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Die Umkehr eingeleitet?

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In Brasilien bestellte der neue Präsident Fernando Collor de Mello den prominenten Regen- waldschützer Jose Lutzenberger zum Umweltminister. Der deutsch-brasilianische Agrar- chemiker ist seit mehr als 20 Jahren Brasiliens prominente- ster Umweltkämpfer. Mit einer Kampagne gegen Ackergifte wurde er zum „Grünen Gewis- sen Brasiliens", er entwickelte Recyclingprojekte für Müll und Abwasser von Großkonzernen und setzte sich viele Jahre lang mit dem ermordeten Chico Men- des für den Regenwald ein.

Er unterstützt die Organisa- tionen der brasilianischen India- ner, Kleinbauern und Arbeiter, die vom Ausverkauf an die „zivi- lisierte" erste Welt direkt be- troffen sind. Mit scharfer Kritik an den Praktiken multinationa- ler Konzerne und Attacken ge- gen korrupte Politiker im eige- nen Lande sparte er auch bei seinen zahlreichen Amerika- und Europareisen nicht. Dabei ap- pelliert er nicht nur an das „öko- logische Gewissen" der Über- flußgesellschaft. Er malt in dra- stischen Farben die Folgen der Regenwald-Abholzung auch für das europäische Klima: „Die phantastische Klimamaschine Regenwald steuert das Wetter- geschehen des ganzen Planeten. Es muß also auch die Europäer interessieren, was sie mit ihrem Überfluß verursachen, denn jede geringste Veränderung des Welt- klimas spürt Ihr Europäer zu- erst!"

Daran, daß die Überproduk- tion der westlichen Welt auf dem Rücken südamerikanischer Kleinbauern produziert wird, ließ Lutzenberger keinen Zwei- fel. „Milchseen und Butterberge der EG werden von Rindern produziert, die mit brasiliani- schem Tapioka und Soja gefüt- tert werden. Das zerstört die brasilianische Landwirtschaft, und auch die europäischen Kleinbauern können nicht mehr überleben."

Lutzenberger konnte in den letzten Jahren die Manager von so manchem Umweltsünder im Süden Brasiliens von der Wirt- schaftlichkeit teurer Recycling- technologien überzeugen. In Bra- silien steht heute das modernste und sauberste Zellstoffwerk der Welt, das unter seiner Planung umgestellt wurde. Doch blieb er gegenüber der Politik skeptisch. Um so mehr überraschte sein Entschluß, das Amt des Umwelt- ministers anzunehmen.

Die Befürchtung, dieses könn- te ihn „entschärfen", hat sich bisher nicht erfüllt. Er kündigte gleich bei seiner Amtsübernah- me an, die geplante Straße durch das Amazonasgebiet zu verhin- dern, weil er nicht für japani- sche Konzerne einen Trampel- pfad zur Regenwaldzerstörung anlegen wolle.

In den brasilianischen Medien wird seine erste Auslandsreise nach Washington positiv kom- mentiert. Er habe dort mit Prä- sident Bush Verhandlungen ge- führt, um die horrende Auslands- verschuldung Brasiliens in ein Regenwaldbudget umzuwan- deln. Die harten Kämpfe mit den Großgrundbesitzern um Auffor- stungsprojekte und mit multi- nationalen Konzernen um Re- duzierung des Rohstoffabbaus stehen aber erst bevor.

Daß Präsident Collor de Mello die Absicht hat, die Regenwald- zerstörung aufzuhalten, bewies er mit seiner ersten Reise direkt ins Siedlungsgebiet des vom Aussterben bedrohten Yanoma- mi-Stammes. Flugpisten in de- ren Siedlungsgebiet wurden auch bereits gesprengt. Ob das ein Medienspektakel bleibt oder ob Lutzenberger seinen harten Kurs der Umkehr politisch durchsetzt, können auch Brasi- lienkenner noch nicht beurtei- len. Es wird nicht zuletzt vom politischen Überleben des neu- en Präsidenten abhängen.

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