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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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DIE ANTWORT. Der Wochenzeifung der „Freiheitlichen Partei" hat es gefallen, die „Furche” anzugehen. In der Handhabung des Floretts als journalistische Watte scheinbar unerfahren, hat man hier zur vertrauteren Holzkeule gegriffen. Wer mit solchem Gerät auftritt, darf von uns keine Antwort erwarten. Er muß sie sich vom Gericht holen. Die „Furche" hat durch ihren Anwalt die Klage bereits eingereicht,

AUF DEN ZAHN GEFÜHLT sah sich der Hauptverband der Sozialversicherungsträger durch die Forderung der Zahnärzte und Dentisten nach bundeseinheitlicher Regelung der Leistungsverträge, nach gleichen Honoraren, wie sie die in kasseneigenen Ambulatorien an- gesfellten Zahnbehandler beziehen. Seit rund vier Jahren versuchen die Zahnärzte und Dentisten mit den Krankenkassen zu einer Regelung der strittigen Fragen zu kommen und das Chaos auf dem Gebiete der Verträge zu beseitigen. Die 39 Krankenkassen amtieren nach ebensoviel Leistungsschemata — für das Gebiet der Republik Oesterreich zweifellos eine bürokratische Höchstleistung. Die Kassen bestreifen keineswegs, daß die von den Zahnbehandlern geforderten Sätze von 9, 16 und 130 Schilling gerecht sind, erklären aber im gleichen Atem, dafj kein Geld hierfür vorhanden sei. Die Verhandlungen im Sozialminisferium sahen eine etappenweise Steigerung der Honorare vor, die aber jedenfalls hinter dem Valorisierungsfaktor 5,7 zurückgeblieben wären. Die Aerzte- und Dentistenvertrefer erklärten sich dennoch damit einverstanden, vorausgesetzt, dafj als letzte Etappe am 1. Jänner 1958 die Vollvalorisierung erfolge. Die Forderungen der Zahnärzte werden von den Kassen mit einem Mehraufwand von 110 Millionen beziffert, demgegenüber man nur 75 Millionen aufbringen könne; die Vertreter der Zahnbehandler dagegen stellen fest, dafj bei den Verhandlungen nur von 17 Millionen für 1957 die Rede war und weiteren 7,6 Millionen für 1958. Zu der für 1955 geforderten Nachzahlung von 23 Prozent bemerkt man von ärztlicher Seife, dafj diese Beträge im Budget der Kassen für 1956 berücksichtigt wurden, aber als es zur Zahlung kommen sollte, waren die Summen „für anderwerfige Zwecke" verbraucht. Fazit: es ist ein vertragsloser Zustand eingetreten. Die Kassenscheine für Zahnbehandlung sind praktisch wertlos; der Patient mufj erst mit der Rechnung des Arztes einen Antrag auf Rückvergütung durch die Kasse stellen. Die Patienten, sich die geschlagene Backe haltend, fühlen sich mit dem in Aussicht gestellten bürokratischen Weg des — unter Umständen nicht einmal vollen — Rückersafzes ihrerseits schmerzlich auf den Zähn gefühlt.

DIE VERHAFTUNG DES CHEFREDAKTEURS DER „DOLOMITEN", Heinrich V o I g g e r, ohne Angabe von Gründen auf Weisung des Staatsanwaltes von Bozen, Dell'Anfonio, markiert eine neue Phase der unglücklichen Auseinandersetzungen um Südtirol. — Warum diese neuerliche Versteifung? Einer ihrer Hauptgründe ist in der innenpolitischen, immer schwieriger werdenden Situation der italienischen Regierung zu sehen. Diese läfjt sich, wie in Frankreich, im letzten auf eine einzige Tatsache zurückführen: die wirtschaftlich und politisch maßgebendsten Kreise und Machtgruppen des Landes sind nicht bereit, jene Opfer zu bringen, die auf lange Sicht ein großzügiges Reformprogramm und damit die Sicherung des Staates vor rechts- und linksradikalen Elementen ermöglichen. Also muß weiterlaviert werden, von Tag zu Tag. Also bleibt die Regierung unbeweglich, aktions- untähig; also müssen die Schwächeren weiter die Hauptlast und Bürde tragen. Das gilt für den Mittelstand, breite Volksschichten, und dann eben jene Anrainer, die sich am wenigsten wehren können und auf die man nicht ungern den Mißmut des Volkes ablenkt: das sind, in Italien, eben die Südttroler. Rom fühlt sich zudem weltpolitisch ziemlich isoliert. Außer zu Westdeutschland besitzt es zu keinem europäischen Lande herzlich-gute Beziehungen. Nun mußte es sich in diesen Tagen noch von Chruschtschow vorwerfen lassen, daß es nie, seit tausend Jahren nicht, im eigenen Hause Ordnung zu machen verstehe. Das freundliche Anerbieten des sowjetischen Bosses, in Italien Ordnung zu machen, stößt daselbst auf begreifliche Ablehnung. — Nun wird man bei uns sagen, was haben solche Redensarten des redseligen Chruschtschow mit Südfirol zu tun? Mehr, als uns lieb sein kann! Hier, in Südtirol, will jede italienische Regierung, mag sie so schwach sein wie nur je, und mag sie, wie eben jetzt, vor einer schweren Krise stehen — hier will jede italienische Regierung zeigen, daß sie sehr wohl „Ordnung zu machen" verstehe: eben in Südtirol. Und gerade im Zusammenhang mit der ungarischen Katastrophe haben italienische Kreise ostentativ betont, daß die italienische Position in Südtirol dringend einer Stärkung bedürfe, um hier einen militärischen und politischen Riegel gegen den drohenden Einbruch des Ostens zu schaffen. — Ifalienischerseits ist also das Südtirolproblem recht heillos mit der innenpolitischen Schwäche der jeweiligen römischen Regierung verbunden. Leider fehlt, und das muß offen gesagt werden, hier das österreichische Gegenstück nicht ganz.

