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Wege aus dem Wirtschaftstief

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Die seit Mitte 1980 anhaltende Konjunkturflaute hat auch bei der Tiroler Industrie nachhaltige Spuren hinterlassen und insbesondere einen Einbruch beim Mitarbeiterstand gebracht. Mit 1.400 Mitarbeitern oder 4,2 Prozent verzeichnete die Tiroler Industrie den größten Beschäftigungseinbruch seit vielen Jahren. Verschärft wurde die Situation durch vier größere Insolvenzfälle, welche sich trotz Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente auf den Mitarbeiterstand auswirken mußten.

Die Einbrüche trafen vor allem die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die metallverarbeitende Industrie. Die 600 statistisch erfaßten Mitgliedsunternehmen erarbeiteten mit ihren rund 32.000 Mitarbeitern 1982 einen Produkti-onswert von 30 Milliarden Schilling. Trotz schwieriger äußerer Bedingungen gingen von diesem Produktionswert 11,8 Milliarden in den Export. Die Investitionstätigkeit stagniert. Rückläufig verhielten sich der Energieverbrauch und die Krankenstände der Industriearbeiter.

1983 ist bestenfalls eine leichte Belebung, aber kein durchgreifender Konjunkturaufschwung in Sicht. Welche Zielsetzungen bieten sich angesichts dieser Ausgangslage für die nächsten Jahre an?

Realistisch geht es für viele Mitgliedsunternehmen um das nackte Überleben in schwieriger Zeit. Die Unternehmensleitungen stehen vor Krisenerscheinungen, denen die einen unter Aufbietung aller Kräfte gerade noch und die anderen nicht mehr gewachsen sind. Diese widrigen Umstände liegen in einer Überforderung der Wirtschaft mit Belastungen und Auflagen, die von vielen nicht mehr erfüllt werden können. Die Unternehmen sind ausgezehrt, in ihrer Substanz getroffen. Dringendes Gebot ist daher eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Die Sektion Industrie erstattet zur Wirtschafts- und Sozialpolitik folgende Vorschläge:

• Belastungsstop. Verzicht auf weitere Kostenbelastungen, auf zusätzliche Steuern und weitere Erhöhung der Lohnnebenkosten.

• Reform der Sozialpolitik. Motto: „Mehr Leistung und weniger Umverteilung“, keine Beitragserhöhung in der Sozialversicherung. Durchforsten der Ausgabenseite, Förderung der Selbstvorsorge, Konzentration der Ausgaben auf echte, soziale Bedürfnisse.

• Stärkung der Kapitalkraft der Unternehmen durch Erleichterung der Eigenkapitalbildung, Milderung der Scheingewinnbesteuerung und Förderung der Beteiligungsfinanzierung.

• Hebung der Investitionsbereitschaft insbesondere durch steuerliche Anreize, Vorrang der indirekten Investitionsförderung vor der direkten, Maßnahmen zur Senkung der Kreditzinsen.

• Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch mehr Anreize für Forschung und Entwicklung, Verbesserung der steuerlichen Behandlung von Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, Förderung des Technologietransfers und der Innovationsberatung.

• Sicherstellung eines funktionierenden Exportförderungsinstrumentariums. Stärkung der Finanzkraft der Kontrollbank, Förderung der Exportgesinnung auf breiter Basis und damit Hebung der Exportquote.

• Aktive Arbeitsmarktpolitik. Ermöglichung von Strukturanpassungen durch Förderung der Mobilität der Arbeitskräfte, Förderung von Ein-, Um- und Auffangschulungen, flexible Gastarbeiterpolitik, Schwerpunkt auf Behinderten- und Jugendbeschäftigung.

• Anerkennung der sozialen Marktwirtschaft und der Sozialpartnerschaft als Säulen unseres Wirtschaftssystems, Schaffung eines- Vertrauensklimas für die Wirtschaft; der Mut zu langfristigen Entscheidungen, die Risikobereitschaft für Neuentwicklungen müssen wieder zum Tragen kommen.

• Stärkung der Verantwortlichkeit der Medien für eine sachlich fundierte Wirtschaftsberichterstattung, Aufzeigen der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge zum besseren Verständnis breiter Bevölkerungskreise, Verbesserung des Informationsflusses zwischen Wirtschaft und Medien.

Aus diesem Paket seien einige Vorschläge besonders herausgegriffen. So werden etwa die Bemühungen zur Verbesserung der Wettbewerbssituation unter-' stützt durch ein innovationspolitisches Konzept, das spezifisch für Tirol aufgebaut wurde. Zielsetzungist die Förderung der Entwicklung neuer Produkte und Verfahren durch ideelle und materielle Anreize.

Als neu geschaffenes Instrumentarium stehen eine zusätzliche Landesförderung für Forschung, Entwicklung und Innova tion sowie die ständige Einrichtung sogenannter Technologiegespräche zur Verfügung. Diese Tiroler Technologiegespräche bieten innerhalb der Industrie einen Erfahrungsaustausch zwischen den angesprophenen Führungskräften über die neuesten technologischen Entwicklungen an. Die Förderung des Technologiebewußtseins gehört zu den wichtigen Anliegen der nächsten Jahre.

Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dient aber auch eine schlagkräftige Unternehmensorganisation, insbesondere auch im Absatzbereich. Die Sektion Industrie trägt mit dem Projekt „Organisationsentwicklung“ im kommenden Herbst zur Feststellung des Ist-Zustandes, zur Auffindung von Schwachstellen und Verbesserung der betrieblichen Organisation durch einschlägige Schulungs- und Beratungsaktivitäten bei. Zum Auffinden und zur Bearbeitung neuer Märkte ist eine gut fundierte Vertriebsorganisation jieute eine wesentliche Voraussetzung.

Ein besonderes Anliegen für die achtziger Jahre ist auch eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, Bedeutung, Leistungskraft und Stellenwert der Tiroler Industrie innerhalb der Tiroler Wirtschaft breiten Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen. Erhebungen weisen nach, daß die Tiroler Bevölkerung ihre Industrie unterbewertet. Tirol wird'fälschlicherweise als reines Fremdenverkehrsland eingestuft.

Hier die Relationen richtigzustellen sowie Berufs- und Beschäftigungsmöglichkeiten der Industrie aufzuzeigen, ist ein besonderes Anliegen. Aus verschiedenen einschlägigen Aktivitäten sei das Projekt der Beteiligung der Tiroler Industrie mittels einer Repräsentationsschau an der Innsbrucker Herbstmesse 1983 hervorgehoben.

Darüber hinaus sollen aber auch regelmäßige Kontakte auf Unternehmensebene, auf der Ebene der Schulen und Behörden sowie auch mit dem Sozialpartner dazu beitragen, das Bild der Tiroler Industrie ins rechte Licht zu rücken: Das Bild eines klein- und mittelbetrieblich strukturierten, auf spezielle Qualitätsprodukte ausgerichteten Wirtschaftszweiges mit einem relativ hohen Anteil an der Wertschöpfung und mit dem Bemühen, möglichst interessante und krisensichere Arbeitsplätze anzubieten.

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