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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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DER WUNSCH NACH ÄNDERUNG UNSERES BUNDESWAPPENS wurde von einer Gruppe von Abgeordneten der Oesterreichi- schen Volkspartei in einer der letzten Sitzungen des Nationalrates ausgesprochen: Hammer und Sichel sollten aus dem Symbol Oesterreichs verschwinden. „Die Furch e" dar! aus diesem Anlaß daran erinnern, daß sie vor einem halben Jahr bereits unser Wappen- tier zur Diskussion gestellt hat, als Ceylon die Annahme österreichischer Waren verweigerte, weil das mit Hammer und Sichel geschmückte Staatswappen den Verdacht auf ein volksdemokratisches Land lenkte. Ja, so „schröcklich" ist unser Staatsvogel... Aus den zahlreichen zustimmenden Antworten — wir veröffentlichten einige von ihnen am 22. August 1953 — ging aber auch hervor, daß es wenig Sinn hätte, dem österreichischen Bundesadler, der in seinem gegenwärtigen Aussehen eine reine Schreibtischkonstruktion ist, einfach Sichel und Hammer aus den Fängen zu nehmen und vielleicht zu überlegen, ob weiterhin die Mauerkrone sein Haupt drücken soll oder nicht. Wenn schon eine Revision des österreichischen Staatswappens wirklich in Betracht gezogen wird, und sie ist wünschenswert, dann erscheint sie nur sinnreich, wenn sie eine Rückkehr zu strengen heraldischen Formen bedeutet und gleichzeitig im Geiste der Tradition erfolgt. Mit anderen Worten: dem Doppeladler sollte wieder sein alter Horst eingeräumt werden ...

IN DIESER WOCHE haben sich die Tage, in denen die Kriegsfurie über die österreichische Bundeshauptstadt hinwegging, zum neuntenmal gejährt. Daß Wien dem ihm von den abtretenden Machthabern zugedachten Schicksal Budapests und Breslaus entgangen ist, daß viele tausende Wiener heute noch am Leben sind, ist bekanntlich nur jener kleinen Schar von Offizieren, Soldaten und Zivilisten zu verdanken, die unter Einsatz ihres Lebens sich dem Wahnsinn entgegenwarf. Ehre den Ueberleben- den, ein allzeit treues Gedenken aber jenen, die, vom letzten Wüter der Rachejustiz gefällt, nicht mehr den Tag schauen durften, an dem über die vom Kampflärm erfüllte Stadt die erste rotweißrote Fahne am Rathaus emporstieg: Major Biedermann, Hauptmann Huth und Oberleutnant R a s c h k e 1 — Gerade zum richtigen Zeitpunkt fällt uns ein Buch in die Hände. Sein Autor ist der auch im „nationalen Lager“ mehr als umstrittene ehemalige Leiter des Gaupresseamtes Wien unter Bürckel, der sich seit Jahr und Tag, unbeschadet, seiner jungkommunistischen Vorvergangenheit, darin gefällt, die vergangene große Weltkatastrophe in ein frisch-fröhliches Indianerspiel „ganzer Kerle“, umrahmt von Götterddmmerungsstimmung, umzudeuten. Nun hat Herr Erich K. aber die Grenzen der Duldsamkeit, die die österreichische Demokratie dank ihrer Stärke auch gegenüber ihren Verächtern ausübt, überschritten. In dem in einem österreichischen Verlag Welsermühl erschienenen neuen Opus „Die Uhr blieb stehen“ glaubt er — neun Jahre später — die Zeit für reif, österreichischen Widerstand gegen Hitler „Verrat“ nennen, die Lebenden bespucken und auf dem Grab der Toten — der durch ihn und seinesgleichen Gemordeten — ungestraft herumtrampeln zu dürfen. Einige Textproben über den „Verrat von Wien“: „In der Dienststelle des Majors Szokoll traten einige Offiziere zusammen... Offiziere, die deutsche Uniformen trugen, beschlossen den Verrat. Hier schloß sich der Kreis. Dort trug der Verrat eine preußische Tünche 20. Juli. Die Red., hier eine österreichische. Aber die Offiziere waren zu feig, um das Letzte zu wagen. Sie beschlossen, ihre Hände vom Handwerk freizuhalten, und übergaben die Durchführung ihres schmutzigen G e- schäfts einem Oberfeldwebel... Am 3. April brach Oberfeldwebel Ferdinand Käs mit einem Obergefreiten als Fahrer im Wehrmachtswagen auf. Der Judas von Wien gab es nobel. Der Verrat fuhr im Pkw...."

