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Die Neuordnung erst vorbereitet

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Alle kirchenamtlichen Äußerungen weisen aber deutlich darauf hin, daß damit die Erneuerung der Liturgie noch nicht zum Abschluß gekommen ist, sondern daß durch diese Maßnahmen eine grundlegende Neuordnung erst vorbereitet werden soll. Das zu bedenken ist sehr wichtig, denn so groß der Schritt ist, der nun getan wird, so dankbar man sein muß für ihn, so ist doch das, was jetzt getan wird, lange nicht alles.

Die Frage der Gottesdienstsprache wird erst dann zufriedenstellend gelöst sein, wenn die Möglichkeit besteht, die gesamte Messe in der Volkssprache zu feiern, und zwar einschließlich Präfation und Kanon. In einigen mit Rom unierten Riten des Ostens ist das seit eh und je so üblich. Es scheint heute nicht mehr nötig, alle Argumente für den Gebrauch der Volkssprache in der Liturgie zu wiederholen. Sie sind jahrelang immer wieder vorgetragen worden, und zwar so überzeugend, daß das Konzil ihnen sein Ohr nicht verschließen konnte.

Daß Präfation und Kanon vorderhand noch lateinisch bleiben, ist für den Augenblick richtig. Denn an diesem Teil der Liturgie ist es mit einer bloßen Ubersetzung nicht getan. Der Kanon unserer heutigen lateinischen Liturgie ist ein ehrwürdiges Gebilde. Er trägt den Glanz, aber eben auch die Last vieler Jahrhunderte, und es wäre gar nicht zu wünschen, daß er in seiner jetzigen Form in die Volkssprache übertragen würde. Bevor das geschehen kann, muß eine gründliche Reform dieses Hochgebets vorgenommen werden, die wieder den lobpreisenden und dankenden Charakter herausstellt, die die Einheit von Präfation und Kanon klar erkennen läßt und die alle die Teile, die sich im Laufe der Zeit hier am falschen Ort angesiedelt haben, entfernt. Ein erster Schritt wurde mit der Wiederherstellung der Fürbitten am Ende des Wortgottesdienstes -getan. Eine kommende Kanonreform wird aus dem Hochgebet dafür die Mementos entfernen. So war es also sicher klug, daß man von einer Übersetzung, die nur unbefriedigend ausfallen konnte, noch abgesehen hat zugunsten einer Neuordnung des ganzen in Frage stehenden Komplexes.

Diese Neuordnung wird wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen. Aber hoffentlich nicht zu lange, denn sonst könnte es scheinen, daß die zuständigen Stellen der Argumentation derer folgten, die meinen, das Herzstück der Liturgie müsse lateinisch bleiben, damit das Mysterium gewahrt bleibe. Hier liegt aber eine Verwechslung zwischen dem Begriff des Kultmysteriums und dem, was man landläufig „mysteriös“ nennt, vor. Das Mysterium des Christentums besteht darin, daß der allmächtige Gott Seinen Sohn in die Welt gesandt hat, daß dieser menschgewordene Gottessohn sich Seiner Gottesgestalt entäußert hat, sich hineinbegeben hat in die tiefste Erniedrigung des Todes am Kreuz, daß Er auferweckt wurde, aufgefahren ist und wiederkommen wird, um auch die Menschen hineinzunehmen in Seine Herrlichkeit — und daß diese Heilstaten Gottes in der Gestalt eines Mahles unter uns Menschen gegenwärtig gesetzt werden! Nicht aber besteht das Mysterium darin, daß der Gottesdienst schon von der Sprache her gewollt unverständlich ist. Nichts ist leichter, als sich dem fordernden Charakter dieses Mysteriums zu entziehen, wenn von ihm immer nur leise und in einer unverständlichen Sprache gekündet wird. Was Gott an uns getan hat, ist schwer faßbar genug. Da braucht es nicht den Schleier einer Kultsprache. Die Größe dieses Mysteriums kann überhaupt erst deutlich werden, wenn die Botschaft von dem, was Gott getan hat, tut und tun wird — und das ist die Verkündigungsfunktion des Hochgebetes! — in jeder Liturgiefeier, laut vernehmbar und jedem verständlich, der gläubigen Gemeinde in ihrer eigenen Sprache mitgeteilt wird. Ein Hochgebet in der Volkssprache bedeutet nicht Zertrümmerung und Profanierung des Mysteriums, sondern dessen nachdrückliche Einpflanzung in das gläubige Bewußtsein durch ständig neue Erinnerung und Mahnung.

