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Portugal: Kein Weg aus der Krise

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Portugal leidet schwer unter einer Wirtschaftskrise. Doch die Regierungskoalition unter Führung des sozialistischen Premiers Mario Soares weiß keinen Ausweg aus der verfahrenen Lage.

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Portugal leidet schwer unter einer Wirtschaftskrise. Doch die Regierungskoalition unter Führung des sozialistischen Premiers Mario Soares weiß keinen Ausweg aus der verfahrenen Lage.

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„Soares rua" („Soares weg") -das ist zurzeit die Lieblingsparole der Sprayer von Lissabon.

Der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Portugals, seit knapp über einem Jahr wieder Premierminister des Landes, ist aber nicht nur bei den, oft kommunistisch organisierten Be-schmierern der verfallenden Lissaboner Hausmauern unbeliebt. Auch nur mehr eine Minderheit der sozialistischen Wähler traut

ihm zu, mit der verfahrenen Wirtschaftslage Portugals fertig zu werden.

Im Sommer vor zwei Jahren, als wir dem damaligen Oppositionsführer Mario Soares in seinem kleinen, karg eingerichteten Büro in der sozialistischen Parteizentrale gegenübersaßen, da hatte der durch Salazar-Verfolgung, Exil und über zwei Jahre Regierungsführung (1976-78) gereifte Politiker ein Rezept zur Lösung der Probleme seines Landes zur Hand: Ausbau der Demokratie, Zusammenarbeit der Sozialpartner, Konsolidierung der Staatsfinanzen und baldiger Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften.

Diesen Maßnahmekatalog predigte Soares auch vor den Wahlen im April 1983 unermüdlich. Die Wahlen konnte er dann auch gewinnen, die Koalitionsbildung mit den rechtsliberalen Sozialdemokraten gelang auch leichter als befürchtet. Nur: Der Erfolg bei der Umsetzung des Programms will sich nicht und nicht einstellen.

Da hapert es schon bei dem von Soares versprochenen Ausbau

der Demokratie. Ein von seiner Regierung vorgeschlagener Gesetzesentwurf sieht eine erhebliche Verbreiterung des Handlungsspielraums der Polizei vor. Die sogenannte „Lei de seguran-ca" sei erforderlich, um die wieder stärker werdende Terrortätigkeit der Untergrundorganisation „fp 25" einzudämmen, sagt die Regierung.

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der sozialistischen Abgeordneten sowie viele Intellektuelle aber befürchten den Mißbrauch dieses Sicherheitsgesetzes durch die Polizei. Die Erinnerungen an die berüchtigte Salazar-Truppe PIDE sind noch zu wach.

Doch der Streit, der gerade um die „Lei de seguranca" ausgetragen wird, verstellt nur den Blick davor, daß weder Sozialistische Partei noch Regierung einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise wissen:

Die Arbeitslosigkeit liegt unverändert bei rund 15 Prozent, die Inflation beträgt wie seit Jahren

knapp 30 Prozent, die Wohnungsnot ließ die Barackensiedlungen in ganz Lissabon, im Zentrum gleich neben der Praca de Espan-ha wie in den Außenbezirken, eher anwachsen als kleiner werden.

Der Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften wiederum, den die Politiker seit Jahren als Allheilmittel anpreisen, auch wenn sie ganz genau wissen, daß er auch einen Berg an Problemen mit sich bringen wird, verzögert sich.

Die Wirtschaftsmisere ist nicht Mario Soares allein anzulasten. Doch er leidet offensichtlich schwer an den Mißerfolgen seiner Regierung. Die vergangenen 13 Monate haben aus dem einmal so kämpferischen Sozialisten einen müde wirkenden Mann gemacht.

Und einen Vorwurf kann man ihm auf keinen Fall ersparen: Nämlich, daß er sich in den letzten Monaten mehr der Vorbereitung auf die Präsidentschaftswahlen des Jahres 1985 gewidmet hat als

der harten Kleinarbeit in der Regierung. Aber Soares will mit allen Mitteln portugiesischer Staatspräsident werden und seinen Intimfeind, den scheidenden Staatschef General Antonio Ra-malho Eanes, beerben.

Eanes kann nach zwei Amtsperioden nicht mehr wiedergewählt werden. Der 49jährige Offizier — trotz seiner zur Schau getragenen Unnahbarkeit ist er der beliebteste Politiker seines Landes — denkt aber noch nicht ans Memoirenschreiben. Er will die portugiesische Politik weiter mitgestalten.

Während das Amt des Staatspräsidenten in den westlichen Demokratien sonst am Ende einer Politikerkarriere steht, nützt Eanes seine Funktion, um seinen Einstieg in die Niederungen der Parteipolitik vorzubereiten. Das Komitee, das bei den letzten Prä-sidentschaftswahlen Eanes Wiederwahl vorbereitet hat, nimmt gerade die Umwandlung zu einer Partei vor.

Einen Namen gibt es noch genausowenig wie ein Parteiprogramm. Das ist aber auch nicht so wichtig, denn die Gruppierung wird sich, aufbauend auf die Popularität des Staatspräsidenten, als populistischer Wahlverein präsentieren.

Erstmals in Erscheinung treten werden die „Eanistas" im kommenden Jahr, wenn sie einem dem bisherigen Staatspräsidenten genehmen Kandidaten auf den Präsidentstuhl helfen wollen. Es soll, so hört man, wieder ein General sein.

Beunruhigend ist dabei vor allem, daß eigentlich niemand so recht weiß, was von der neuen Partei zu erwarten ist. Das Unterstützungskomitee hat Militärs und linke Katholiken ebenso in seinen Reihen wie Unternehmer. Und von Eanes selbst kann man schon gar keine politischen Aussagen erwarten.

Er beschränkt sich darauf, seinen ohnehin hohen Bekanntheits-grad zu steigern, reist durchs Land, schüttelt Hände, eröffnet Veranstaltungen und erzählt seinen Zuhörern, warum gerade sie wichtig für die Zukunft Portugals seien.

In Eanes wächst zweifellos kein neuer Diktator heran, wie überhaupt die Gefahr eines Linksoder Rechtsputsches oder der Machtübernahme durch das Militär nicht zu bestehen scheint. Nur: Eine Lösung für die drückenden Probleme Portugals ist auch von ihm und seiner Partei nicht zu erwarten.

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