Auch bei uns ist „Südtirol" innenpolitisch belastet. Das Hervortrefen von Schreiern bei der herbstlichen Wiener Südtirol-Kundgebung zeigte, ebenso wie die Aufmachung einer gewissen Presse, wie auch ernste und ernst zu nehmende Freunde Südtirols bei uns unter den Druck der Straße gelangen. Es ist erfreulich, daß die erste Regierungspartei bei ihrer letzten Vergatterung soeben aut dem Semmering erklätt hat, sich besonders um Südtirol kümmern zu wollen. Soll dies aber nicht mißverstanden werden und soll die österreichische Position Italien gegenüber nicht noch weiter geschwächt werden, dann tut es heute dringend not, daß unsere Südfirolpolitik Sache des ganzen Volkes und der ganzen Regierung ist, so daß nicht immer wieder parteipolitische Lizitierer die notwendige sachliche Auseinandersetzung trüben und verfälschen. Die österreichische Südfirolpolitik wird nur dann Erfolg haben können, wenn sie sich gleichermaßen zu behaupten weiß wider den Druck von links und rechts, von Rom, von „oben" und „unten”. Das muß Bozen, Innsbruck, Wien wissen.

DER BESUCH DES WÜSTENKÖNIGS IBN SAUD

bei Präsident Eisenhower wurde in Amerika mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die USA, Volk und Regierung, wünschen gute Beziehungen zu den arabischen Staaten. Gerade deshalb sehen politische Kenner des Nahen Ostens mit einigem Unbehagen diesen letzten Besuch eines fremden Staatsführers in Washington. Ibn Saud gilt als der rückständigste, in der arabischen Welt am geringsten angesehene Chef eines arabischen Volkes; als ein Mann, der die 200 Millionen Dollar, die er jährlich von amerikanischen Oelfirmen für die Ausbeutung seines Landes erhält, nur für einen maßlosen Luxus seiner Familie verwendet, während sein Volk in wahrhaft vorsintflutlichen Verhältnissen lebt. Dieser Mann ist tatsächlich wenig geeignet, den erwachenden Völkern des Nahen Ostens als ein Beispiel der neuen Zusammenarbeit zwischen Amerika und ihnen vorgesfellt zu werden. — Dqs wissen die USA selbst; Washington, das in den letzten Jahren nicht gerade eine geradlinige, klar erkennbare arabische Politik getrieben hat (was England und Frankreich ihm jetzt Vorhalten), ist aber wohl der Ueberzeu- gung: besser ein Draht als gar keiner. Die Durchsetzung der Eisenhower-Erklärung über den Nahen Osten fordert massive, konkrete Stützpunkte in der arabischen Welt. Ibn Saud Jößl si,ch jeden amerikanischen Flugplat? teuer bezahlen, er ist aber offensichtlich sein Geld wert. — Das Ringen um den Nahen Osten hat denn auch die großen Worte bestimmt, die in der letzten Woche in Ost und West gefallen sind: sehr laute Demonstrationen der militärischen Macht. Rußlands Verteidigungsminister Schukow hat, zum zweitenmal nach der Suezkrise, auf die riesigen Reichweiten der sowjetischen ferngelenkten Geschosse hingewiesen, Präsident Eisenhower hat die militärische Bedeutung des 45-Stunden-Weltrundfluges amerikanischer Bomber direkt angespröchen. Die Sowjets haben in allen ihren letzten außenpolitischen Erklärungen, gemeinsam mit China und Prag (dem neuen Zentrum ihrer osteuropäischen Positionen), auf den „imperialistischen Charakter" der amerikanischen Nahosterklärung verwiesen. Hinter den lauten Worten der Sowjets verbirgt sich eine echte Sorge: immer lückenloser ist der Ring militärischer Luftbasen von Pakistan über Persien, die Türkei und Saudiarabien in den letzten Jahren von Amerika aus geschlossen worden. Das bedeutet eine mächtige Barriere, welche den Sowjets den Weg nach Afrika verlegt, und gleichzeitig eine unübersehbare Mahnung, da große Produktionszentren und Kraffstoffanlagen der UdSSR in greifbarer Nähe dieser USA-Flugplätze liegen. — Als Kollege Schukows von der gleichen Fakultät und von der anderen Seite hat nicht zuletzt General Norsfad, der Nachfolger Gruenthers im Oberkommando der NATO, auf die Notwendigkeit steter Rüstung und der Stärkung der NATO in Westeuropa verwiesen. — Diese militärischen Reden in Ost und West haben aber, und das soll nicht vergessen werden, auch noch eine andere Bedeutung. Die beiden führenden Weltmächte wollen mit ihnen demonstrieren, daß die von beiden gewünschte Abrüstung nicht als ein Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke anzusehen sei. Die Sowjetunion muß, will sie der säkularen Krise des Weltkommunismus und der Not der von ihr beherrschten Völker Herr werden, ihre Produktion von Bedarfsgütern gewaltig steigern. Aller Terror in Ungarn, alle Liebkosungen des freuen Muste-- schülers Prag und alle Freundlichkeiten Pekings können diese notwendige Arbeit nicht ersetzen. Die USA umgibt sich ihrerseits mit einem Wall von Worten und Waffen, um hinter deren Schleier die notwendige Umgruppierung ihrer Mittel, Methoden und politischen Pläne ein- zuleifen. Also werden wohl die starken Worte der starken Männer beiderseits weiter in den Wind gesprochen werden. Die Zuhörer und Partner tun gut daran, sie nicht zu unterschätzen, aber auch nicht zu überschätzen.

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