gesellschaften, die auf den Markt kommen sollen, sind „British Airways“, weiters jene Teile von British Shipbuilder's Dock, die Kriegsschiffe bauen, sowie Teile der „National Bus Company“. Darüber hinaus hat die Regierung vor, Geld von privaten Investoren in die Gas- und Elektrizitätsindustrie zu leiten. Der Verkauf der „British Gas Corporation“ ist jedenfalls beschlossene Sache.

Frau Thatchers Privatisierungsprogramm stieß allerdings auch auf Kritik. Die Regierung wurde beschuldigt, den „Ausverkauf“ des staatlichen Beteiligungsbesitzes zu betreiben und an ihre Freunde in der City Staatseigentum billig zu verkaufen.

Weiters wird auch immer wieder auf die hohen Kosten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Staatsgesellschaften hingewiesen. So wurden rund 190 Millionen Pfund an Kommissionen und für das Marketing beispielsweise von „British Telecomm“ ausgegeben. Das ist rund zweimal soviel, als für alle anderen Aktienemissionen im Rahmen der Privatisierungswelle vorher aufgewandt wurden.

Der Autor ist Manager Securities für internationale Wertpapiergeschäfte der Londoner Zweigstelle der Girozentrale.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung