6714440-1964_36_05.jpg
Digital In Arbeit

An den Rand geschrieben

Werbung
Werbung
Werbung

NACH DEM URLAUB. „Die Wähler machen uns gemeinsam verantwortlich: Interessenvertretungen, Regierung und Parlament, oder noch deutlicher: Rote und Schwarze. Da gibt es nur eines, gemeinsam das zu tun, was man von uns erwartet.” Noch im Urlaub, doch knapp vor der Rückkehr aut das heifje innenpolitische Wiener Pflaster stellte sich Finanzminister Dr. Schmitz einem Pressemann, der des Ministers Absichten für den Herbst erfahren wollte. Bemerkenswert vor allem die Mahnung zur Zusammenarbeit, die Erinnerung an gemeinsam zu tragende Verantwortung. Bemerkenswert auch das Echo; Denn auch der Vizekanzler beschäftigte sich jüngst mit aktuellen politischen und wirtschaftlichen Problemen, deren Lösung im Herbst zu erwarten sein könnten. Und so erklärte der Vizekanzler denn, was er unter Zusammenarbeit verstehe: „Zusammenarbeit verlangt Zugeständnisse und Verzicht auf jeder Seite. Einseifiges Beharren auf eigenem Verlangen ohne Berücksichtigung der Wünsche des Partners lähme jedoch die Zusammenarbeit. Das gelte insbesondere für die Verhandlungen um das Budgetrecht des Nationalrates.” Das Budgetrecht wird also — und dazu braucht man kein politischer Augur zu sein — im Herbst die Rolle des innenpolitischen Zankapfels übernehmen müssen.

RÜGE FÜR DIE POLIZEI. Einen vorläufigen Schlußpunkt hinter die Geschichte vom Gewalttäter, der angeblich durch eine Intervention des einflußreichen Onkels vor der Arresthaft bewahrt wurde, setzte der Innenminister, der mit erhobenem Zeigefinger die Beamten des Wiener Polizeipräsidiums an ihre Pflicht erinnerte. So hiefj es in der amtlichen Aussendung, die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes seien anzuweisen, alle Staatsbürger nach den bestehenden Gesetzesvorschriften gleichmäßig und gerecht zu behandeln. Und so sahen sich die Beamten— an ihrer Spitze der gerade aus Wien abwesende Polizeipräsident — plötzlich mit einer großen „Zigarre’, die ihnen ihr oberster Chef verpaßt hat. Etwas spektakulär, der ganze Rummel um den betrunkenen Gewalttäter, Nach aufjen hin zweifellos. Und für dei p B fiministeFTf wiedSf eine gute Gelegenheit, sich wie Harun al Rascßid oder Kaiser Josef ins njilde Llfcm der Menschenfreundlichkeit zu setzen. Der namensgleiche Gewerkschaftsbundpräsidenf ist derzeit in den Vereinigten Staaten zu Besuch. Die kleinformatige Boulevardzeitung, die die ganze Affäre aufgerollt hat, will den „Krieg’ nach seiner Rückkehr fortsetzen. Ein Krieg, der der Öffentlichkeit das seltene Schauspiel handgranatenwerfender Kämpfer ein- und derselben Partei zeigt, die die Schützengräben verlassen haben und einander im Nahkampf bedrohen. Die Rüge, die der Innenminister der Polizei erteilt hat, wirkte wie eine Leuchtkugel. Sie erhellt blitzartig die Front und man erblickt Streiter in vorderster Linie — etwa den Polizeipräsidenten — die man bisher für Nichtkombattanten oder zumindest für Reservisten gehalten hätte.

KATASTROPHEN. Die Rauchsäule über der Innenstadt von Graz war ein alarmierendes Zeichen. Ein Zeichen dafür, welche Gefahren mitten in der Großstadt plötzlich drohen können. Der Tankwagen, dessen ausfließende Ladung nach einem Zusammenstoß mit einem Sfraßenbahnzug Feuer fing und schließlich explodierte, hätte noch viel schwereres Unheil anrichten können. Die Lehre aus dem Unfall der bisher einzig in der an Seltsamkeiten wahrlich nicht armen Chronik des österreichischen Straßenverkehrs dastehf, ist schnell gezogen: Ein Verbot der Durchfahrt beladener Tankwagenzüge durch das Stadtgebiet, eine strengere Auswahl und Prüfung der Lenker. Vorstöße in dieser Richtung wurden in Wien bereits vor einiger Zeit gemacht. So stellten zwei Gemeinderäte der ÖVP bereits vor längerer Zeit einen Antrag, der eine ähnliche Katastrophe in Wien unmöglich machen soll. Eine Katastrophe, die nicht so glimpflich ausgehen muß wie in Graz. Aber auch die Bundeshauptstadt war kürzlich Schauplatz eines Unfalls, der vermeidbar gewesen wäre. Glücklicherweise entstand auch hier kein Schaden an menschlichem Leben: Die bulgarische Maschine, die nach nicht ganz geglückter Landung noch einige hundert Meter über Äcker und Wiesen rumpelte, hätte leicht zum Grab für Insassen und Besatzung werden können. Die Kritik an den technischen Einrichtungen des Schwechater Flughafens, die nicht ganz so perfekt sind, wie sie manche „Lobhudler” gern wissen wollen, stellt sich jetzt als wahlberechtigt heraus. Lachte man vor einiger Zeit noch darüber, als mehrere Maschinen nicht landen konnten, weil der Flug sicherungsbeamte gerade beim Ėssen war, so ist an der Situation, die das bulgarische Flugzeug über die Piste hinausrumpeln ließ, nichts Lächerliches mehr. Denn, daß eine Landung, die durch Radar unterstützt wird, nur zu gewissen Zeiten möglich ist, dies zählt zu jener Art von Austriazismen, die uns keine Freunde schaffen.

