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Ohne Maske

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Was hat Mario Soares, den Chef der Sozialistischen Partei Portugals, veranlaßt, sich aus der Volksfront-Regierung zurückzuziehen? Leider nicht die Erkenntnis, daß mit Kommunisten eine Partnerschaft nicht möglich ist, ;sondern die Unzufriedenheit mit der „Bewegung der Streitkräfte“ und deren immer deutlicher werdender Sympathie für die Kommunisten. Weil die Offiziere den von ihnen eingesetzten Ministerpräsidenten Gon-calves nicht fallen ließen, hat Soares die Opposition gewählt.

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Was hat Mario Soares, den Chef der Sozialistischen Partei Portugals, veranlaßt, sich aus der Volksfront-Regierung zurückzuziehen? Leider nicht die Erkenntnis, daß mit Kommunisten eine Partnerschaft nicht möglich ist, ;sondern die Unzufriedenheit mit der „Bewegung der Streitkräfte“ und deren immer deutlicher werdender Sympathie für die Kommunisten. Weil die Offiziere den von ihnen eingesetzten Ministerpräsidenten Gon-calves nicht fallen ließen, hat Soares die Opposition gewählt.

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Ob es, im Blick auf die weitere Entwicklung Portugals, politisch klug war, gerade jetzt die letzten, nur noch sehr schwachen Machtpositionen zu räumen, wird man erst In späterer Zelt beurteilen können. Soares hat jedenfalls das Verdienst, dem Regime in Portugal die Maske der demokratischen Legitimation weggenommen zu haben. Daß die seltsame Art von Militär-Diktatur mit Hilfe einer Auswahl mehr oder weniger marxistischer Parteien nichts mit Demokratie zu tun hat, konnten unbefangene Beobachter freilich schon lange feststellen.

Hier liegt auch der Grund, weshalb man Soares und seine um ihre Existenz rigenden Genossen von einer Mitschuld .an der Zerstörung der Freiheit in Portugal nicht freisprechen kann. Sie haben es hingenommen^ ja begrüßt und unterstützt, als die nichtsozialistischen Parteien verketzert, lahmgelegt und schließlich von der Wahl zur Nationalversammlung ausgeschlossen wurden. Was den Sozialisten des Mario Soares heute geschieht, ist gestern den Christlichen Demokraten und den Konservativen angetan worden. Niemand kann genau sagen, wie die Verteilung der Stimmen und Mandate heute aussähe, wenn die Bevölkerung wirklich die freie Wahl gehabt hätte.

Die Kommunisten nehmen die Macht, woher immer sie sie bekommen können — diesmal von einer Militär-Junta, die um keinen Deut demokratischer oder freiheitlicher ist als jene ungezählten Offiziersgruppen, die in Lateinamerika einander ablösen. Alvaro Cunhal weiß, daß seine kommunistischen Kader längst die wichtigsten Positionen in der „Bewegung der Streitkräfte“ eingenommen haben. Er kann sich fest auf sie verlassen, sie sind — meist in Prag — gut ausgebildet worden, und die Armeeführung der alten Caetano-Diktatur selbst war es, die das ermöglicht hat, indem sie in ihrer NATO-Anhänglichkeit bestrebt war, viele junge Offiziere zu Sprachkursen nach Paris zu schicken. Von dort aus wurden , sie schnurstracks in kommunistische Schulungsburgen weitertransportiert.

Natürlich ist es der Junta lästig, daß Soares nicht mehr mitspielen wird. Deshalb verteufeln sie jetzt den Sozialisten Soares als bürgerlichen Konterrevolutionär, wie sie vorher die wirklichen Bürgerlichen verteufelt haben. Aber noch mehr dürfte ihnen zu schaffen machen, daß die kommunistischen Parteien in Italien und in Frankreich das offene Bündnis mit der Militärdiktatur ebenso mißbilligen wie den täglichen

Beweis, daß Cunhal Gewalt vor Recht gehen läßt.

Die Parteiführer Berlinguer und Marchais sind dem Genossen in Lissabon ohnehin nicht sehr gewogen. Seine enge Bindung an Moskau dementiert nämlich ihre Propaganda, daß Kommunisten in Italien oder Frankreich andere Kommunisten seien als die in der Sowjetunion, in Bulgarien oder in der Tschechoslowakei. Nun exerziert er der Weltöffentlichkeit auch noch vor, was er unter Demokratie versteht, nämlich die gewaltsame Durchsetzung des Willens der kommunistischen Zehnprozentminderheit gegen den Willen der Mehrheit mit Hilfe der bewaffneten Macht — und das stört ihre eigenen Bemühungen um „legale Machtergreifungen“.

Ähnliches gilt, unter ganz anderen Bedingungen freilich, für die spanischen Kommunisten — haben sie sich doch gerade erfolgreich bemüht, eine breite Volksfront für die Nach-Franco-Zeit zustande zu bringen.

Was kann Europa tun, um zu verhindern, daß Portugal endgültig zur Beute des Kommunismus wird? Die Versuche Kissingers, dem Kreml ein behutsameres Vorgehen abzunötigen, damit die Ost-West-Entspannung nicht behindert werde, muten kindlich an. Da hätte Washington rechtzeitig sagen müssen, daß es weder eine KSZE noch ein Helsinki, noch Getreidelieferungen gibt, wenn Cunhal nicht zurückgepfiffen wird. Jetzt hilft nur noch ein klarer Trennungsstrich zwischen Portugal und der NATO, begleitet von einer weltwei-' ten Aufklärungs-Campagne, die deutlich macht, daß Diktatur nicht aufhört, verächtlich zu sein, nur weil sie von kommunistischen Offizieren und“ ihren zivilen Genossen betrieben wird.

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