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Lehrpläne sind im steten Wandel

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Noch zwei Jahre, dann sind die Schulversuche abgeschlossen. 1989 bekommen die fünften Klassen der Allgemeinbildenden Höheren Schulen Anschluß an die aufsteigenden Unterstufen-Lehrpläne. Damit ist die Umstellung auf die „Neue Oberstufe“ vollzogen. Dieser Struktur der Lehrpläne müssen Schulbücher und Stundentaf ein erst angepaßt wer-“ den. Aber „in den letzten zwei Jahren wird sieh nicht mehr viel ändern“, meint der im Unterrichtsministerium für die Versuchslehrpläne zuständige Ministerialrat Erich Benedikt.

Seit 1971 werden die Versuchslehrpläne an zwanzig Schulen, an denen sich engagierte Lehrer dazu bereit erklärt haben, ausprobiert. In dieser Zeit ist in Schule und Gesellschaft einiges anders geworden — was sich auch auf die Lehrplanphilosophie auswirkt. Zum Beispiel in “Geschichte: In der Anfangsphase glaubte man, die Chronologie durch Thematik ersetzen zu müssen. Benedikt, fünfzehn Jahre später: „Das hat sich nicht bewährt.“ Es zeichnet sieh eine Synthese ab: „Eine stärkere thematische Gliederung als in den traditionellen Lehrplänen, nicht mehr der Durchmarsch durch die Jahrhunderte.“

Daß noch immer das Entrümpeln der Lehrpläne gefordert, die Uberbetonung der Dynastien und Kriegsgeschichte kritisiert wird, legt die Vermutung nahe, daß es mehr an den Pädagogen als an den Plänen liegt, wenn neue Perspektiven sich nicht auswirken. In den neuen Lehrplänen haben früher vernachlässigte Bereiche wie Frauengeschichte oder Alltagsgeschichte Platz. Die — besonders im städtischen Bereich geforderten-Freiräume für Lokal- und Regionalgeschichte sind vorhanden. „Die Konkretisierung ist dem Lehrer vorbehalten“, sagt Benedikt, „Die Schüler können und sollten da im Interesse der Klasse mehr Einfluß ausüben“.

Daß die Lehrpläne in Geschichte für die Zehn- bis Vierzehnjährigen in Hauptschule und AHS identisch sind, hat — so heißt es — nichts mit der vielzitierten „Nivellierung nach unten“ zu tun. Auch dieselben Bücher lassen sich verschieden einsetzen. Frü-

her hatten die Hauptschüler in der ersten Klasse nur eine, später zwei Wochenstunden Geschichte. Die AHS-Schüler begannen in der zweiten Klasse mit drei Wochenstunden, die sich dann auf zwei reduzierten. Jetzt gilt dieses Modell für beide Schultypen, und das letzte Relikt der „Einstundenfächer“, die sich als ungünstig erwiesen, ist beseitigt.

Einen anderen Vorwurf, nämlich den, daß man die ganze Geschichte in der Oberstufe nochmals lernen müsse, entkräftet Be-

nedikt ebenso wie Walter Den-scher. Der Historiker Denscher ist im Unterrichtsministerium für die Approbation der Schulbücher verantwortlich: „In der Unterstufe werden von der Gegenwart ausgehend geschichtliche Entwicklungen zurück verfolgt. Es geht um die anschauliche Darstellung einzelner Szenen und Epochen, weil den Schülern der Uberblick noch nicht möglich ist.“ Jeder zweite Hauptschüler besucht keine weiterführende Schule. Die Schüler der Oberstufe aber, die schon ein Gespür für historische Zusammenhänge haben und nicht mehr Großvater, Napoleon und Cäsar in einen Topf werfen, lernen nun chronologisch und thematisch, was sich seit der Urgeschichte getan hat.

Eine erstrebenswerte interdisziplinäre Verknüpfung von Geschichte und Literatur ist nur dort möglich, wo ein Lehrer beides unterrichtet. In der fünften Klasse hat man zwar Geschichte, aber keine Literaturkunde. In Deutsch wird nur eine Einführung in die literarischen Gattungen gegeben, ohne Beispiele und ohne Geschichte. Man verwendet Sprachbücher und Lesebücher. Das chronologisch-thematische Durchgehen der Klassiker und Modernen beginnt in der 6. Klasse, wobei der Literatur ein Vorsprung von einem Semester bleibt. In den Schulbüchern zeigt sich deutlich der Unterschied zum Lehrplan vor 1970. Das Literatur-Standardwerk Herbert Pochlat-

ko-Karl Koweindl wurde praktisch zu einem neuen Buch umgearbeitet.

Ein Oberstufen-Schüler

braucht eine ganze Reihe von Deutschbüchern: Ein Lesebuch mit Literaturbeispielen, ein Sprachbuch zur Stilistik, ein Nachschlagewerk zur Literaturkunde aus mehreren Bänden, die gleichzeitig ausgegeben werden. Der Deutschunterricht teilt sich in Sprechen, Schreiben und Lesen - wobei der Anteil der einzelnen Sparten nicht festgelegt ist und sich ständig verändert. Der praktische Trend der letzten Zeit geht zur Diskussion samt Protokollführung und zu Lasten des Lesens. Damit das Rechtschreiben nicht zu kurz kommt, wurde die Stundenzahl sogar aufgestockt.

Veränderte Schwerpunkte erfordern neue Schulbücher. So erscheint — vorerst mit der Zielgruppe Berufsbildende Schulen — eine Kombination zwischen Literaturkunde und Lesebuch unter dem Titel „Wort und Zeit“. Um die guten alten Reclam-Hefte kommt auch die nächste Schüler-Generation nicht herum. Der neue Lehrplan sieht die Beschäftigung mit „Ganzschriften“ vor, die im Unterricht oder zu Hause gelesen und gemeinsam besprochen werden. Für weitergehend Interessierte gibt es in der Oberstufe den Freigegenstand Literaturpflege.

Auf dem GeSiet der Freifächer erwächst der Kultur allerdings Konkurrenz durch den Computer. Informatik ist in der Unterstufe (HS und AHS) Pflichtfach, im Polytechnischen Jahrgang Unverbindliche Übung und nach der 5. AHS fächerübergreifender Freigegenstand. Hier gibt es auch Lernprogramme in den Sprachen —'allerdings weniger in Literatur als in der Rechtschreibung. Statt lange Vokabellisten abzuschreiben, werden falschgeschriebene Wörter „abgeschossen“ wie bei anderen Computerspielen Vögel oder Feinde. Ein Programm nennt sich aggressiv: „Wörter greifen

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