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Sichtbarwerden der Gemeinschaft

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Aufmerksamen Lesern der FURCHE-Sakramente-Serie wird diesmal ein Widerspruch zum Beitrag „Firmung“ (FURCHE 24/ 1986) auffallen. Anlaß für eine Leserdiskussion?

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Aufmerksamen Lesern der FURCHE-Sakramente-Serie wird diesmal ein Widerspruch zum Beitrag „Firmung“ (FURCHE 24/ 1986) auffallen. Anlaß für eine Leserdiskussion?

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Betrachtet man das Verhältnis zwischen den Kirchen des Ostens und der Westkirche hinsichtlich des Verständnisses der Eucharistie, so ist auch hier an Stelle des Trennenden das Einende getreten. Hatte früher die römisch-katholische Kirche sich ausschließlich auf die Einsetzungsworte als die Konsekrationsworte konzentriert, durch deren Aussprechen die „Wandlung“ zustande kommt, und die Lehre des Ostens, daß der

Bitte um das Wirken des Heiligen Geistes entscheidende Bedeutung zukommt, verurteilt und zurückgewiesen, so hat sich auch in dieser Einstellung viel geändert.

Gewiß kommt auch nach unserem heutigen Verständnis dem Einsetzungsbericht entscheidende Bedeutung zu, aber nicht in dem Sinn, daß der Priester damit eine „Konsekrationsgewalt“ ausübt, sondern daß damit das Tun Christi inmitten der feiernden Gemeinde gegenwärtig wird. Dies kann aber nicht anders als durch das Wirken des Heiligen Geistes geschehen: Nicht der Mensch verfügt über Christus, sondern die Gemeinde wendet sich bittend an Gott, daß sein Geist die Gaben von Brot und Wein mit seiner Kraft erfülle, damit sie uns zum Leib und Blut Christi werden.

Auch hier hätte die dogmatische Theologie nur die Texte der Eucharistischen Hochgebete und der Kirchenväter beachten müssen, und so manche Glaubenskämpfe wären der Kirche erspart geblieben. Heute wissen wir wieder bewußter, daß alles Leben der Kirche vom Wirken des Heiligen Geistes getragen ist; erst recht dann die Mitte dieses Lebens, die Gegenwärtigung des Heilshan-delns Christi in der Feier der Eucharistie.

Unsere neuen Hochgebete betonen dies klar und deutlich, wenn sie an Gott, den Vater, die Bitte richten, daß er die Gaben von Brot und Wein mit der Kraft des Heiligen Geistes erfülle, damit sie uns zum Leib und Blut Jesu Christi werden. Wir brauchen uns daher heute nicht mehr darum zu streiten, ob der Einsetzungsbericht oder die Bitte um den Heiligen Geist die Gegenwärtigung des Heilsgeschehens von Tod und Auferstehung Jesu Christi bewirkt, denn beides ist wesentlich: die Gemeinde begeht das Gedächtnis des Herrn, indem sie sagt und tut, was Christus gesagt und getan hat. Wie aber das Heilsereignis der Menschheit Christi durch das Wirken des Geistes Gottes zustande kam, so auch dessen Gegenwärtigung in der Eucharistie.

Die Kirche kann letztlich Gott nur danken für das, was er in Jesus Christus uns geschenkt hat. Sie tut dies, indem sie der Heilsereignisse gedenkt, besonders des Todes und der Auferstehung des Herrn. In diesem Gedenken wird es auch gegenwärtig durch das Wirken des Heiligen Geistes, den die feiernde Gemeinde vom Vater erbittet. Die Eucharistiefeier ist nicht ein quasi magisches Geschehen, bei dem durch das Aussprechen bestimmter Worte Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt werden, sondern das dankende Gedenken der christlichen Gemeinde, die dann weiß, daß ihr durch das Wirken des Geistes Gottes das Heilsgeschehen gegenwärtig wird; und dies kommt im Eucharistiegebet in seiner Gesamtheit zum Ausdruck.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Verständnis des Sakramentes der Eucharistie ist die Gewißheit des Glaubens, daß hier wie nirgends sonst sich die Kirche als Heilsgemeinschaft erlebt. Dies zeigt sich schon darin, daß die Eucharistie krönender Abschluß des gesamten Eingliederungsprozesses in die Kirche ist.

Für die gesamte Kirche des Altertums und für die Kirchen des Ostens bis heute ist die Ersteucharistie, die Erstkommunion, nach den Sakramenten der Eingliederung (Taufe und Firmung) das Sakrament des Eingegliedertseins: in einer Feier werden Taufe, Firmung und Ersteucharistie begangen. Auf dem Hintergrund dieser Theologie und Praxis ist unsere derzeitige westliche Praxis total verkehrt und theologisch falsch, wenn bei uns die Abfolge der Sakramente in der Regel lau-

tet: Taufe — Bußsakrament — Eucharistie - Firmung.

In der Neuordnung der Liturgie wurde zumindest im Fall der Aufnahme von Erwachsenen oder Heranwachsenden die richtige Reihenfolge wiederhergestellt, insofern in einer Feier Taufe, Firmung und Ersteucharistie zu begehen sind. Daß aber die gängige Praxis, die in totalem Widerspruch zur Theologie der Kirchen des Ostens und der Gesamtkirche

des Altertums steht, einer dringenden Uberprüfung bedarf, wird uns langsam bewußt. Die Eucharistie ist deshalb Sakrament des Eingegliedertseins, weil ihre Feier die Gemeinschaft mit Christus sowie mit allen, die mit Christus verbunden sind, bekundet.

