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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE
UNERFREULICHES ist aus den Bezirken des Wiener Pressewesens zu berichten. Hier schwirr- len in letzter Zeit munter einige Giftpfeile durch die Gegend. Bedauerlich, daß die „Abschußrampen” dabei in einem unabhängigen Blatt zu finden waren, das sich erst erneut durch eine eigene Publikation der seriösen Publizistik nach- drücklichst verpflichtet hat. Es ist nicht unsere Aufgabe, in Pressefehden zwischen Tageszeitungen, die in einem gewissen Konkurrenzverhältnis stehen, einzugreiten. Wenn aber dabei der politische Leumund eines Journalisten, dessen Familienfradifion, Werdegang und weltanschaulicher Standort stadtbekannt sind, in Frage gestellt wird, so muß doch vor solchen Manövern gewarnt werden. Nichts gegen eine freimütige Auseinandersetzung! Im Gegenteil! Eine Belebung der Diskussion könnte unserem Pressewesen nur neue Impulse geben. Aber: herunter mit dem Visier! Der anonyme Angriff, die mehr oder weniger versteckte Andeutung, die Schlußfolgerungen ohne Voraussetzung — das sind Meilensteine auf einem Weg, der im Dschungel endet. Dorthin wollen wir aber alle miieinander nicht kommen. Es wäre ein Satir- spiei, wenn gerade zur selben Zeit, in der die „Concordia” — hoffentlich mit Nachdruck! — die ersten Schritte unternimmt, um dem Journalistenstand den ihm gebührenden Platz im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben zurückzugewinnen, durch eine Verwilderung des journalistischen Meinungskampfes diese Bemühungen desavouiert würden.
HOCHSCHULBAROMETER: WINDSTILLE ANHALTEND! FREUNDLICH! Auch die Hochschulwahlen 1959 haben die bisherigen erfreulichen politischen Tendenzen der jungen Akademikerschaft bestätigt. Nach wie vor führen die im „Wahlblock österreichischer Akademiker” vereinigten christlich-demokratischen Organisationen und Verbände mit großem Abstand. 8085 Stimmen, das sind 57,66 Prozent, wurden für ihre Kandidaten abgegeben. Der „Ring freiheitlicher Studenten” triff mit 3789 Wählern und 27,02 Prozent weiterhin auf dem Platz. Seine Hoffnung, die große Anzahl der Jungwähler (Jahrgang 1939, 1940) könnte der nationalliberalen Sache auf den Hochschulen eine neue Chance geben hat sich nicht erfüllt. Um drei Prozent verbessert haben die Sozialistischen Studenten ihre nach wie vor schwache Position unter den Hochschülern. Sie konnten diesmal 1978 Wähler (14,11 Prozent) für ihre Kandidaten gewinnen. Mit 169 Stimmen und 1,21 Prozent bleiben die Kommunisten weiterhin ohne jede Bedeutung. Wir haben schon in jer vorigen Nummer erwähnt, daß die Erfolge des „Wahlblocks" um so eindrucksvoller sind, als seine Führung stets Wert auf weltanschauliche Klarheit gelegt habe und auch ein eindeutiges sfaatspolitisches Bekenntnis in Wort und Tat nicht scheue. Die akademische Jugend hat mit dem Stimmzettel dieser Haltung ihre Sympathie gezeigt. Das müßte eigentlich den „Nur-Taktischen in verschiedenen Führungsgremien der ersten Regierungspartei auch im Hinblick auf andere, größere, Wahlgänge zu denken geben.