Wir ersparen unseren Lesern die Zitate weiterer Ungeheuerlichkeiten, mit denen dieses Buch reichlich gespickt ist. Der Ruf nach dem Kadi ist unpopulär. Aber weitere Langmut wäre Schwäche. Das Innenministerium und, der Staatsanwalt haben das Wort. Wenn es nicht einen einschlägigen Paragraphen gäbe, im Fall des Herrn Erich K. genügt das „Schmutz-und-Schund-Gesetz" ...

KÜRZLICH FEIERTE der Verein Arbeiter- Mittelschule Wien seinen 30jährigen Bestand. Dieser Verein ist eine Gründung der früheren Sozialdemokratischen Partei, jetzt SPOe, deren Wiener Funktionäre zum nicht geringen Teil durch diese Schule gegangen sind. In dem Gedächtnisartikel der A.-Z. finden sich nun leider einige geschichtliche Irrtümer, die der Richtigstellung bedürfen. Zunächst gab es außerhalb der genannten sozialistischen Gründung gerade in Wien auch mehrere andere Kurse, die begabten jungen Menschen die Möglichkeit böten, sich auf die öffentliche Reifeprüfung vorzubereiten. So führte der Volksbund der Katholiken Oesterreichs mit sehr großem Erfolg einen derartigen Abendmittelschulkurs. In dem vom damaligen Unterrichtsminister Richard Schmitz ausgearbeiteten und in harten parlamentarischen Kämpfen gegen den Widerstand Otto Glöckels durchgesetzen Mittelschulgesetz wurde neben der seither berühmt gewordenen Horner „Aufbau-Schule", die vor allem den Absolventen der Volksschule in abgelegenen kleinen Dörfern den Weg zur Matura öffnete, auch die „Arbeiter-Mittelschule" gesetzlich verankert. Gewiß war es begreiflich, daß der sozialistische Schulpolitiker Glöckel Sorge hatte, die oben erwähnte Gründung seiner Partei könnte durch die Schaffung einer dem neuen Gesetze entsprechenden „Arbeiter- Mittelschule" an Anziehungskraft einbüßen. Es ging aber sicher zu weit, daß er deshalb alles daransetzte, eine solche Gründung in Wien zu verhindern, indem er verlangte, daß nur mit Zustimmung des betreffenden Landesschulrates, in Wien also des Stadtschulrates, dessen Präsident er war, die Gründung durchgeführt werden dürfe. So kam es, daß wohl in Graz und in Linz „Arbeiter-Mittelschulen" ins Leben gerufen wurden und eine ausgezeichnete Entwicklung nahmen, in Wien aber nur private Abendkurse für die jungen Arbeiter und Angestellten zugänglich blieben. Selbstverständlich konnten die privaten Mittelschulen nicht die gleichen hohen Leistungen wie die von der staatlichen Unterrichtsverwaltung geführten öffentlichen „Arbeiter-Mittelschulen’ erbringen. Das ist die historische Wahrheit. Die Linzer „Arbeiter-Mittelschule" feierte kürzlich ihren 25jährigen Bestand. Der Bericht, den sie dabei der Oeffentlichkeit vorlegte, zeigt die Größe des Schadens, den Glöckels Verhalten damals den Wiener jungen Arbeitern und Angestellten zugefügt hat.

DIE ENTHEBUNG ALPHONSE JUINS, Marschalls von Frankreich, ranghöchsten Offiziers des Landes, Mitgliedes der Academie Fransaise, von allen seinen militärischen Aemtern läßt einen Machtkampf sichtbar werden, dessen Ausgang noch unübersehbar ist. Sehr gute Kenner der französischen Verhältnisse haben es nicht für möglich gehalten, daß eine Regierung der Vierten Republik ein solches Wagnis auf sich nimmt. Ein Wagnis, das, wenn es gelingt, mithilft, die französische Demokratie der Mitte zu retten. Alphonse Juin ist ja eine mächtige Gestalt im Hintergrund, die, gehalten von Industrieherren, extremen Nationalisten und gewissen Konservativen, allgemein als kommender Diktator genannt wurde; ein Mann, der Frankreichs Ansehen nicht wenig geschadet hat in den letzten Jahren nicht nur durch seine aufreizenden Reden, in denen er einmal Petain feierte, zum anderen Frankreichs Austritt aus der UNO forderte, sondern durch seine Taten. Die Absetzung und Verschickung des Sultans von Marokko ist ebenso sein Werk wie die Konzentrierung aller gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gerichteten Kräfte in Frankreich. Hier wird nun der Januskopf der Zeit sichtbar. Juin, der Rechtskonservative und Nationalist, wurde hierdurch zu einer Fahne, um die sich, klug zurückhaltend, die Kommunisten scharen, indem sie die Nationalisten in den Vordergrund schieben. Juin, der ‘ „starke Mann“, steht aber auch im Mittelpunkt einer amerikanischen Perspektive. Die amerikanischen Militärs behandeln Juin mit Glacehandschuhen — nicht nur, weil er bis jetzt Oberkommandierender der zentraleuropäischen Front in der NATO war — welch ein merkwürdiges Schauspiel: ein Mann, der gegen jede iaktische europäische Zusammenarbeit ist, kommandiert Europas Landtruppen! —, sondern, wie durchscheint, auch aus einem anderen Grunde, Gewisse amerikanische Kreise wollen es sich mit einem Manne, von dem man bei einem etwaigen Totalversagen der französischen Demokratie allerhand erwartet, nicht verderben. Mag dieser starke Mann auch gegenwärtig sehr gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft opponieren... — Vielleicht spiegelt kaum eine Gestalt im gegenwärtigen Blitzlicht so sehr das Drama der westeuropäischen Demokraten wie eben Alphonse Juin: Marschall von Frankreich, Fetisch kommunistischer Parolen gegen Europa, umworben von amerikanischen Generalen und Politikern. — Immerhin: ein kleiner Zivilist, Monsieur Laniel, hat es gewagt, dem starken Mann im Lichterkranz seiner Orden, seiner Militär- und Akademieuniformen, Schach zu bieten. Ein neuer Akt im dramatischen Ringen um Europas Selbstbehauptung nach innen hat begonnen. ,zember 1953 berichtet, sagte der ehemalige Generalsekretär der arabischen Liga, Azzam Pascha: „Ich bin sicher, daß die Araber in der zweiten Runde siegen und Palästina seinen Besitzern zurückgeben werden."

Wie die ägyptische Zeitung „Al Ahram" vom 2. Jänner 1954 berichtet, sagte König Saud von Saudiarabien vor einer Journalistendelegation aus Jordanien:

„Wir werden die Existenz der Juden im geraubten Palästina nicht ertragen, denn diese sind in seinem Körper wie ein Krebs, der nicht geheilt, sondern mit der Wurzel ausgemerzt werden muß."

Wenn daher die arabischen Staaten entgegen ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen einer Ansiedlung der arabischen Flüchtlinge in ihren Ländern nicht zustimmen und die Unterstützung der UNO, die zu diesem Zweck Beträge in der Höhe von 300 bis 800 Millionen Dollar anbot, zurückwiesen, dafür aber laufend Unterstützungsgelder zum Erhalt der Flüchtlingslager annehmem, so beweist dies deutlich genug, daß sie aus politischen Gründen weiterhin an der Aufrechterhaltung des Flüchtlingsproblems interessiert sind.

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