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Randbemerkungen zur woche

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Der Referentenentwurf zur Besatzungssteuer, der jetzt der Öffentlichkeit unterbreitet wurde, droht die Steuerkraft der Be. völkemng mit einer der anspruchsvollsten Maßnahmen unserer Finanzlegislatur zu belasten. Nicht umsonst ist schon die Höhe der jetzigen Einkommensteuer, die höchste unter allen europäischen Staaten, ernsten volkswirtschaftlichen Bedenken begegnet und ihre Herabsetzung verlangt worden. Anstatt einer Herabsetzung soll jetzt nach dem Entwurf eine neue, sehr beträchtliche Erhöhung statthaben, die schon bei einem armseligen versteuerbaren Monatseinkommen von 200 S beginnen und dann progressiv steigen soll• Und nicht genug damit, eines der verwerflichsten, einer geordneten Wirtschaftsführung widerspre. chenden Mittel der Steuerpolitik, die V or au s- Zahlung, soll auch hier einsetzen. Dieselben Maßnahmen sind für die Körperschaft s- und die Lohnsteuer vorgesehen. Die bedrängte finanzielle Lage des Staates ist eine unitbänderliche Tatsache, mit der jeder Österreicher rechnen muß. Sie bedeutet für ihn für lange Zeit den Abschied von der Lebenshaltung der Vorkriegszeit, strenge Einschränkung und viele Sorgen. Aber dies alles wird ertragen werden, wenn der Steuerträger die Überzeugung hat, daß der Staat einen Haushalt von strengster Sparsamkeit führt und nur das Unumgängliche von ihm verlangt. Diese Überzeugung dem Steuerträger nahezubringen, müßte das Streben jeder Finanzverwaltung sein, die auf Steuermoral und das Mitgehen des Staatsbürgers in den wirtschaftlichen Lebensfragen des Gemeinwesens Wert legt. Mit Steuervorsckrei- bungen Staatsbedürfnisse zu decken, ist eine allzu simple Kunst, als daß sie den Erfordernissen der Gegenwart standhalten könnte. Dennoch hat die Bevölkerung bisher von dem Willen, mit anderen Mitteln der Bedarfsdeckung gerecht zu werden, wenig gesehen. Noch immer wird dies dem Steuerträger durch die luxuriösen Kleinigkeiten der öffentlichen Fassade — Kleinigkeiten, die aber für das Ganze charakteristisch sind — deutlich gemacht: der Kraftwagenbedarf öffentlicher Körper, schäften in Staat und Land übersteigt die Ziffern der Vorkriegsze’ų bis zum Sechsfachen. Jede Nationalratssitzung ist mit einer unvergleichlichen Wagenparade auf dem Parkplatz des Parlaments verbunden. — Wer neue Steuern verlangt, müßte zuerst im Vollzüge befindliche Sparmaßnahmen und Verwaltungsreformen vorweisen.

Die Aufnahme bescheidener Handelsbeziehungenösterreichs mit de r Bizone Deutschlands ist Anlaß zu einer heftigen Kampagne gegen Österreich. Die Tatsache, daß der seit eh und je bestehende Warenaustausch zwischen der deutschen und der österreichischen Volkswirtschaft nun mit einem Bruchteil seiner normalen Kapazität begonnen wurde, wird von der Moskauer „Iswestija“ als ein erster Schritt zu einem neuen politischen Anschluß bezeichnet. Diese Auslegung eines Handelsvertrages bat zweifellos Originalität für sich. Nach diesem Rezept müßte man nach einem Blick auf das österreichische Exporthandelsvolumen gegenüber ier Schweiz oder England zu der überraschenden Erkenntnis kommen, daß wir unmittelbar vor tiner Transferierung in einen Schweizer Kanton oder ein englisches Dominion stehen. Oder aber — und hier beginnt, wenn man der Moskauer Argumentation folgt, das Schreckliche: U n gar n, das volksdemokratische Ungarn, ist eben auf dem Wege, sich dem dekadenten kapitalistischen Westen in die Arme zu werfen, weil es im Wege tines von amerikanischer Seite genehmigten Han- ielsvertrages über Österreich aus dem Marshall- Europahilfsplan für Lieferungen an Österreich ‘echt ansehnliche Dollarbeträge erhält. Und — das ist noch nicht alles: Rumänien tut das selbe, und überhaupt haben auch Polen und üe Tschechoslowakei bereits erhebliche Dollarposten aus der amerikanischen Europahilfe für Lieferungen an die Weststaaten einschließlich ier deutschen Bizone erhalten. Also, entweder haben zwischenstaatliche Handelsbeziehungen mit Sympathien wenig zu tun, sondern entsprechen tben den Lebensnotwendigkeiten der Menschen; oder: Moskau wäre von seinen Vasallen schon in Dollarwährung verraten und verkauft.