FANFANIS STURZ. Der italienische Ministerpräsident Amintore Fanfani, Italiens kleiner großer starker Mann, ist zurückgetreten, nachdem sich zeigte, daß die Sozialdemokraten in der Regierung nicht mehr mitmachen. Sieben Monate hat Fanfani regiert und wohl ebensolange wurde auf seinen Sturz hingearbeitet. Den Ausschlag gaben dennoch nicht seine Feinde von rechts, sondern der linkssozialistische Parteitag in Neapel. Nennis Trennung von den Kommunisten, verbunden mit seiner Erklärung, jede Koalition mit den Christlichen Demokraten abzulehnen, öffneten die Schleusen. Obwohl Saragat gerne bei Fanfani geblieben wäre, erhielten die Kreise um den sozialdemokratischen Arbeitsminister Vigorelli die Oberhand. Hier denkt man an eine Linksregierung der verbündeten sozialistischen Parteien unter Führung Nennis. Fanfani wurde aber nicht allein von links „abgeschossen. Der Finanzminisfer Preti nahm die vom Parlament gebilligte Untersuchung des Giuffre-Skandals (100 Prozent Zinsen für Geldgeber, bei Hinterziehung von Milliarden Lire Steuern!) zum Anlaß, auszuscheiden. Der rechte Flügel der Democrisfiani hatte seit langem Fan- fanis Stellung unterminiert, hier denkt man an eine Rechtsregierung, vielleicht mit den Monarchisten und Neofaschisten. Prognose für Italien für morgen: wenn es nicht allzu lange Zeif für eine Neubildung der Regierung braucht, ist weiterhin mildes Wetter zu erwarten. Verzögert sich die Regierungsbildung, kann Schlechtwetter, unter Umständen stürmische Veränderung drohen. Stoff für Leidenschaften ist genug angehäuft. Wie in vielen anderen Ländern auch...
EIN DEUTSCHER KURIENKARDINAL! In deutschen kirchlichen Kreisen Roms wird seit einigen Wochen hartnäckig davon gesprochen, daß Papst Johannes schon im nächsten Konsistorium einen Deutschen zum Kardinal erheben und an die Kurie rufen werde, wo die deutschen Katholiken derzeit nur durch einen einzigen Prälaten vertreten sind, während die Franzosen zwei Kurienkardinäle besitzen, nämlich Tisserant und Jullien. Auch der Katholizismus deutscher Zunge war zeitweilig durch zwei Kardinale an der Kurie vertreten gewesen, durch den gelehrten württembergischen Jesuiten Franz Ehrle von 1922 bis 1934 und den österreichischen Dominikaner (und Vorgänger Pacellis als Nuntius in München) Andreas Frühwirth von 1927 bis 1933. Ehrle war Bibliothekar und Archivar der Heiligen Römischen Kirche gewesen, und dieser mit der Kardinalswürde verbundene Posten war es gewesen, den Pius XII. bereits für den hochgelehrten Bamberger Weihbischof Artur Michael Landgraf nach dem Tode des Kardinals Mercati ins Auge gefaßt hatte, als Landgraf im September 1958 starb. Aber die Stimmen wissen nicht nur von der Ernennung eines deutschen Kurienkardinals, es werden auch bereits Namen ins Spiel gebracht und neben solchen des deutschen Episkopats auch vor allem der des langjährigen Beraters und persönlichen Sekretärs Pacellis, des Jesuitenpaiers Robert Leiber. Es hat dies seine guten Gründe: Leiber vereint die genaue Kenntnis der römischen Kurie mit der deutscher kirchlicher Verhältnisse, er vertügt über ein umfassendes Wissen, ist ein präziser und unermüdlicher Arbeiter. Und dann gibt es noch einen Grund, der bei Papst Roncalli bestimmend sein könnte: Die Erhebung Leibers würde als eine schöne Geste gegenüber Pius XII. gedeutet werden, für den Angelo Roncalli eine so tiefe Verehrung zeigf. Wieder würde also ein hervorragender Jesuit den Purpur erhalten, wie Ehrle, wie der Vorgänger des Kardinals Siri von Genua, Boefto, wie vor diesem der Franzose Billot, der jedoch — ein einzigartiger Fall in der neueren Kirchengeschichte — 1927 die Kardinalswürde verlor, weil er die Action Franęaise auch nach deren Verurteilung durch Pius XII. unterstützt hafte. Er starb als einfacher Jesuiten- pafer in Galloro bei Rom.
