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Die Habsburger-Welle

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Die „Habsburger-Welle“ rollt ungebrochen durch die Auslagen der Buchhandlungen. Im Vorjahr hatte Brigitte Hamann ihre engagierte und mit vielen bisher unbekannten Details verarbeitete Biographie des Kronprinzen Rudolf auf den Markt gebracht. Die dort analysierten und zwangsweise nur in kurzen Zitaten enthaltenen Schriften des unglücklichen Thronfolgers gaben Stoff genug für einen weiteren, noch dickeren Band, in dem Rudolf selbst zu Wort kommt, von der Historikerin nur so weit kommentiert, als für das Verständnis notwendig ist.

Beginnend mit dem „Mahnruf an die aristokratische Jugend - Der österreichische Adel und sein consti-tutioneller Beruf' - einer anonymen Flugschrift, die in München erschien, in Wien verboten wurde und erst in den zwanziger Jahren als von Rudolf stammend „entlarvt“ wurde - über seine naturwissenschaftlichen

Schriften, für die ihm das Ehrendoktorat der Wiener Universität verliehen wurde, bis zu den „Zehn Geboten des Österreichers“ in der von ihm initiierten deutschfeindlichen Zeitschrift „Schwarz-Gelb“ -, hier entfaltet sich vor den Nachkommen, hundert Jahre später, ein Mensch, wie er den Zeitgenossen, ja selbst dem eigenen Vater, unbekannt geblieben war.

Nur von wenigen der hier ausgewählten Schriften war der Verfasser bereits zu seiner Zeit bekannt. Manche konnte die Bearbeiterin an Hand der erhaltenen Manuskripte - auch im Vergleich mit jenen Fassungen, die Moriz Szeps dann im „Neuen Wiener Tagblatt“ veröffentlichte, wenn ihm die Originalformulierungen zu scharf waren - identifizieren. Von anderen konnte sie die Autorenschaft Rudolfs nur begründet vermuten, ohne letzte Beweise zu finden.

Eingepackt in die Weitschweifigkeit des zeitüblicheri Stils finden sich hier immer wieder Ideen und Überzeugungen, mit denen Rudolf seiner Zeit um wenigstens ein halbes Jahrhundert voraus war. Brigitte Hamann verführt den Leser zum Meditieren: Was wäre geworden, wenn ...

Als Rudolf am 30. Jänner 1889 in Mayerling selbst einen Schlußpunkt setzte, war Heinrich Benedikt zwei Jahre alt - die noch in den fünfziger Jahren studierende Historikergeneration hat ihn als stets liebenswürdigen und von humorvollen Anekdoten strotzenden Lehrer schätzen gelernt. Er verbindet Jene Zeit“ mit heute.

„Damals im alten Österreich“ - das war die Zeit des Wiener Großbürgertums, des jüdischen Finanzadels und der feschen Leutnants, mit denen Benedikt auf seine Erlebnisse während des Ersten Weltkrieges überleitet und abschließt.

Der Historiker hat seine Forschungsarbeit vorwiegend der politischen Geschichte der ausgehenden Epoche der Habsburgermonarchie gewidmet, der österreichischen Herrschaft über Italien und dem Schock von 1866. In den Erinnerungen eines langen Lebens wird nun der familiär-gesellschaftliche Hintergrund dieser Zeit und dieses Landes lebendig, das man hätte erfinden müssen, wenn es nicht schon dagewesen wäre, wie ein anderer Historiker in .jener Zeit“ festgestellt hat.

Wenn im Alter von weit über neunzig Jahren die Gedanken zurückschweifen, dann bleiben sie vor allem bei der Jugend hängen, in jenen Jahren, denen man nachtrauert, an die man sich gerne erinnert So schließt auch Heinrich Benedikts Anekdotensammlung mit 1918. Was später kam, durch sechzig Jahre, Republik, Diktatur, Emigration, war nicht dazu angetan, Nostalgien als Kristallisationspunkt zu dienen - damals, im armen Österreich ...

KRONPRINZ RUDOLF. Majestät, ich warne Sie ... Geheime und private Schriften. Herausgegeben von Brigitte Hamann, Amalthea-Verlag, Wien 1979, 446 Seiten. öS 298,-.

DAMALS IM ALTEN OSTERREICH. Erinnerungen. Von Heinrich Benedikt. Amalthea-Verlag, Wien 1979, 365 Seiten, öS 228,-.

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