Wahlplakat - © Manuel Meyer

Wahl in Portugal: Sozialisten enttäuschten, nun steht ein Rechtsruck bevor

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Wohnungsnot, frustrierte Lehrer, ein überlastetes Gesundheitssystem, Bauernproteste, Verarmung – die sozialen Probleme könnten am Sonntag in Portugal einen Machtwechsel befeuern. Ein Ortstermin in Lissabon.

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Wohnungsnot, frustrierte Lehrer, ein überlastetes Gesundheitssystem, Bauernproteste, Verarmung – die sozialen Probleme könnten am Sonntag in Portugal einen Machtwechsel befeuern. Ein Ortstermin in Lissabon.

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Der neue Hausbesitzer, ein Unternehmen für Ferienapartments, gab António Melo 2017 genau zehn Tage Zeit, seine Dreizimmerwohnung im Lissabonner Altstadtviertel Alfama zu verlassen. „Es war ein Schock. Ich hatte fast mein ganzes Leben in dieser Wohnung gelebt.“ Der heute 78-jährige Rentner hält inne, schaut nostalgisch aus dem kleinen Fenster seiner neuen Sozialwohnung. Es schmerzt ihn, sich an jene Tage zu erinnern. Doch er weiß, dass er auch Glück hatte. „Hätte ich nicht so viel mit den Medien gesprochen und Krach gemacht, hätte ich wohl wie die anderen Anwohner aus meinem Viertel an den Stadtrand ziehen müssen.“

Schließlich gab ihm die Stadt eine Sozialwohnung in Alfama. Eigentlich ist es nur ein kleines Zimmer, gerade einmal 13 Quadratmeter groß. Doch selbst in den Außenbezirken hätte er sich von seiner Pension kaum eine größere Wohnung leisten können. Dabei bekommt der ehemalige Mechaniker der portugiesischen Luftwaffe mit 970 Euro im Monat noch eine überdurchschnittlich hohe Rente.

Tatsächlich können es sich immer weniger Menschen noch leisten, im Stadtzentrum von Lissabon zu wohnen. Vor allem in Stadtvierteln wie Alfama explodieren die Mieten seit über zehn Jahren. Anwohner, Märkte und traditionelle Geschäfte mussten Restaurants, Souvenirshops und Airbnb-Wohnungen weichen. Der Grund: Ab 2010 befand sich Portugal unter dem europäischen Rettungsschirm. Die damalige konservative Regierung verpflichtete sich zu einem strikten Sparkurs, Austerität und Privatisierungen. „Damals sah man im Tourismus einen Rettungsanker, öffnete auch den Immobilienmarkt. So gab es ein regelrechtes Immobilienmobbing, Anwohner wurden vertrieben, um Ferienapartments zu konzipieren. Im Zentrum von Lissabon stellen sie bereits 72 Prozent sämtlicher Wohnungen dar“, erklärt Luís Mendes, der am Institut für Geografie und Raumplanung der Universität Lissabon zu Gentrifizierung und Stadtentwicklung forscht.

Die Wut der Bevölkerung bricht sich Bahn

Doch nicht nur in Lissabon wird die Wohnungsnot mittlerweile auch für die Mittelschicht zum sozialen Problem, sondern landesweit. Der Mindestlohn liegt bei 760 Euro, im Durchschnitt verdienen die Portugiesen 1200 Euro. „Doch Wohnungen in Städten wie Lissabon oder Porto sind kaum noch unter 1000 Euro Monatsmiete zu bekommen“, sagt Mendes, der mittlerweile zum Aktivisten für bezahlbaren Wohnraum geworden ist. Die Wut der Einheimischen angesichts steigender Immobilienpreise und Gentrifizierung wächst. Anfang des Jahres protestierten Menschen in über 20 Städten des Landes gegen die Wohnungsnot, die nun zum zentralen Wahlkampfthema der auf den 10. März vorgezogenen Parlamentswahl wurde.

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