DAS RINGEN UM DIE OSTSEE. Ueber Berlin, das heißt, über die sowjetische Politik Deutschland gegenüber, wird besser erst nach dem in diesen Tagen anlaufenden XXI. außerordentlichen Parteitag der KPdSU, in Moskau zu sprechen sein. Die überraschende Begegnung zwischen Chruschtschow und dem finnischen Staatspräsidenten Kekkonen in Leningrad sowie die Besprechungen Mikojans mit dem dänischen Ministerpräsidenten Hansen in Kopenhagen haben jedoch nicht nur die Ministerratssitzung des Nordischen Rates wachgerufen, sondern sogar alarmiert. Man spricht also von der neuen Freundschaftskampagne Moskaus in den skandinavischen Ländern. Wobei bereits über einen Besuch Chruschtschows in den nordischen Hauptstädten gesprochen wird. Moskaus Wunsch, die Ostsee, wenn nicht zu einem russischen Binnen- Jnefcfri.so jfĮęcJl zu jsiper geschlossenen See der Anrainerslaaten zu machen, ist bekannt. Seitdem Peter der Große St. Petersburg als Tor dem Westen zu gegründet hat, beunruhigt die Regierungen in Moskau die offene Flanke, geschaffen durch das Meer, das mit modernen U-Booten mit Atomantrieb und Atomwaffen zu einem überaus gefährlichen Wasser geworden ist. Der Westen seinerseits kann die sowjetischen Bemühungen um Skandinavien nicht gleichgültig hinnehmen. Hitlers und Churchills Narvik- Unternehmungen haben bereits gezeigt, wie sehr gerade England durch ein ihm feindliches Vordringen in diesen Räumen sich betroffen weiß. Wenn eben jetzt von dem baldigen Besuch MacMillaas bei Chruschtschow in Moskau, in London gesprochen wird, dann meint man hier zu erkennen: es geht da nicht nur um Berlin und Deutschland, sondern sehr auch um eine Erkundung der sowjetischen Absichten Skandinavien gegenüber. An Empfindlichkeit in diesem Punkte kann und darf es gerade England nicht fehlen lassen, will es sich nicht selbst preisgeben.
ROTE ARENA IN KUBA. Die Schauprozesse im Sportpalast von Havanna, in denen 600 Anhänger des gestürzten Diktators Batisto vor 20.000 bis 30.000 johlenden „Zuschauern abgeurteilt werden, sollen verlegt werden. In die Festung Cubana. Gleichzeitig hat der neue Herr Kubas, Castro, Rundfunk- und Fernsehübertragungen dieser Prozesse verboten. Nun haben bekannte Amerikaner, wie der Schriftsteller Hemingway und der Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Charles O. Porter, sich mit Castros Justiz einverstanden erklärt. Das mindert nicht die Sorge der freien Welt. Wenn auch zu hoffen steht, daß diese Schauprozesse, die mit Recht mit den Monsterprozessen in Rotchina vor einer fanatisierten Volksmenge verglichen wurden, nicht mehr in der bisherigen Form weitergeführt werden, so zeigt doch die Sprache Castros, daß dieser junge Mann das Maß noch nicht gefunden hat: „Wenn auch die Welt untergeht, in Kuba wird Gerechtigkeit geübt. Wir werden weiter die Verbrechen der Batista-Diktatur sühnen." Sühnen womit? Mit dem Blut der Hingerichteten „natürlich. Das ist eine fatale und für die Zukunft gerade auch Lateinamerikas gefährliche Sache. Wenn diese an sich so berechtigte Erhebung in Kuba scheitert, in eine neue Diktatur hineinscheitert, werden sich in ganz Südamerika die starken alten Männer von gestern und heute rehabilitiert fühlen und „ihren Völkern mit „gutem Gewissen" das Joch beschweren. Wieder einmal würde demnach eine Revolution in die Reaktion Umschlagen, ja sich als deren Schrittmacher entpuppen . ..
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