Vom Handelsministerium geht gegenwärtig ein ‘.rfreulicher Impetus aus. Schon ist man daran, für las nächste Jahr die Fortsetzung les Woh nun gswiederaufbaues aus lern Wohnbaufonds vorzubereiten und iamit eine Aktion zu verbreitern, die außerordentlich günstig angelaufen ist. Daß bisher 1971— und in Wien allein schon 1250 — Ansuchen um Fondshilfe eingebracht worden sind mit einem Ge. amtanspruch von 275 Millionen Schilling, die noch heuer in die Wirtschaft fließen und ergänzt lurch die privaten Baumittel., de Wohnraum- leschaffung sehr erheblich dienen werden, zeigt, {aß der rechte Weg beschritten worden ist. Mit 450 Millionen Schilling ist bisher die Dotation des Fonds für das laufende Jahr bemessen und im Handelsmijmterium rechnet man damit, daß schon vor Frühjanrsbeginn die dem Fonds zugemessene Summe vergeben sein wird. Bei dem gleichzeitigen Einsetzen der Wohnbautätigkeit der Gemeinde hat Wien heuer ein sehr reges Bauschaffen zu erwarten. Ein Lichtblick.

Der Lockerung des Wahlsystems der starren Listen hat bisher die Sozialistische Partei starken Widerspruch entgegengesetzt. Sie unterschätzte dabei das allgemeine Mißbehagen an der bisherigen Gebundenheit des Wählers an die Vorschreibung der Parteisekretariate, an wen una in welcher Rangordnung er sein Vertrauen bei der Wahl der Volksvertretung zu vergeben habe. Die Forderung nach mehr Freiheit für den Wähler ist durchaus nicht nur in den Reihen der anderen Regierungspartei daheim, sie wird heute von nahezu allen politisch Interessierten gestützt. Vielleicht sprach eine solche Erkennt- nis auch aus den Äußerungen des Vizekanzlers auf einer Londoner Pressekonferenz, als er beruhigend versicherte, in der österreichischen Verfassung gebe es keine Beschränkung der Kandidatur, es bestehe ja auch die Bestimmung, daß schon hundert Personen berechtigt sind, einen Wahlvorschlag einzureichen. Dieses Recht besteht in der Tat, aber es ist ein papierenes Recht, von dem bisher auch nie Gebrauch gemacht worden ist. Wenn in diesem Zusammenhang eben doch von einer vierten Partei gesprochen wurde, so ist doch wohl beizufügen, daß die Zulassung einer vierten Partei nichts zu tun hätte mit der geforderten Lockerung der gebundenen Liste. Diese Forderung bleibt in gleichem Maße gültig, ob drei oder vier Parteien im Wahlkampf stehen werden.

