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Österreich in New York

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Das „Österreichische Kulturinstitut“ 5n New York wurde dieser Tage von Bundesminister Dr. Drimmel der Öffentlichkeit übergeben. Sowohl er wie der Direktor des Instituts, Doktor Wilhelm Schlag, haben die Amerikaner zuerst in der Kriegsgefangenschaft kennengelernt. Das ist gewöhnlich nicht der beste Platz, um ein Volk würdigen zu lernen. Daß beide es doch besser verstehen und schätzen gelernt haben als viele Besucher und Beobachter, spricht auch für dieses Volk.

In der Konferenz mit der internationalen Presse fiel daher kein deutsches Wort, sondern Dr. Drimmel regte in flüssiger englischer Rede Verständnis für die Rolle an, die österftläPW westliche Welt spielen kann. Als' vorgeschobenster Posten am Eisernen Vorhang kann es Löcher in ihn bohren, die den Eingesperrten einen Blick in die Freiheit ermöglichen und eine Sammelstelle für eine geistige Elite aus allen Ländern bilden. Jeder vierte Student in Österreich ist ein Ausländer, jeder zehnte stammt aus Asien oder Afrika. Selbst aus Albanien kommen Studenten nach Wien, die nie nach Heidelberg oder Paris gehen dürften. Diese Studenten fühlen sich an den österreichischen Hochschulen, wo sie keinerlei politischem Druck ausgesetzt sind, wohler, können sich mehr dem Studium hingeben als im sowjetrussischen Gebiet zwischen Prag und Ulan Bator, wo sie als zu bearbeitendes Rohmaterial für die Ziele der Gastgeber behandelt werden. Dem Kenner Österreichs drängt sich dabei die Erinnerung an die Monarchie auf, die verschiedene Völker und Kulturen zu verschmelzen verstand, bis ein Krieg diese Mission zerstörte.

Glied einer Kette

Die Vereinigten Staaten dagegen sind jener Teil dieses Körpers, der durch die Aufnahme qualifizierter Personen, zum Beispiel auf dem Gebiet der Atomforschung, aus Zentraleuropa den größten Nutzen gezogen hat. Gelehrte aus dem ganzen Gebiet der Monarchie haben hier eine freundliche Heimat gefunden, die ihre Eigenschaften schätzte, während die Nachfolgestaaten, aus denen sie stammten, sich ihnen immer mehr entfremdeten. Auch für diese ist das Kulturinstitut eine Brücke zu ihrer Vergangenheit.

Es ist das vorläufig letzte Glied einer Kette, die schon 1884 in Rom anfing und sich bisher über London, Paris, Teheran und Kairo erstreckt und auf Warschau sund Belgrad ausgedehnt werden soll. Das Institut ist in einem vornehmen kleinen Gebäude in der besten Gegend New Yorks untergebracht, das ein österreichisches Finanzinstitut vor Jahren zu einem noch erschwinglichen Preis gekauft hat. Es gehört jetzt dem Staat und ist an das Institut vermietet. Es enthält einen Vortragsraum, eine Bibliothek unter Leitung von Frau Zer-n a 11 o, die Wohnung des Direktors Dr. Wilhelm Schlag und schöne, praktische Gasträume. Seine Kunstwerke vermitteln allerdings keinen richtigen Eindruck von der Kunst Österreichs. Sie sind fast durchweg abstrakt; offenbar wollte das Unterrichtsministerium zeitgenössische Künstler fördern. In einem Kulturinstitut sollten aber die Besucher einen Begriff von der Kunst des Heimatlandes auch vor dem Einbruch der Moderne erhalten. Mag man sich zu ihr stellen wie man will, sie verwischt jedenfalls alle nationalen Eigenheiten und ist von Santiago bis Belgrad gleich. Sogar gute Reproduktionen alter Meister, an denen Österreich so reich ist, würden einen besseren Uberblick über die österreichische Kunst durch ein halbes Jahrtausend geben. Es wäre vielleicht eine guj;e Lösung, diese Werke modernster österreichischer Künstler im aufnahmsfähigen amerikanischen Markt zu verkaufen und durch Reproduktionen oder Leihgaben klassischer österreichischer Kunst zu ersetzen.

Ein „Clearinghaus“

Schließlich, für wen ist das Institut geschaffen, für die Österreicher oder für die Amerikaner? Wenn man von dem „zehnten Bundesland,“ spricht, so darf man sich keinen Illusionen hingeben. Es hat New York, Kalifornien und die großen Städte der USA nur in Pacht, deren Ablauf abzusehen ist. Es gibt noch eine österreichische Kolonie in New York — Kolonie ist unabhängig von Staatsbürgerschaft —, aber sie stirbt ab. Sie hat keinen Nachwuchs. Mit wenigen Ausnahmen hat die nächste Generation den Zusammenhang mit Österreich verloren.