EINE NEUE ACHSE. Präsident Maka- rios ist nicht wählerisch. Nicht in der Wahl seiner Kampfmittel, nicht in der Wahl seiner Bundesgenossen. Dämpfte Moskau die Hoffnung des Politik machenden Erzbischofs auf Waffenhilfe, so suchte und fand Makarios Verständnis bei Staatspräsident Nasser, der „alle mögliche Hilfe” zur Verteidigung der Insel Zypern zusicherte. Makarios hat während seines dreitägigen Aufenthaltes in Alexandria dreimal mit Nasser in einer „Atmosphäre der Freundschaft und des Verständnisses” konferiert. Nicht klar hervorgeht aus den ergangenen Kommuniques die Art der Hilfe, die Nasser versprach. Militärische Beobachter glauben allerdings, daß sich hinter den recht allgemein gehaltenen Worten die recht realen Fliegerabwehrgeschütze und MIG-Düsenjäger Ägyptens verbergen, die den Luftschutz der Insel für den Fall neuerlicher türkischer Bombardements übernehmen sollen. Die Achse Kairo-Nikosia ist eben aus der Esse gekommen. Ob sie schweren Belastungen standhält, wird sich erst zeigen. Die Einbeziehung Nassers, der mancherorts fast mit göttlichen Ehren bedacht wird, bringt jedenfalls wiederum eine neue Karte ins Spiel.

DER SLOWAKISCHE AUFSTAND. Vor zwanzig Jahren erhoben sich in der damals selbständigen Slowakei große Teile der Armee zusammen mit Partisanentrupps gegen die mit dem Deutschen Reich verbündete slowakische Regierung. Zwanzig Jahre später begeht die Tschechoslowakische Republik mit allem festlichen Pomp, dessen totalitäre Staaten bedürfen, den Jahrestag jenes Aufstandes, der — ähnlich wie der unglückliche Kampf um Warschau — vor allem von nichtkommunistischen, konservativen Kräften getragen wurde. Die Opfer •war%n groß. Denn das Land, bisher vom Krieg verschont, erlebte plötzlich die Grausamkeit eines Guerillakrieges, in dem es keine Alternative gab. Deutsche Bewohner der Sprachinseln wurden ebenso getötet wie die Bewohner der kleinen, sauberen slowakischen Dörfer. Die Tragödie dieses Landes, das Ungarn, die Tschechoslowakei und auch die Sowjetunion für sich beanspruchten, reicht aber um Jahrzehnte zurück: Der unglückselige Vertrag von Pittsburgh, der — unter Präsident Wilsons Einfluß — den auf ihrem eigenen Staat bestehenden Slowaken weitestgehende Autonomie versprach, wurde nie Wirklichkeit. Der Weg der Slowakei zum eigenen Staat führte tragischerweise zum Bündnis mit Hitler. Und der Aufstand führte die Slowakei wieder in den tschechoslowakischen Einheitsstaat. Die Feiern, bei denen sogar Ministerpräsident Chruschtschow anwesend ist, verschieben das Verhältnis der Volksgruppen: Der Aufstand von Prag — bisher stolz gehütetes Traditlonsguf der Tschechen — hat im Slowakischen Aufstand ein echtes Gegenstück erhalten.

KRONPRINZ UND WÄSCHERMÄDEL.Gründlicher als jede politische Streitfrage es vermocht hätte, hat die Romanze Kronprinz Haralds von Norwegen mit der wohl sehr hübschen, doch ach so bürgerlichen Tochter eines biederen norwegischen Kaufmannes aus der Texfilbranche das Volk in zwei Lager gespalten. Die Romanze selbst glühte sozusagen schon längere Zeit unter der dichf- schließenden Decke der streng gewahrten Diskretion. Seit Monaten wurde sie heimlich in Stortingetskreisen und innerhalb der Regierung diskutiert, wie auch innerhalb der königlichen Familie, deren Kinder eines nach dem anderen eine bürgerliche Laufbahn wählten. Die Regierung soll sich entschieden gegen die Verbindung ausgesprochen haben und um die Meinung des Volkes selbst zu erfahren, soll es dann König Olaf selbst gewesen sein, der den zündenden Zeitungsartikel ausgerechnet in einem Blatt der Arbeiterpartei, der „Sunmöre Arbeideravis”, lanciert hat. Der 36. Paragraph des Grundgesetzes sagt klar, daß sich ein Prinz des königlichen Hauses nicht ohne die Zustimmung des Königs verheiraten darf, er darf auch keine andere Krone oder Regierung ohne Zustimmung des Monarchen und des Parlaments übernehmen. Die Stimmung jnd das Kräfteverhältnis im Storfinget st nun so, daß die gedachte Heirat nit größter Gewißheit zur Beseitigung der Monarchie in Norwegen :ühren müßte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung