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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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PROFESSOREN UND STUDENTEN AN EINEM TISCH, alle bemüht, ihren Standpunkt zu der Frage Erhöhung der Studien- und P r üf ung s g eld er zu vertreten — das war bestimmt ein guter Gedanke für eine Pressekonferenz. Schade, daß er durch in die Öffentlichkeit getragene Animositäten innerhalb des studentischen Lagers eine Einbuße erlitt. Denn noch immer dauert der unerfreuliche Zwist zwischen der Union österreichischer Akademiker und den Sozialistischen Studenten an… Davon abgesehen, sind die Fronten klar. Die Hochschulprofessoren stehen einmütig hinter dem Beschluß der letzten Rektorenkonferenz. Ganz im Sinne jenes in Nr. 48 1951 der „Furche“ veröffentlichten Artikels „Von akademischer Seite“ fordert diese eine fünffache Erhöhung der Kolleggelder und Prüfungstaxen, während der, Wiederaufbau- und Aufwandsbeitrag eine Erhöhung auf das Dreifache erfahren soll. Die Valorisierung der gegenüber dem Nachziehverfahren der Beamten noch immer zurückgebliebenen Gehälter der Hochschullehrer glaubt man auf diesem Weg zu erreichen. Die Studenten anerkennen die Dringlichkeit der finanziellen Forderungen ihrer Lehrer, sie unterstützen vor allem die jungen Dozenten, Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräfte in ihren Bemühungen um einen gerechten Lohn, allein mit der Losung „Sollen Ärmere den Armen helfen?“ nehmen sie gegen eine Überwälzung dieser finanziellen Lasten auf ihre schmalen Börsen Stellung. Der Ausweg scheint in der Erklärung der Professoren zu liegen, daß allein die bemittelten Studenten, Söhne und Töchter zahlungskräftiger Väter — nur ein Drittel aller Studierenden! — von der Erhöhung erfaßt werden, während für die anderen durch weitestgehende Ermäßigungen keine Veränderungen eintreten sollen. Das ist ein Wort, das auf eine gute Aufnahme rechnen darf. Es gilt nur jene Garantien zu geben und jenes Vertrauen zu schaffen, die den gewählten Fürsprechern der Studentenschaft eine prinzipielle Zustimmung ermöglicht, ohne daß sie die Interessen der bestimmt mit Glücksgütern nicht gesegneten Mehrzahl ihrer Kollegen preisgeben.

DER ANTRAG AUF SCHAFFUNG EINES VOLKSBÜCHEREIGESETZES — sein Initiator ist der Verband demokratischer Schriftsteller — verdient Aufmerksamkeit und Beachtung. Zwei Fliegen könnten durch, seine Verwirklichung mit einem Schlag getroffen werden. Vielen geistigen Arbeitern käme so die notwendige Hilfe, die österreichische Volksbildung aber hätte einen großen Schritt vorwärts getan. Das Volksbüchereigesetz würde alle österreichischen Gemeinden auf Grund des ausgearbeiteten Vorschlages dazu verpflichten, eine öffentliche Bücherei zu gründen beziehungsweise zu erhalten, deren Buchbestand literarisch einwandfrei sein müßte. Die allgemeine Volksbildung, die dazu berufen wäre, die moralischen und geistigen Schäden unseres Volkes, wenn nicht völlig zu heilen, so doch mindestens zu mildern, würde dadurch eine wesentliche Unterstützung erfahren. Dies war der Tenor aller Fürsprecher dieses Gesetzes. Auch das Verlagsgeschäft, für welches das kleine Österreich eine zu beschränkte Basis darstellt, würde durch etwa 1500 öffentliche Büchereien mit einer gewissen Mindestauflage guter Bücher rechnen können. Allein der Schaffung dieses Gesetzes stehen sowohl von verfassungsrechtlicher als auch finanztechnischer Seite Schwierigkeiten entgegen, die allein der gute Wille und die Verpflichtung zum Geist' meistern könnten. Wenn es allerdings so ist, daß schon bei der rechtlichen Definition des Begriffes Volksbücherei kulturpolitische Kämpfe entbrennen müssen und daß der österreichische Städtebund für alles andere eher Geld aufzubringen gewillt ist als für die geistige Nahrung des Volkes, wie aus seinem einstweiligen Nein zu diesem Gesetzesvorschlag zu entnehmen ist, dann wird der Bundesminister für Unterricht, der ein solches Gesetz begrüßte, weiterhin vergeblich kämpfen müssen.