Für die früheren Österreicher in New York wird also dies schöne Haus nur einen Wert haben, der nach Jahren zählt. Das mindert aber nicht seine Bedeutung für die Beziehungen Österreichs zu den USA. Um ein Wort Dr. Schlags zu zitieren: Es kann ein Clearinghaus zwischen den Österreichern in Österreich und den Amerikanern in New York werden. Macht man sich in Österreich ein klares Bild von seiner Bedeutung für die USA? Nachdem es aus politischen Gründen bei der UNO nicht die Rolle eines unabhängigen Warners erfüllen kann und sie Australien und Neuseeland

überlassen mußte, ist es für die Amerikaner ein Land der Berge und der Kunst geblieben. Sie kennen es vom Skifahren, von den Salzburger Festspielen und der Wiener Oper, von seiner Kunst und Literatur, und zwar von jener vor 1938. Daß es auch einmal ein Recht hervorgebracht hat, von dem man hier viel lernen könnte, ist keinem amerikanischen Juristen bekannt, und doch könnte bloß die Anpassung an das Grundbuchrecht und das Verlassenschaftsverfahren dem Land jährlich eine halbe Milliarde Dollar ersparen. Kurz, die Gefühle Amerikas für Österreicher sind stärker als seine Kenntnisse.

Viele, viele Aufgaben

“ Hier ist ein weites Feld für das Kulturinstitut. Es kann Österreich den Amerikanern und, im Abstand, Amerika den Österreichern näherbringen. Seine Darbietungen sind auf die Amerikaner abzustellen. Ihnen soll Österreich im geschriebenen und gesprochenen Wort und im Bild nähergebracht werden. Vorträge von Österreichern über die verschiedenen Gebiete österreichischer Leistung, nicht nur über Kunst und Literatur, sind sehr geschätzt. Die Vorträge von Karnitz und Kerschagl vor einigen Jahren sind nicht vergessen, obwohl sie nur einem ausgewählten Kreis zugänglich waren. Dieser Kreis ist durch das Institut zu erweitern. Ein Vortrag über ein neues technisches Verfahren der VÖESt.; über die medizinischen Einrichtungen Österreichs und deren Unterschiede von den amerikanischen; über die Gründe für und wider große und kleine Investitionen in Österreich; über dessen Stellung zu EEC und EFTA; über den Einfluß des europäischen Menschenrechtsgerichtshofes auf die Gesetzgebung Österreichs '— um nur ein paar Beispiele herauszugreifen — könnte jeweils verschiedene amerikanische Kreise anziehen und für Österreich interessieren, besonders wenn sie englisch gehalten werden.

In der Bibliothek müßten alle neuen österreichischen Publikationen und Bücher einschließlich der Gesetzesausgaben und juristischen Zeitschriften zu finden sein, die sonst hier kaum aufzutreiben sind. Die Zeitschrift des Afro-asiatischen Instituts zum Beispiel könnte zeigen, daß in Österreich auch Fragen, die die USA bewegen, vielleicht wegen der Distanz, treffender behandelt werden als in zahlreichen Publikationen anderer Länder einschließlich mancher der USA.

Wie möglichst viele Amerikaner zu den Vorträgen, Ausstellungen und in die Bibliothek gelockt werden können, ist eine Aufgabe für die rührige und aufgeschlossene Institutsleistung. So könnte das wirkliche Österreich den New Yorkern und amerikanischen Besuchern New Yorks nähergebracht werden. Dann werden sie erkennen, daß Österreich mehr als ein Land für Ski- und Musikbesuche ist, und die Auslagen für das Kulturinstitut werden reiche Zinsen, direkte geistige und indirekte materielle, tragen.

DER ABSCHIED DES MINISTERS.

Der Finanzminisfer der Regierung Gorbach I, Dr. Josef Klaus, verabschiedete sich von den Journalisten in einer Pressekonferenz am letzten Dienstag. Dr. Klaus dankte „Freund und Gegner“ für die inm gewährte — direkte oder indirekte Unterstützung und fügte hinzu, er habe während seiner Amtszeit tiefe Einblicke in die Zusammenhänge zwischen Staat und Wirfschaft, Staatsbürger und Staaf gewonnen. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dafj in Zukunft weniger Gruppenegoismus und mehr Vernunft die Diskussionen über das Budget charakterisieren möge. Das Budget 1963 bezeichnete er als akzeptabel, aber als ein Budget mit Schönheitsfehlern. Es ist etwas zuwenig gespart, geopfert worden, sagte Dr. Klaus. Probleme des Kapitalmarktes, der Preisstützungen wurden nicht gelöst. Was Österreich brauche, wäre ein neuer Stil der Wirfschaftspolitik, eine Abkehr von den Illusionen, eine Bereifschaft zur Sparsamkeit und echten Opfern.

