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Randhemerkungen zur woche

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DER RECHTSVORHALT DES BUNDES- 1 KANZLERS RAAB AN DIE MÄCHTE zum . 10. Jahrestag der Moskauer Deklaration wird . in der Geschichte der internationalen Politik und des Völkerrechts in die Kategorie jener . wichtigen Urkunden eingereiht werden, nach , denen die Nachwelt Leistung und Erfolg, l Schuld und Fehler der Fährer einer histori- . sehen Periode zu bemessen püegt. Dieses . Dokument ist eine Analyse der Hauptursachen . der jetzigen getährlichen Weltsituation. Mit ; unerbittlicher Logik häuft es aus den feier- , liehen Proklamationen der Siegetmächte des zweiten Weltkrieges und aus den Bekundungen und Verheißungen ihrer Staatsmänner Argument um Argument zu der Anklage gegen das schwere Unrecht, das seit Kriegsende dem österreichischen Volke angetan wird, einem Volke, das keine Sclmld an diesem blutigen Geschehen trägt. Gegenüber dem Scliwächeren das verpfändete Wort niclit einlösen, ihm Recht und Freiheit verkürzen, weil man ihn nicht fürchtet, und auf die Gewißheit sündigen, daß dieses Oeslerreich, in die Erdbebenzone zwischen Ost und West gestellt, seiner geschichtlichen, heute wie je gülligen Aufgabe verschworen bleiben wird, der Sicherheit und dem Frieden der Völker zu dienen, ist eine primitive Politik. Und was ärger ist, auch eine schlechte Politik. Treu und Glauben erschüttern, feierliche Versprechen mißachten, untergräbt die eigene Gemeinschaft. Das züchtet ringsum und auch im eigenen Hause Mißtrauen, Unruhe und Hochverrat. Man sollte meinen, der Erfahrungen, die mit solcher Staatskunst gemacht werden, seien schon genug gesammelt. Panzerheere und Polizeiarmeen genügen nicht zur inneren Sicherheit der Macht. Unentbehrlich ist ein wenigstens bescheidenes Maß von Moral und Achtung vor dem Recht. Bundeskanzler Raab riet in die Welt hinaus: .Auch die Geduld des österreichischen Volkes geht einmal zu Ende!“ Das konnte niemand als eine Drohung verstehen. Aber es wäre gut, wenn es an der rechten Adresse als eine Mahnung verslanden würde.

DIE DURCH DEN UNTERRICHTSMINISTER EINGELEITETE NEUORDNUNG DER BUNDESTHEATER zielt auf .Arbeitsteilung' und Abgrenzung der beiden Kompetenzbereiche Verwaltung und künstlerische Leitung. Der neuernannte Leiter der Bundestheaterverwaltung, Ing. Ernst M a i b o e, besitzt nicht nur wichtige Qualitäten für diesen verantwortungsvollen Posten, sondern scheint auch zu garantieren, daß es zu keiner Isolierung zwischen künstlerischen und administrativen Belangen kommen wird. Als Techniket und Diplomingenieur kennt er den Wert exakter, gewissenhafter Arbeit. Seine musische Neigung und kulturelle Aufgeschlossenheit befähigten ihn zum Leiter der Kulturabteilung des Bundespressedienstes, zur Herausgabe des erfolgreichen, in mehrere Sprachen übersetzten Oesterreich-Buches und zur Mitarbeit an dem großen Oesterreich-Film. Daß Ing. Marboe als unermüdlicher Arbeiter gilt und der mittleren Generation engehört (Jahrgang 1909), scheint uns gleichfalls von Vorteil zu sein für einen Posten, der einen ganzen Mann erfordert. Es ist zu erwarten, daß sich der neue Leiter der Bundestheaterverwaltung, der kein leichtes Erbe zu verwalten hat, seiner hohen Verantwortung stets bewußt sein wird.

