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Digital In Arbeit

Was Arbeitnehmer vor allem auch brauchen

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Ein oft gehörtes Argument für die überproportionale Steigerung der Personalausgaben in der Wirtschaft ist die Behauptung, daß nur durch eine Erhöhung der Bezüge die dringend notwendige Motivation zur Leistung erreicht werden kann.

Ob diese Meinung stimmt bzw. ob es nicht letztlich doch bessere Möglichkeiten zur Motivation gibt, darüber sollte besonders in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten einmal gründlich nachgedacht werden.

Was ist überhaupt Motivation? In der Psychologie spricht man von wirksamen Antriebskräften, die das individuelle Verhalten bestimmen und regeln. Im Einzelfall hängt die Motivation immer von der Erreichbarkeit der gestellten Ziele ab. Natürlich ist auch das Gehalt ein Ziel.

Doch darüber hinaus gibt es für jeden Mitarbeiter eine ganze Reihe von Zielen, die seine Leistungsbereitschaft fördern. Wenn heute Unternehmer immer noch die Auffassung vertreten: hohes Gehalt ist gleich hohe Motivation, dann haben sie nicht erkannt, daß die Menschen bei allem, zugegeben auch materialistischem Denken dennoch ihre Handlungsantriebe überwiegend aus anderen Quellen beziehen.

Eine positive Motivation für alle Mitarbeiter ergibt sich in erster Linie aus ihrer Tätigkeit. Hat das Unternehmen den Tätigkeitsbereich dem Wissen und Können der Mitarbeiter entsprechend ausgerichtet, dann ergibt sich bereits hier ein hoher Grad an Zufriedenheit.

Sind die Arbeitsziele abgesteckt und kann der Mitarbeiter diese Ziele erkennen und erreichen, dann ergibt sich daraus eine bedeutende Motivation, die mit Geld allein nie zu erreichen gewesen wäre.

Doch an einer solchen Planung mangelt es in vielen österreichischen Betrieben. Den Mitarbeitern werden oft Arbeiten zugeteilt, ohne daß man ihnen den Sinn und Zweck dieser Arbeiten erklärt.

Ein Blick auf die Bedürfnispyramide der Menschen zeigt, daß Selbstachtung und die Sozialbedürfnisse eine große Rolle spielen. Werden diese Bedürfnisse befriedigt, dann können Leistungen erzielt werden, die mit Geld kaum aufzuwiegen sind.

Was heißt Selbstachtung? Die Achtung vor der eigenen Person und den anderen Menschen, der Wunsch nach Stärke und Erfolg, nach Anerkennung, nach Würde und Respekt, nach Aufmerksamkeit und Bedeutsamkeit. Doch wie oft werden gerade heute diese sf natürlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer nicht beachtet?

Und: Was heißt Sozialbedürfnisse? Nun, fehlt es heute nicht überall an Zuneigung? Zuneigung am Arbeitsplatz, wer kennt das überhaupt noch? Für viele Arbeitnehmer ist die Arbeit heute ein Stück Einsamkeit. Es fehlt an Freunden, oft fühlt man sich als Ausgestoßener. Alles ist mehr oder weniger beziehungslos geworden. Unsere Wohlstandsgesellschaft hat die Arbeit oft inhaltsleer werden lassen.

Die Selbstverwirklichung der Menschen wurde nicht selten einfach vergessen, gedankenlos übersehen. Einfachheit, Natürlichkeit, das Gemeinschaftsgefühl ebenso wie die Kreativität und die Individualität eines jeden einzelnen wurde mit Geld zugedeckt. Man zahlte mit einem unangebrachten Preis.

Was bedeutet das aber? Nun, die Wissenschaft hat hier sehr deutlich bewiesen, daß die Motivation zur Leistung in westlichen Industriegesell schaften immer weniger vom Geld abhängig ist, sondern daß es überwiegend auf die Sozialbedürfnisse und auf die Bedürfnisse von Selbstachtung und Selbstverwirklichung ankommt.

Besonders in schweren Zeiten wie diesen, in denen immer wieder mit Argumenten des „Zurück-stecken-müs- sens“ jongliert und „motiviert“ wird, sollten sich alle - Unternehmer, Gewerkschafter und Politiker - wieder darauf besinnen, daß man mit mehr Lohn allein oft nur sehr wenig erreichen kann.

Vielmehr sollte man auf diese echten Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht nehmen und diese auch in Tarifgesprächen mehr in den Mittelpunkt rük- ken.

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