DIE GEWISSENSFORSCHUNG BEGINNT. Die neue Regierung war noch nicht gebildet, als bereits einzelne Parfeipolifiker mit der Gewissensforschung begonnen haben. Die erste Stimme meldete sich aus dem Lager der Sozialisten. Der frühere Justizminister Tschadek sagte bei einer Landeslagung des Bundes Sozialisfischer Akademiker in Salzburg, es gehe nicht an, dafj die Parteigremien die gewählten Vertreter des Volkes zu blofjen Zuschauern degradieren. Künftige Koalitionsvereinbarungen sollten auf parlamentarischer Ebene ausgehandelt werden; der Schwerpunkt der Parteien gehöre in das Parlament und nicht in die Regierung. Ahnliche Diskussionsvorschläge wurden bereits vor Jahren etwa in der Zeitschrift des Österreichischen Akademikerbundes veröffentlichs. Die Entwicklung dürfte jenen, die vor einer weiteren Degradierung der gewählten Volksvertreter warnten, recht gegeben haben.

EINE LAWINE VON UNTERSCHRIFTEN.

„Schimpfen allein genügt nicht — wehrt euch gegen das FunkdikfafI Mit diesem wirkungsvollen Schlagwort zogen Kollegen und Freunde von einer Wiener und einer Grazer Zeitung ins Feld. Hunderte und Tausende von Unfersehriftenzetteln laufen bei den Redaktionen .ein, die Unterschriftenlawine rollt... Gegen wen oder was richtes sich diese Aktion? Die Koalilionsparteien haben etwas schüchtern bekanntgegeben, dafj bei den Verhandlungen über die Einsetzung weiterer Parteikandidafen als Sendeleifer und Redakteure volle Einigung erzielt wurde. Die Pläne zur Entpolitisierung und Sanierung des Rundfunks wurden stillschweigend fallen gelassen. Es existierten und existieren solche Pläne. Der Rundfunkvorstand selbst hat vor mehr als einem Jahr eine Expertengruppe aus • der Schweiz mif der Ausarbeitung eines Gutachtens beauftragt. Uber das Ergebnis haben sich die Parteien zerstritten. Es ist bekannt, dafj Parteimanager und da die Sozialisten vor allem, die dafür offenbar besonders geschult werden, in Machtpositionen, in Schlüsselstellungen und Brückenköpfen, denken. Igelstellung gegen Igelstellung, die Fernrohre und Gewehrmündungen gegeneinander gerichtet: so mühten die Mitarbeiter einer der wichtigsten Institutionen der Gegenwart, die nur der Kultur und der Volksbildung und demnach auch der Politik nur in höherem Sinn dienen sollte, „zusammenarbeiten“. Der Alltag ist freilich milder, aber er ist noch schlimm genug, denn die Kompromisse gehen oft auf Kosten der Leistung, und die Mafjstäbe sind krumm. Nur von Ubelständen beim Rundfunk und Fernsehen Sprechen, hiefje freilich Wirkung mit Ursache verwechseln. Das schlechte Abendprogramm verdirbt die Laune — der schlecht geführte verstaatlichte Betrieb macht den Staaf, macht alle ärmer.

MADE IN GERMANY. In die Auseinandersetzungen um die Mitarbeit deutscher Wissenschaftler bei der Entwicklung ägyptischer Fernrakefen hat sich nun auch Bundeskanzler Adenauer eingeschaltet. Die israelische Regierung erklärte bekanntlich, über Material zu verfügen, das die vermeintliche oder tatsächliche Tätigkeit deutscher Waffen- und Raketenspezialisten in Ägypten erhelle. Begreiflicherweise gab sich Israel mit der etwas unverbindlichen deutschen Erklärung vom vergangenen Freitag nicht zufrieden und hat dem Bonner Aufjenministerium angekündigf, das belastende Maferial zu veröffentlichen. Bundeskanzler Adenauer läfjt nun die Möglichkeiten für ein deutliches Eingreifen Bonns prüfen, wobei er der Unterstützung aller im Bundestag vertretenen Parteien sicher sein kann. Die Bonner Regierung ist vor allem daran interessiert, zu zeigen, dafj sie mit den Technikern, die Nassers Raketen entwickeln, nichts zu tun hat und auch gar nichts zu tun haben will. Politisch gut informierte Kreise rechnen mit einem persönlichen Aufklärungsschreiben Adenauers an Ministerpräsident Ben Gurion. Die arabische Liga hingegen fordert ihre Mitgliedstaalen auf, die Bonner Regierung zur Ablehnung der israelischen Forderungen zu veranlassen, denn Israel versuche nur, unter politischem Druck materielle Hilfe und höhere Wiederguf-machungsbeträge zu erzielen.

