Corona: „Mind your hands!“

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In der Zeit der "neuen Normalität" ist es sinnvoll, die eigenen Hände zum Objekt einer Achtsamkeitsübung zu machen.

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In der Zeit der "neuen Normalität" ist es sinnvoll, die eigenen Hände zum Objekt einer Achtsamkeitsübung zu machen.

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In einer Aussendung der Universität Harvard wird der Epidemiologe Marc Lipsitch mit folgenden Worten wiedergegeben: „Wir haben ein Rettungsboot erklommen. Unklar ist, wie wir ans andere Ufer kommen.“ Dieses vielsagende Bild ist natürlich auf die Corona-Krise gemünzt. Zu erwarten ist jedenfalls, dass wir noch längere Zeit in diesem Boot sitzen werden: Von der „neuen Normalität“ zur wirklichen Normalität scheint es noch ein weiter Weg zu sein. So wie die Harvard-Forscher gehen auch österreichische Experten davon aus, dass es frühestens 2022 oder 2023 wieder einen normalen Alltag geben wird.

In dieser Zeit könnte ein anderes metaphorisches Rettungsboot hilfreich sein: Vor rund 2500 Jahren hat Siddhartha Gautama­ – später als „Buddha“ bekannt – seine Lehre als Boot bezeichnet, mit dem man sicher von einem Ufer (der Verstrickung in der Sinneswelt) zum anderen (der Befreiung in Nirwana) übersetzen könne. Doch wir müssen in der Corona-Krise keineswegs Buddhisten werden, um von diesem Boot zu profitieren. Es reicht bereits ein zentrales Element aus dieser Weisheitslehre: die Achtsamkeit. Und die ist ja schon längst als universelles Prinzip der Geistesschulung in der Wissenschaft und Therapie verankert.

Eventuell kontaminierte Hände von den Schleimhäuten fernzuhalten, kann in dieser Übergangsphase zum Achtsamkeitstraining werden.

Achtsamkeit ist die Übersetzung des ­Pali-Begriffs „Sati“, und das heißt eigentlich „Erinnerung“. Im buddhistischen Kontext geht es darum, sich stets daran zu erinnern, Geistesgegenwart und andere heilsame Qualitäten zu kultivieren. In Zeiten von ­Corona lässt sich diese Fähigkeit gut auf andere Bereiche übertragen: zum Beispiel sich stets zu besinnen, Abstand zu halten und auf die eigenen Hände zu achten. Zwei Achtsamkeitsübungen drängen sich hier auf: erstens beim gründlichen Händewaschen, zumindest für 20–30 Sekunden. Zweitens geht es nun darum, eventuell kontaminierte Hände von den Schleimhäuten fernzuhalten.

Sich mit den Händen ins Gesicht zu fahren ist eine tief verankerte, unbewusste Gewohnheit. Studien zufolge geschieht dies bis zu 20 Mal pro Stunde. Wer hier Achtsamkeit übt, bringt seine Hände unter Kontrolle. Menschen, die in Asien ein traditionelles Meditationsseminar besucht haben, werden von ihren Lehrern oft angewiesen, nicht auf Mückenstiche zu reagieren: kein leichtes Unterfangen, wenn man in der tropischen Abenddämmerung im Mückenschwarm sitzt. Doch die Übung soll zeigen, dass man aus einem Mückenstich regelrecht einen Elefanten machen kann – und die eigentliche Empfindung gar nicht so schlimm ist, wenn man nicht automatisch mit Aversion reagiert.

Achtsamkeitsübung muss aber kein Elchtest sein. Für unsere Zwecke reicht es, kleine Irritationen bewusst wahrzunehmen und zu entscheiden, ob man sich kratzen will oder nicht. Man kann dies ja auch mit dem Handrücken tun oder einen Pullover über die Hand stülpen – achtsam und bedächtig. In diesem Sinne: Rudern Sie gut hinüber!

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