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Schicksalswahlen in Niedersachsen

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Am 15. Juni finden in Niedersachsen Landtagswahlen statt. Es geht dabei nicht nur um die Zusammensetzung des nächsten Landtags und damit um die Entscheidung, wer Ministerpräsident in diesem Lande wird, sondern auch um die künftigen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Sollte die CDU ihre Position in diesem Bundesland verlieren, so hat das nicht nur Auswirkungen auf die Regierungsarbeit für den Rest der Legislaturperiode des Bundestags, sondern auch auf eine mögliche personelle Kurskorrektur der CDU/ CSU für die nächsten Bundestagswahlen.

1982 erhielt der jetzige Ministerpräsident von Niedersachsen, Hans Albrecht, die absolute Mehrheit an Stimmen, was sicherlich auch auf den damals sich vollziehenden Auflösungsprozeß der sozial-liberalen Koalition unter Helmut Schmidt zurückzuführen war.

Rein äußerlich wirkt Albrecht durch sein immer lächelndes Gesicht sympathisch, hat aber dieses Vertrauenskapital auch für eine solide Arbeit in Niedersachsen genutzt und im Norden der Bundesrepublik eine gewisse Popularität erreicht. Wegen des starken katholischen Uberhangs in den Unionspartei-

en war dies für die CDU wichtig, denn im Protestanten Albrecht konnte man Attraktivität bei den Evangelischen erreichen, die ansonsten politisch eher zur SPD tendieren.

Die SPD hat als Spitzenkandidaten für Niedersachsen den ehemaligen JUSO-Vorsitzenden Gerhard Schröder nominiert. Er rangiert in der Beliebtheitsskala zwar weit unter Albrecht, konnte jedoch die SPD aus dem Tief der letzten Jahre herausholen.

Nimmt man die Meinungsumfragen der letzten Zeit ernst, so liegen SPD und Grüne sowie CDU und FDP ungefähr gleich auf, was ein Kopf-an-Kopf-Rennen bedeuten würde. Dieses Absinken der CDU unter Albrecht nach den bisherigen Erfolgen verwundert, denn landespolitische Gründe dürften hier nicht ausschlaggebend sein.

Es sind daher bundespolitische Ursachen für diese Trendumkehr verantwortlich zu machen. Obwohl durch die wirtschaftliche Stabilität (im April und Mai gab es in der BRD eine „Minus-Inflation“!) und durch die Steuerreform weite Kreise der Bevölkerung profitieren, ist das Problem der Arbeitslosigkeit noch immer nicht gelöst worden. Außerdem hat es

die Bonner Koalition noch immer nicht verstanden, ihre zweifellos ordentlichen Erfolge zu verkaufen. Hinzu kommt noch die seit langem schon andauernde Demontierung der Person Helmut Kohls, die offenbar langsam auch in der CDU zu greifen beginnt, wobei Finanzminister Gerhard Stoltenberg in letzter Zeit verstärkt als Nachfolger genannt wird.

Geht Niedersachsen verloren, dann kippt auch die Mehrheit der Union im Bundesrat. 1982, als Kohl die Regierung übernahm, stand es im Bundesrat 26:15 für die Unionsparteien. Im vergangenen Jahr ging das Saarland verloren, so daß es nur mehr 23:18 für die Union steht. Verliert Hans Albrecht, dann besitzt die SPD im Bundesrat eine Mehrheit von 23 zu 18.

Durch Tschernobyl ist vieles anders geworden. Verfolgt man die Medien, so hat man manchmal den Eindruck, es gab nicht in der Sowjetunion, sondern mitten in Deutschland eine Atomkatastrophe. Jedenfalls haben die stagnierenden Grünen wiederum Aufwind bekommen. Deren Abschneiden in Niedersachsen, sowie das der FDP, wird mit entscheidend sein.

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