AMNESTIE IN UNGARN. Die dritte

Amnestie seit dem Volksaufstand im Jahre 1956 wurde kürzlich in Budapest bekanntgegeben. Die Freilassungen sollen bis zum 4. April abgeschlossen sein. Westliche Beobachter sind der Meinung, dafj diesmal nur mit verhälfnismäfjig geringen Ausnahmen alle politischen Häftlinge freigelassen werden. Man weih, dafj sich unter ihnen auch jene meist jungen katholischen Priester und Laien befinden, die im Jahre 1961 in öffentlichen und nichtöffentlichen Prozessen zu längeren Freihäiisstrafen verurteilt wurden. Zu den Amnestierten gehören ferner eine Reihe von bekannten Wissenschaftlern, Schriftstellern und Politikern, unter anderem der frühere Minister in Imre Nagys letzter Regierung, Istvän Bibö, dessen politische Gedanken, aus dem Gefängnis ins Ausland geschmuggelt, seinerzeit auch die „Furche“ einer kritischen Würdigung unterzog. Man rechnet mit der Freilassung des Soziologen Ferenc Merey, des Volkskundlers Läszlö Kardos, des früheren Sekretärs des Petöfi-Klubs, Gabor Tänczos, der führenden Funktionäre des zentralen Arbeiterrafes von Budapest aus den Revolufionstagen. Sändor Räcz und Sändor Bali, und vieler anderer. Kardinal Mindszenty soll um Gnade ansuchen, hier) es in einer offiziösen Erklärung. Es ist wohl völlig abwegig, mit einer solchen „Lösung“ des Falles Mindszenty zu ' rechnen, wie dies auch in vatikanischen, Kreisen betont wurde. Diese Amnestie kann aber trotzdem nur als ein positiver Schritt des Regimes in Ungarn gewertet werden, selbst dann, wenn man dafür in Kauf nehmen mufj, dafj auch Personen, die sich während der Zeit des „Personenkultes“ gemeiner Verbrechen schuldig gemacht haben, nun freikommen.

USA IN SUDAMERIKA. Präsident Kennedy hat sich mit den mittelamerikanischen Staatschefs von Guatemala, Honduras, Panama, Nicaragua, El Salvador und Costa Rica .in San Jose getroffen. Man wurde sich einig, gegen Castros Kuba sfandzuhalfen. Die Vertreter von sechs Kleinstaaten, denen jedoch eine strategische Bedeutung zukommt, haben sich mit dem Staatschef einer der beiden gröfjfen Weltmächte getroffen. Eine Woche darauf findet der Kongrefj der kommunistischen Partei in Sao Paulo statt. In schöner Offenheit steht er unter dem Motto: „Freiheit vor der Weltbeherrschung durch den Yankee-Imperialismus“. Die Presse der Vereinigten Staaten berichtet gleichzeitig über die verstärkten Bemühungen der Sowjetunion, in Brasilien Fufj zu fassen: durch verstärkte Wirtschaffshilfe, durch versfärkfe politische Propaganda. Im amerikanischen Kongrefj wird es zu einem harten Kampf um die Wirtschaftshilfe für Brasilien kommen. Manche Beobachter haben sich über Kennedys „aggressive Sprache“ in San Jose1 gewundert. Kennedy befindet sieh in der Defensive. Er weifj wahrscheinlich so gut wie seine Gegner in Moskau, dafj trotz aller Fehler, Torheiten und Grausamkeiten des Fidel Castro, Südamerika ein Super-Kuba werden kann. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung in den Vereinigten Staafen ermöglichen es derzeit nicht, Südamerika wirksam Hilfe zu leisten. Kennedys Friedenshilfscorps sind ein Tropfen auf einen heihen Stein, in ein Meer von Elend, Wut und Blut. Washington kämpfs hinhaltend, zögernd, mehr mif gro-fjen Worten, als mif Taten, in Südamerika. Moskau drängt vor, aber nicht allzusehr: Peking wartes auf seine Stunde. Seis geraumer Zeit ist man in Peking daran, in Südamerika eine Bastion für den Sturm auf die Vereinigten Staaten aufzubauen. Für uns bedeutes die historische Erinne. rung wenig Trost, dafj bereits im ersten, dann im zweiten Weltkrieg von deutscher Seite versucht wurde, eine südamerikanische Basfion gegen die USA aufzubauen...

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