Der Apostel Paulus drückt dies so aus: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib, denn wir alle haben

teil an dem einen Brot“ (1 Korinther 10/16f.).

Die Gemeinschaft mit Christus in der Feier des Mahles und im Empfang des Brotes bedeutet Gemeinschaft mit allen, die an diesem Brot teilhaben. Wiederum werden wir auf die religiös geprägten jüdischen Mahlfeiern verwiesen, bei deren Eröffnung der Hausvater ein Brot bricht und allen Teilnehmern davon reicht. Durch das Essen von einem Brot wird die Mahlgemeinschaft begründet und bekundet.

Wenn in den Einsetzungsberichten des Neuen Testamentes und der Liturgie betont wird, daß Jesus das Brot brach und den Jüngern reichte, wenn die älteste Bezeichnung der Eucharistiefeier „Feier des Brotbrechens“ lautet (siehe Apostelgeschichte 2/42,46 und anderswo), dann soll darin

die einheitsstiftende und ein-heitsbezeugende Bedeutung der Eucharistie ausgedrückt werden.

Die Kirchen haben bisher die Eucharistie eher nur als Ausdruck der vollendeten Einheit verstanden und daher von ihnen getrennten Christen die Teilnahme an der Eucharistie verwehrt. Auch hier zeichnet sich ein Wandel ab, insofern die katholische Kirche in ihren Rechtsbestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Zulassung zur vollen Mitfeier des Herrenmahles gestattet; dies gilt besonders hinsichtlich der Kirchen des Ostens, aber auch gegenüber den Kirchen der Reformation.

Wenn in den wesentlichen Glaubensaussagen Ubereinstimmung besteht und Christen sich versammeln, um des Herrn und seines Heilshandelns in der Feier des Mahles zu gedenken und dadurch seinen Auftrag zu erfüllen, dann haben wir im Grunde genommen kein Recht, einander die Gemeinschaft dieses Mahles zu verwehren: die Einheit mit Christus muß zur Einheit der Christen führen. Das Sakrament der Eucharistie ist nicht nur Zeichen der Einheit, sondern begründet und bewirkt auch Einheit.

Wenn heute immer wieder vom Skandal des Getrenntseins der

Christen gesprochen wird, so gilt dies vor allem vom Getrenntsein in der Feier des Herrenmahles. Es ist nicht verwunderlich, daß unter den Christen der verschiedenen Kirchen das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und der Einheit im Grundverständnis des1 christlichen Glaubens wächst und dementsprechend ein Verbot „eucharistischer Gastfreundschaft“ auf immer geringeres Verständnis stößt.

Noch in einem anderen Sinn ist die Eucharistie Sakrament der Gemeinschaft. Wir waren es durch Jahrhunderte gewohnt, ihre Feier vor allem der Person des Priesters zuzuordnen: er spricht die Wandlungsworte, er vollzieht das Meßopfer, er hat die Konsekrationsgewalt; die Gemeinde war eher zu einer passiven Rolle verurteilt, sie hatte — wie man oft sagte — in Andacht der Messe beizuwohnen.

Dieses Verständnis hat sich gewandelt, die erneuerte Liturgie spricht davon, daß die Gemeinde unter der Leitung des priesterlichen Vorstehers die Eucharistie

feiert: die Gemeinde in ihrer Gesamtheit handelt, sie dankt, lobt und preist Gott den Vater, sie begeht das Gedächtnis des Herrn Jesus Christus, sie bittet um das Wirken des Heiligen Geistes, und sie wird eins mit der Opfergesinnung Jesu Christi und kann so mit ihm sein Opfer darbringen.

Wiederum ist auf die Texte der Meßliturgie, vor allem der Eucharistischen Hochgebete zu verweisen, die alle in der Wir-Form gehalten sind. Sie sind Gebete der gesamten Gemeinde, die unter der Leitung des Priesters steht, der im Namen der Gemeinde spricht und handelt. Das ist keine Abwertung des Amtspriesters und seiner Aufgabe im Leben der Kirche, sondern eine Aufwertung der Gemeinde, eine Aufwertung des Christseins aller Getauften, die aufgrund ihrer Eingliederung in Christus auch an seinem Priester-tum und an seiner Würde teilhaben.

Die Feier der Eucharistie ist Aufgabe aller, das zeigt sich zum Beispiel in der Rollenverteilung und in der aktiven Beteiligung der Gemeinde an der Gestaltung der Eucharistiefeier. Von dieser Mitverantwortung darf niemand ausgeschlossen werden, es sei denn, daß einer sich selbst durch schuldhaftes Verhalten davon ausschließt. Jeder Dienst und jedes Mitwirken ist wahrer liturgischer Dienst und Ausdruck der Würde des gemeinsamen Prie-stertums. Dem priesterlichen Dienstamt kommt eine unverzichtbare Aufgabe zu, da es keine Gemeinde ohne seinen Dienst geben kann und er Christus, das Haupt der Gemeinde, repräsentiert.

Das Mysterium der Eucharistie ist damit das Mysterium der feiernden Gemeinde und letztlich der Kirche, die das priesterliche Volk ist, das sein Leben aus der Gemeinschaft mit Christus, dem einzigen Priester des Neuen Bundes, bezieht. Eucharistie ist daher nicht ein Sakrament der Kirche, sondern das Sakrament, welches das Mysterium der Kirche begründet, bewirkt und bekundet

Der Autor ist Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Salzburg.

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