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Die (Ohn-)Macht im Staat

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„Ein Amt, das scheinbar niemand will": Beim „Concordia Forum" des renommierten Wiener Presseclubs am 26. April geht es um den Neuen oder um die Neue in der Hofburg. Aber auch darum, ob der Bundespräsident überhaupt weiter direkt vom Volk gewählt oder - wie bis 1951 politische Praxis - von der Bundesversammlung bestellt werden soll. Mit dem Hinweis auf Deutschland hat Wiens Bürgermeister Helmut Zilk diesen Gedanken ins Spiel gebracht.

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„Ein Amt, das scheinbar niemand will": Beim „Concordia Forum" des renommierten Wiener Presseclubs am 26. April geht es um den Neuen oder um die Neue in der Hofburg. Aber auch darum, ob der Bundespräsident überhaupt weiter direkt vom Volk gewählt oder - wie bis 1951 politische Praxis - von der Bundesversammlung bestellt werden soll. Mit dem Hinweis auf Deutschland hat Wiens Bürgermeister Helmut Zilk diesen Gedanken ins Spiel gebracht.

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Die Abkehr von der Volkswahl des Bundespräsidenten und die Rückkehr zu seiner Kür durch die Bundesversammlung (Anm.: National- und Bundesrat), für Helmut Zilk eine „sehr gescheite Lösung", hält ÖVP-Klubobmann Heinrich Neisser im Gespräch mit der FURCHE für eine „vollkommen unausgegorene Idee". Und in einem Punkt treffen sich eigentlich, wenn auch mit unterschiedlichen Nuancen, Repräsentanten aller heute im Parlament vertretenen Parteien: Voraussetzung für eine derartige Änderung im Wahlmodus wäre eine verfassungsrechtliche „Entmachtung" des Amtes.

Für Nationalratspräsident Heinz Fischer heißt das: „Die heutige Kompetenzausstattung des Amtes des Bundespräsidenten ist mit der Volkswahl eng verknüpft - und umgekehrt." Daher würde für ihn „das Abgehen von der Volkswahl eine über diese Frage hinausgehende Verfassungsänderung" voraussetzen, was er gegenüber der FURCHE auch beispielhaft illustriert: „Ein Bundespräsident, der den Nationalrat auflösen kann, soll nicht vom Nationalrat gewählt werden."

Gegen die Personalisierung?

Andere Modelle unter anderen Verhältnissen - „keine Variante ist ohne Wenn und Aber zu verwerfen" aber: „Die Argumente für die Volkswahl überwiegen" für ihn, wenn auch erst seit 1951 praktiziert, obwohl schon seit 1929 verfassungsmäßig festgeschrieben. Und in der Vor-Verfassung des Jahres 1920 war das Amt vergleichsweise zahnlos.

Bei der anderen Struktur und der geänderten demokratischen „Balance" durch die Verfassungsnovelle 1929 hakt auch VP-Verfassungsexperte Neisserein. Denn das ursprüngliche „Konzept des Jahres 1920 war das einer radikalparlamentarischen Demokratie", das daher 1929 bewußt geändert worden ist. Nur eine Änderung der Gesamtverfassung, in der die Stellung des Bundespräsidenten neu definiert wird, und zwar eher in Richtung repräsentatives Organ", würde ein Abgehen von der Volkswahl erlauben, wobei Neisser aus seiner persönlichen Präferenz kein Hehl macht: „Ich bin dafür, bei der derzeitigen Regelung zu bleiben."

Vehement für die weitere Volkswahl spricht sich auch Heide Schmidt, Dritte Präsidentin des Nationalrates und als FPÖ-Kandidatin für das höchste Amt im Staat im Gespräch, aus. Über schwerwiegende verfassungsrechtliche Aspekte hinaus - „da geht es, wenn man nur an die Möglichkeit denkt, den Nationalrat oder Landtage auflösen zu können, um Kompetenzen, wo eine größtmögliche Legitimation notwendig ist und eine durch die Bundesversammlung einfach nicht ausreicht" - zählt für sie das demokratiepolitische Argument. „In einer Zeit, in der dem Persönlichkeitswahlrecht zum Durchbruch verholfen werden muß, sollen wir nicht gerade beim Bundespräsidenten einen Rückschritt machen. Es ist gut, wenn der Bundespräsident vom Vertrauen der Bevölkerung getragen und nicht von ,Wahlmännem' abhängig ist", betont sie gegenüber der FURCHE. Sie sehe „keinen Anlaß, von der Volkswahl des Bundespräsidenten abzugehen -

ich würde das als Rückschritt empfinden". Bei einer Wahl durch die Bundesversammlung, der sie nichts abgewinnen kann, „würd' ich ihm Kompetenzen wegnehmen wollen".

Eine Zielsetzung, der sich der Grüne Peter Pilz verschrieben hat, weil er das Amt des Bundespräsidenten überhaupt nicht für mit der „Struktur der parlamentarischen Demokratie" vereinbar hält. „Wenn man das Amt nicht gleich abschafft", meint er im FURCHE-Gespräch, „sollte man es auf ein erträgliches Maß" mit sehr eingeschränkten Vollmachten - und damit auf eine repräsentative Funktion - reduzieren. Dann genüge auch eine Wahl durch die Bundesversammlung. Mit anderen Worten: Zurück zur Konstruktion vor 1929.

Praxis erst seit 1951

In ihr war der Bundespräsident allerdings politisch nicht mehr als „ein Dekorum mit Repäsentationspflichten und damit eine Erinnerung an die Monarchie in der nüchternen republikanischen Staatsordnung" (Manfried Welan). Aber auch der Verfassungskompromiß des Jahres 1929 - in dem erst dem Staatsoberhaupt, verbunden mit der Volkswahl, weitgehende Kompetenzen eingeräumt worden sind - wurde erst 1951 politische Praxis.

Weil die Verfassungstheorie auch in der Zweiten Republik Papier geblieben ist, war es FURCHE-Gründer Friedrich Funder, der nach dem Tod von Karl Renner vehement vor der Neuwahl 1951 in einem Leitartikel „gegen Ausnahmen von den Grundsätzen der Verfassung" an- und für die Durchsetzung der Volkswahl gekämpft und schließlich den Meinungsumschwung auch herbeigeführt hat. Erfolgreich: Theodor Körner wurde als Bundespräsident nach Volkswahl - vor vier Jahrzehnten - am 21. Juni 1951 angelobt.

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