DER BEFREIER ROMS wird nicht als erster Botschafter der USA beim Vatikan in Rom einziehen. Präsident Truman hat seine Nominierung zurückgezogen. General Clark selbst hat auf sie verzichtet. Ein Vorgang mit bedeutenden amerikanischen, europäischen, vielleicht weltpolitischen Perspektiven. Truman hat seine jetzige Entscheidung wenige Wochen vor dem Start des Wahlkampfes getroffen: offensichtlich nicht ohne Rücksicht auf die Wähler, die hinter den 5000 Protesten gegen eine reguläre diplomatische Vertretung der Staaten beim „Römischen Papst“ stehen; er hat es dabei aber auch nicht ganz an Rücksicht auf die 29 Millionen Katholiken in den USA fehlen lassen; ihnen baut der Nachsatz eine Brücke zu künftigen Hoffnungen: der Präsident werde sich zu einem späteren Zeitpunkt mit der Unterbreitung einer anderen Nominierung befassen. — Die Vorsicht in der Formulierung deutet bereits darauf hin, daß hier eines der heißesten Eisen der amerikanischen Innenpolitik berührt wird. Hier spielten natürliche alte Affekte und Ressentiments eine nicht zu übersehende Rolle. Jeder Politiker in den Staaten muß mit diesen historisch gewordenen Gegebenheiten rechnen; hinter diesem politischen Anliegen treten die Bedenken des Generals, der, was verständlich wirkt, sein hohes militärisches Amt, das verbunden ist mit hohen Verantwortlichkeiten und hohen Einkünften, ungern aufgeben will, in unserem Interesse zurück. Um so stärker aber tritt nun ein europäischer Aspekt in den Vordergrund: Trumans Verzicht kommt zeitlich drei Wochen nach der hochpolitisch bedeutsamen Weihnachtsrede des Heiligen Vaters, in der dieser die Mittlerdienste der Kurie der ganzen Welt anbot. Ein General als ständiger Vertreter einer ersten Weltmacht beim Heiligen Stuhl — es läßt sich denken, daß diese Installierung nicht als verheißungsvolles Symptom einer neuen Ära des Friedens auf gefaßt würde; und zwar nicht nur von jenen zahlreichen kommunistisch orientierten Kreisen samt all ihren Klienten, Observanten und Brotgängern, die bereits seit langem ein Kesseltreiben gegen die „USA-Hörigkeit“ und gegen das „Kriegshetzeramt“ Roms exakt, mit Ausdauer und nicht geringem Erfolg durchführen. Der Heilige Stuhl richtet sich nun sicherlich nicht nach den Wünschen und Gesichtspunkten dieses großen Gegners, er sieht aber auf die Sorgen gerade auch der europäischen Katholiken, deren erstes Herzanliegen darin besteht, die Souveränität und Unantastbarkeit des Papsttums allen Weltmächten gegenüber makellos vor allen Augen repräsentiert zu sehen. Es kann also nicht behauptet werden, wie es in einer gewissen Weltpresse geschehen ist, daß die Kurie enttäuscht und verlegen auf die Absage aus Washington reagiert. Rom hat viele Generale, Kaiser, Könige und Präsidenten kommen und gehen gesehen. Gelassen hat es sie empfangen, ihre Gaben, Reden, Verheißungen und Drohungen erhalten, und dann den Blick weiter gewandt: auf die Völker, die hinter, die unter jenen standen und stehen und deren Ruf und Sorge oft größer, dringender und ansprechender ist als der ihrer offiziellen Vertreter.

WINSTON CHURCHILLS AMERIKAREISE war der heroische Versuch dieses „großen alten Staatsmannes“, den Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien wieder jene Wärme und Vertiefung zu verleihen, die seinem Konzept entsprechen und wie er sie zwischen Roosevelt und sich in den Tagen der Bedrängnis des zweiten Weltkrieges zu entwickeln verstanden hatte. Wieder kam der Wortführer des britischen Reiches in der undankbaren Rolle des Hilfeheischenden, wieder riß er die amerikanische Volksvertretung durch seine oratorische Meisterschaft zu Begeisterung hin. Aber in diese persönliche Huldigung mischten sich sachliche Zweifel, ja Gelächter, als Churchill die reale Konsequenz aus der Not der Gegenwart zu ziehen begann. Gewiß, der britische Premier forderte nicht Geld, sondern Stahl, Stahl zur gemeinsamen Verteidigung der westlichen Welt. Aber ob nun das eine oder das andere — das Land der unbegrenzten Möglichkeiten beginnt zum ersten Male seine Grenzen zu ahnen. Europa, Nordatlantik und Mittelmeer, der Krieg in Korea, der Schutz des menschenleeren australischen Kontinents, das Rätsel Rotchina mit seinen südöstlichen Ausstrahlungen — sind ebenso viele Punkte, die die amerikanische Militär- und Finanzkraft unter Spannung halten. Im Nahen Osten bricht ein Brandherd nach dem anderen aus. Wie sich die Beziehung zwischen Pakistan und Indien, die Lage innerhalb dieser beiden Staaten entwickeln wird, steht noch dahin. Grund genug, auch mit schier unerschöpflichen Mitteln hauszuhalten. Es ist gewiß, daß die USA Großbritannien zum militärischen Schutze des europäischen- Raumes jede denkbare Unterstützung leihen werden. Einem Engagement am Suezkanal dagegen scheinen sie wenig geneigt, so abwegig andererseits die Hoffnungen Ägyptens waren, bei Amerika gegen England Schützenhilfe zu finden. Die Kräfte des Commonwealth sind immer noch gewaltig, und die Vereinigten Staaten wissen dies sehr wohl. Sie richtig einzusetzen, ist eine Frage der Organisation und Disposition, und der „Organisator des Sieges“ wird sie trotz aller gegenwärtigen Schwierigkeiten mit Erfolg zu entwickeln und zu nutzen wissen.

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