Ein Indiz dafür, daß die hier vertretene Ansicht der Meinung der zuständigen Stellen entspricht, ist die Bestimmung, daß alle Kirchen, die neu gebaut oder renoviert werden, von nun an so einzurichten sind, daß in ihnen die Zelebration zum Volk hin gewandt möglich ist. Dazu wird das Tabernakel seinen Platz nicht mehr auf dem Hochaltar haben. Gerade gegen diese Form der Zelebration wurde in den vergangenen Jahren von vielen mit dem Hinweis auf eine angebliche Entheiligung des Mysteriums Stellung genommen. Diese Argumentation scheint durch den Entscheid des Konzils endgültig erledigt. ~

Ein zweiter Wunsch, der für die Zukunft geäußert werden muß, ist der nach einer möglichst deutlichen Wiederherstellung des Mahlcharakters der Messe. Nach dem Willen Christi wird Sein Opfer gegenwärtig gesetzt unter der Gestalt eines Mahles und nimmt der Mensch teil am Opfer des Herrn durch Teilnahme am Mahl. Von der Struktur der lateinischen Liturgie und unserem heutigen kirchlichen Leben sind diesem Wunsch recht enge Grenzen gesetzt. Eine Versammlung von etlichen hundert oder gar tausend Menschen muß eine andere Gestalt haben als das Abendmahl Christi mit seinen zwölf Aposteln. Aber es mehren sich die Fälle, in denen die Zahl der Teilnehmer an einer Eucharistiefeier kaum größer als beim Letzten Abendmahl ist, und auch sonst ließe sich zumindest einiges tun, um die Mahlgestalt deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Dazu würde gehören, daß die Kommunion unter beiden Gestalten zur Regel wird. In dieser Richtung ist eine entsprechende Verlautbarung des Rates zur Durchführung der Liturgiekonstitution in Vorbereitung. Ob sie dem hier geäußerten Wunsch aber entsprechen wird, steht noch in Frage. Denn eine Ausweitung der Kelchkommunion auf den Klerus, etwa die höhere Assistenz und die Konzelebranten, und die Einführung der Kelchkommunion für Professen und ähnliche Anlässe wäre wohl zu wenig. Auch, wenn die Kelchkommunion für Laien, etwa für die Brautleute in der Brautmesse, für Erwachsenentaufen und -firmungen und noch die eine oder andere Gelegenheit ausnahmsweise gestattet würde. Die Kommunion unter beiden Gestalten muß die Regel, die bloße Brotkommunion aber muß die Ausnahme werden, zu der nur Zuflucht genommen werden darf, wenn durch die große Anzahl der Mitfeiernden die Kelchkommunion absolut nicht möglich ist. Und das nicht, weil auf einmal das Dekret des Trienter Konzils, wonach unter der Gestalt des - Brotes der ganze Christus empfangen werde, in Frage gestellt werden soll, sondern weil die Treue zum Schriftwort: „Trinket alle daraus!“, größer sein muß als alle Bedenken, aus welchen Gründen sie auch immer vorgebracht werden mögen.

Zur Verdeutlichung der Mahlgestalt würde natürlich auch gehören, daß die heute gebräuchlichen Hostien aus Oblaten, die ein Uneingeweihter nie als „Brot“ identifizieren könnte, durch ein richtiges Stück gewöhnlichen Brotes ersetzt werden.

Für die Eucharistiefeier an Werktagen wäre für die Zukunft eine vereinfachte Form, ein „Ritus simplex“, zu wünschen. Dazu kann es natürlich nicht genügen, das, was in der feierlichen Form gesungen wird, bloß zu sprechen, oder manches, was sonst laut geschieht, leise zu tun. Dieser Weg ist oft beschritten worden und hat zum Teil zu unerträglichen liturgischen Zerrformen geführt.

Eine vereinfachte Meßfeier für Werktage, zugeschnitten auf einen kleinen Kreis von Mitfeiernden, würde rituelle Änderungen voraussetzen. Sie könnte ohne langen Einzugsritus beginnen, mit nur einer Lesung, an die sich eine kurze Auslegung schließt — wobei eine Tag für Tag fortlaufende Lesung angebracht wäre — und der eine Eucharistiefeier folgt, die auf ihre Grundformen reduziert ist: eine kurze Darbringung der Gaben, ein klares Hochgebet, unterbrochen vom „Heilig“ der Gemeinde und abgeschlossen von ihrem „Amen“, dann das „Vaterunser“, die Kommunion, ein kurzes Dankgebet und der Segen des Priesters. Sicherlich eine sehr schlichte Form, aber vielleicht würde gerade in ihr der zeichenhafte Charakter der Eucharistiefeier deutlicher zum Ausdruck kommen als in manchem feierlichen Amt, in dem die Pracht der Formen die eigentliche Struktur überdeckt. Da es nicht sinnvoll ist, einen Gesang zu rezitieren, wären bei dieser einfachen Werktagsform die Gesänge notfalls zu streichen. Sie sollten dann auch nicht vom Priester leise gesprochen werden müssen. Wenn die Anzahl der Mitfeiernden so klein ist, daß nicht gesungen werden kann, dann ist der Gesang der Gemeinde auszulassen und nicht durch die Rezitation durch einen einzelnen oder eine Gruppe zu ersetzen. Durch die Responsorien, das Sanktus, das als einziger der Gesänge durch seine Stellung im Hochgebet eine so zentrale Bedeutung hat, daß notfalls ein gemeinsames Sprechen dem Auslassen vorzuziehen wäre, und durch das „Amen“ nach dem Hochgebet wäre auch bei dieser Form der Messe das unbedingt nötige Minimum an aktiver Mitfeier durch die Gemeinde gewährleistet.

(Ein weiterer Artikel folgt.)

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