TROTZ MANCHER DUNKLER STUNDE darf gesagt werden, daß die europäische Einigung weil mehr als bisher eine politische Realität geworden ist. Der zweite Europakongreß in Den Haag kann ohne weiteres dafür zeugen. Robert Schuman, Spaak, De Gasperl und von Brentano unterstrichen durch ihre Anwesenheit und ihre Interventionen das nicht erlahmende Interesse dieser Staatsmänner am Wachsen eines Werkes, für ■Welches sie ihre besten Kräfte verwendet hatten. Bundeskanzler Adenauer betonte in seinem Telegramm den Willen der Bonner Regierung, seinen Wahlsieg im Sinne Europas restlos auszuwerten. Vertreter der Unler-nehmerorganisatlonen, der Gewerkschalten, der politischen Parteien und erfreulicherweise sehr viel Jugend bestimmten die Arbeiten des zweiten Europakongresses, der an die dramatischen Momente anknüpfte, als Churchill einen feierlichen Schwur für Europa ablegte. Es mag bedauerlich sein, daß das konservative England sich dessen nicht mehr erinnert, daß es vergessen hat, in welcher Weise der Schwiegersohn Churchills, Duncan Sandys, durch Jahre die Europabewegung animierte. Hatte sich damit der europäische Konservativismus selbst von den Beratungen ausgeschlossen, so traten dadurch die Aktionen der christlich-demokratischen Parteien um so mehr ans Licht. Gegenüber dem Zögern der anderen Parteien haben sich sämtliche christlich-demokratischen Parteien Europas eindeutig für die Integration ausgesprochen und niemals diese politische Linie verlassen. Man kann Immerhin verwundert sein, daß sich diese Tatsache nicht stärker in den Beratungen des Kongresses gespiegelt hat, denn es waren vielmehr die sozialistischen Kräfte, weiche in den Kommissionen die Diskussionen leiteten, Allerdings waren weniger die oifi-ziellen sozialistischen Parteien auf dem Kongreß vertreten, sondern jene „Minderheitssozialisten“ wie Andre Philippe und Jacquet, die holländischen und belgischen Sozialisten und nicht zuletzt Spaak, der niemals verfehlt, von der christlichen, Kultur Europas zu sprechen. Der Kongreß beschäftigte sich mit den politischen Problemen hauptsächlich im Zusammenhang mit der Verteidigung Europas. Er konnte sich nicht zur Ansicht bekennen, daß eine echte Entspannung zwischen Ost und West erzielt wurde. Daher drängten die Delegierten auf eine baldige Ratifizierung der EVG-Verträge. Durch die überraschende Erklärung Guy Mollets auf der Herbstsession des Europarates in Straßburg darf mit der Zustimmung der sozialistischen Partei Frankreichs iür die Verträge gerechnet werden. Uebrigens hat Pierre Henri Teitgen dem Kongreß ausdrücklich bestätigt, daß Frankreich die Verträge ratifizieren werde. Auf alle Fälle kam zum Ausdruck, daß Europa sich vorläufig nur auf die sechs Schuman-Plan-Staaten beschränken wird. In diesem Punkt ist sicherlich eine Entscheidung bis auf weiteres gefallen. Die Frage steht nur noch offen, inwieweit die übrigen freien Nationen sich dem Europa der Sechs anschließen können. Die Erklärungen des britischen Unterslaatssekretärs Nutting lassen auf eine enge Teilnahme Großbritanniens in der Verteidigungsgemeinschall schließen, ohne daß diese Assoziation organische Formen annehmen wird. Den Haag war kein Kongreß großer Entscheidungen, sondern nur die eindrucksvolle Bestätigung, daß Europa mehr denn je seine Einheit sucht. Die wenigen österreichischen Beobachter fragten sich, ob in diesem Konzert auch einmal wieder die Stimme Oesterreichs vernehmbar sein wird.

IHREN VOLLSTÄNDIGEN WIRTSCHAFTLICHEN ZUSAMMENSCHLUSS haben Irak und Jordanien vereinbart: ein Schritt, der den beiden Staaten gewiß dadurch erleichtert wurde, daß ihre Herrscher der gleichen Dynastie angehören. Es läßt sich daher gewiß nicht voraussagen, daß dieser Fall im arabischen Raum nun allgemein Schule machen würde. Immerhin geschieht es zum ersten Male, daß sich in der Vielfalt der Nachfolgestaaten, die der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches entstehen ließ, ein Schritt zur Konzentration zeigt. Die Zerschlagung der alten Türkei hatte im Nahen Osten außer der die Kerngebiete behauptenden neuen Türkei sechs neue Staaten entstehen lassen. Deren Grenzen waren jeweils durchaus nicht immer geographisch, wirtschaftlich oder ethnographisch begründet. Rivalitäten einheimischer Dynasten spielten da eine ebenso große Rolle, wie die Absteckung ausländischer Interessensphären und Mandate. Entsprechend abgewandelt, hat sich damals zwischen dem Mittelmeer und dem Persischen Golf das gleiche abgespielt wie zwischen Bodenbach und Cattaro.., Die Wiederkehr der wirtschaftlichen Vernunft in den Beziehungen der Teilstaaten ist aber inzwischen im Nahen Osten scheinbar weiter vorgeschritten als im Nächsten.., * t

DIE BRITISCHE VORHERRSCHAFT IM MITTELMEER, begründet durch die Sclrlacht bei Abukir, gestützt auf Gibraltar, Malta und Zypern, ist Schritt aut Schritt an die USA übergegangen. Die Vereinigten Staaten haben schon seit längerem mit ihrer im Mittelmeer stationierten 8. Flotte die historische Maltaflotte der Engländer, besonders an modernen, großen Flugzeugträgern, überflügelt. Doch fehlte es ihnen an eigenen Basen, ihre Kriegsschiffe mußten in britischen, französischen und italienischen Häfen ankern und zu größeren Instandsetzungen die weite Heimfahrt über den Allantik antreten. Nun hat die Marine der USA an den neuen spanischen Stützpunkten Carla-gena, Almeria, Valencia und Barcelona Heimathäfen gewonnen, die sie nach ihren organisatorischen und technischen Bedürfnissen ausgestalten kann. Ist es bereits ein Zeichen der geänderten Lage, daß die griechische Regierung — 125 Jahre nach der Seeschlacht bei Navarino, in der britische Kriegsschiffe die Befreiung des Landes besiegelten — .aus Ersparnisgründen“ um die Abberufung der bri-\ tischen Marinemission aus Athen ersuchte und kurz darauf ein Abkommen schloß, das den USA Marine- und Luftstützpunkte auf griechischem Boden überläßt? — Noch liegen freilich achtunggebietende britische Seestreitkräfte im Halen von La Valetta, aber die Zeiten sind vor-“ öei, da die Nachricht: .Die Maltaflotte ist mit versiegelter Order ausgelaufen' die Welt aufhorchen ließ. Im Mittelmeer, das die Galeeren der Phönizier und Römer furchten, ist der Dreizack an einen Staat übergegangen, der noch j ein Menschenalter vor dem Seesieg nicht be-' stand, durch den Nelson den weithin tönenden ' Adelstitel eines .Lord of the Nile' errang.

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