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Fußball-Lehre
Der Fußball ist ein bedeutsamer Lehrmeister. Er hüpft uns vor, wie's möglicherweise weitergeht: in der Politik und überhaupt. Die Weltmeisterschaft in Italien läßt Entwicklungstendenzen klar erkennen.
Zunächst einmal scheint die Zeit der nationalen Kriege im F1!-ßball vorbei zu sein. In der hochentwickelten zivilisierten Welt sorgen die hochbezahlten Ballartisten dafür, daß auch die Idee des Nationalismus durch das Geld ad absurdum geführt wird. Wenn's irgendwie geht, verkaufen Vereine ihre besten Spieler ins Ausland und nur zu besonderen Gelegenhf?iten kehren diese befristet heim ins Nationalteam. Dieses wiederum bietet Gelegenheit, aufstrebende Spieler wachsamen potentiellen ausländischen Käufern vorzuführen. So werden die Helden der Nation vom Ausland bezahlt. Ein paar der besten Italiener sind eigentlich Deutsche, beim AC Mailand sind drei Holländer die Spielmacher und Turin protzt mit einem RussenDuo. Der Argentinier Diego Maradona, der etwa 1 68 Millionen Schilling gekostet hat, spielt· für Neapel und w\rd daher in Mailand ausgepfiffen. Das läßt den Schluß zu, daß der Nationalstaat, ohne Umweg über die Kleinstaaterei, vielleicht wieder vom Stadtstaat abgelöst wird.
In Österreich bietet der Fußballsport dem ORF die Möglichkeit, seinen Bildungsauftrag zu erfüllen: In . den Sportnachrichten wird immer glückstrahlend aufgelistet, welcher unserer Spieler bei welchem ausländischen Verein ein Tor geschossen hat. So wird dezent Nachhilfe in Geographie gegeben.
Manchmal freilich gibt es noch ·Rückfälle, etwa wenn Neofaschisten in Südtirol meinen, ein italienischer Sieg im Fußball habe etwas mit einem Sieg über die deutsche Sprachgruppe .zu tun - oder wenn ein Holländer einen Deutschen bespuckt. Und dies gleich zweimal, wie im Fernsehen etwa 73 mal gezeigt wurde. Durch diese Intensivberichterstattung wurde allmählich aber · erkennbar, daß es sich bei dem menschlichen Lama um einen Farbigen gehandelt hat, der möglicherweise nur ein verständliches rassistisches Bedürfnis stillte. Keine Rede von Nationalismus also.
So ließen sich noch mancherlei Schlüsse aus dem dramatischen Fußballgeschehen ziehen: Die Hooligan-Horden zum Beispiel könnten sich internationalisieren und uns als marodierende Kriegerverbände in Friedenszeiten den Sinn für die fortschreitende geistige Militarisierung schärfen, während die Militärblöcke abgeba11t werden. Daß die Großmächte USA und UdSSR, neben Österreich, schon in der Vorrunde der WM ausgeschieden sind, wird auch nicht ohne Bedeutung für die Zukunft sein.
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