Die Welt ist durch ein sensationelles Inter- view des russischen Staatschefs überrascht worden. Vorbereitungen dafür waren die Reden verschiedener der Kominform nahestehender Kommunistenführer, wie Cachin und Togliatti. Wenn Rußland heute versucht, zu irgendeinem den globalen Frieden regelnden Vertrag zu gelangen, so müssen die Hintergründe dafür wohl in dem großen Rechenfehler der Gallup.Statistiker in Moskau gesucht werden. Wenn Rußland beabsichtigt, wieder als positiver Partner in das Konzert der Westmächte einzutreten, so zeigt das einerseits, daß Truman in seiner berühmten Rede in Kansas City doch nicht nur von Annahmen ausgegangen ist, sondern für seine Friedensoffensive konkrete Unterlagen besaß, daß weiterhin Stalin der Mann ist, dessen Wort im Kreml es auch heute noch möglich macht, das Steuer der Außenpolitik um 180 Grad herum- zuwerfen. Ein maßgebender Gesichtspunkt dürfte auch sein, daß sie die in die russische Machtsphärt eingegliederten Staaten, vor allem China, vor eine ganz neue Situation mit sehr schweren Aufgaben stellen. Zu Rußland kommt als abhängiger Handelspartner ein Gebiet von mindestens 300 Millionen Menschen, dessen verwaltungstechnische und industrielle Durchdringung am Anfang steht. So ist es klar zu erkennen, daß nur eine Konzentration der Vereinigten Staaten und des europäischen Westens die notwendigen finanziellen Unterlagen zur Verfügung stellen könnte, um diese gigantischen Wirtschaftsaufgaben zu erfüllen.

In dem am 3. Februar beginnenden Schaupro- zeß gegen Kardinalprimas Mindszenty erscheinen als Angeklagte unter anderem auch eine Reihe von Persönlichkeiten, die zugleich mit dem Primas oder schon kurz vorher verhaftet wurden. So der erste Sekretär des Primas, Msgr. Z a k a r, der bereits ein Opfer der Torturen in dem Ge. fängnis der Andrassy ut geworden ist, der zweite Sekretär B o k a, der gewesene Chefredakteur der eingestellten katholischen Tageszeitung „Nemzeti Ujsag“, Ladislaus Toth, der verantwortliche Redakteur des kleinen katholischen Nachrichtenblattes „Uj Ember“, Miklos N a g y, der Direktor der Budapester Katholischen Aktion, Nikolaus Beresdoczi, der Direktor der Primitial- kanzlei, M atr ai, der Professor des Kirchen- rechtes, Dr. Justus Baranyai O. Cist., und Fürst Paul Esterhazy. Das Gelbbuch, das die Staatsverbrechen des Primas beweisen soll und deyen Inhalt die Hauptthemen des Schauprozesses umfaßt, enthält Einzelheiten, die den Eindruck erwecken, die Verfasser hätten sich schon im vorhinein über die Naivität lustig machen wollen, die sie bei den Lesern des Gelbbuches voraussetzen. Unter den sogenannten Dokumenten be. findet sich zum Beispiel ein Schriftstück, demzufolge der Primas um 7000 Dollar ein Auto gekauft habe, um damit den Direktor des Vatikanischen Senders zu bestechen, damit er die Vatikansendungen im Sinne des Primas frisiere …

Die Parteileitung der Democrazia Cristiana Italiens beschäftigte sich auf einer außerordentlichen Tagung mit Organisationsfragen, da seit ihrem Wahlsieg im letzten Frühjahr wohl die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder auf eineinhalb Millionen angestiegen ist, aber der innere Aufbau noch gewisser Klärungen bedarf. Die führende Richtung der Partei, vertreten durch den Parteisekretär Taviani, ist der Meinung, der Aufbau der Democrazia Cristiana dürfe weder berufsständisch noch klassenmäßig sein; letzteres widerspräche der christlichen Haltung der Partei. Wenn es auch jedermann freistehe, in der Partei seiner Ansicht Ausdruck zu verleihen, so dürfen doch innerhalb derselben keine autonomi- stischen Strömungen aufkommen. Gronchi, der Vertreter des linken Flügels der Partei, trat dem entgegen: heute gehe es darum, dem Kommunismus die acht Millionen Wähler zu entreißen. Dies sei nur möglich, wenn es den Democristiani gelinge, alle nichtkommunistischen Kräfte zur Bekämpfung der sozialen Not in Italien zu vereinigen. Deshalb verlangt Gronchi die Aufhebung des Artikels 87 der Parteistatuten, durch den die Bildung bestimmter Gruppen innerhalb der Partei verboten ist.

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