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Virgil-Kapelle wird restauriert

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Die zwölf Meter unter dem heutigen Stephansplatz liegende Virgil-Kapelle aus dem 12. Jahrhundert, die im Zuge der U-Bahn-Bauarbeiten gefunden und freigelegt wurde, wird jetzt restauriert. Auf Initiative von Dr. Gertrud Mossier vom Bundesdenkmalamt wurde bereits 1972 mit den archäologischen Untersuchungen begonnen. Anlaß war der bevorstehende Bau der U-Bahn-Linie 1, die, aus der Kärntnerstraße kommend, den Platz unmittelbar vor der Westfassade des Domes unterfahren und bei der Rotenturm- straße wieder verlassen sollte. Auf Grund alter Stadtansichten, besonders der von Hoefnagel, konnte für diesen Platz die Maria-Magdalena-Ka- pelle lokalisiert werden, die 1781 abgebrannt und geschleift worden ist. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wien, die die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte (zirka 1,5 Millionen Schilling), konnten die Fundamente freigelegt werden.

Man stieß dabei auf einen 10,5 mal 6 Meter großen und ursprünglich 13 Meter hohen unterirdischen Raum. Er muß also 1,10 Meter über das Platzniveau hinausgereicht haben. Das läßt sich auf Grund der Nischen feststellen, über denen Reste von Fensterleibungen zu erkennen sind. Diese legen den Schluß nahe, daß sich darüber ein eingeschossiges Bauwerk mit Sattel- oder Walmdach befunden hat und somit die schmalen Fenster als einzige Lichtquelle gedient haben. Bis jetzt ist noch immer ungeklärt, wie man in diesen Raum gelangen konnte, weil jegliche Anhaltspunkte fehlen.

Daß es sich hierbei um die 1307 erwähnte Kapelle des Hl. Virgil handelt, steht außer Zweifel. Wofür sie jedoch ursprünglich diente, ist bis heute unklar. Die Vermutung, daß es sich hierbei um einen Karner handelt, wird von Dr. Mossier ausgeschlossen, vor allem im Hinblick auf die schöne Innenausgestaltung, die zwei Zisternen, sowie die Tatsache, daß keine Gebeine gefunden wurden. Es mag sein, daß dieser Raum als Unterkirche, Krypta oder als Versammlungsraum für bestimmte Zeremonien gedacht war. Vielleicht kann er auch mit den Kreuzrittern zur Zeit Leopolds VI. in Zusammenhang gebracht werden, die in Wien eine Station hatten.

Heute ist man vor allem bemüht, die Wandbemalungen vor Feuchtigkeit zu schützen. Die Wände des Raumes sind einmal verputzt, weiß getüncht und mit sienafarbiger Fugenmalerei versehen. Die sechs Nischen haben in den Bogenteilen große griechische Kreuze in ornamental verzierter roter Kreiseinfassung. In der nordöstlichen Apsis befindet sich ein Teü eines Brustbildes in einfacher Strichtechnik. Vom Grabungsbeginn an war man bemüht, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um Mauern und Verputz zu erhalten. Den Chorbereich mußte man zunächst wieder zuschütten, weil die Errichtung einer Baukanzlei vorgesehen war. Dabei wurden die Mauern mit sauberem Schotter gegen Feuchtigkeit ab gedeckt. Nach Beendigung des U-Bahn-Baues sollen sie neuerlich freigelegt werden.

Schwierig ist die Behandlung des Verputzes im Nischraum, weil nach Entfernung des Füllschutts eine rasche einseitige Austrocknung der Mauern erfolgte und die Gefahr des Abplatzens bestand. Man trachtete also, Wind- und Sonneneinwirkung zu vermeiden, um ein langsames Trocknen zu gewährleisten. Wie hoch die Luftfeuchtigkeit sein soll, läßt sich jetzt noch nicht mit Sicherheit sagen, sondern wird sich erst auf Grund von Erfahrungen he raus stellen. Dr. Manfred Koller (Werkstätten des Bundesdenkmalamtes) leitet die Untersuchungen und Beobachtungen für Behandlungen des Wandverputzes, die seit Herbst 1976 im Gange sind.

Bereits im Sommer 1978 soll die Virgilkapelle der Öffentlichkeit zugänglich sein. Ein Zugang wird von der ersten Etage der U-Bahn auf eine Plattform führen, von der aus man den ganzen unterirdischen Raum sehen kann.

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