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Randbemerkungen zur woche

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DAS HAUPTBLATT einer im Parlament vertretenen österreichischen Rechtspartei hat in den letzten Nummern die Diskussion zu dem Thema „Deutschland — Österreich“ eröffnet. Der erste Artikel dieser Reihe trägt den programmatischen Titel: „Unser Bekenntnis zur deutschen Nation.“ Er hat zwei Achsen. Die erste: „Es gibt keine österreichische Nation.“ Derartige „Phantasiegebilde und Wunschträume“ werden vom Verfasser „strikte abgelehnt“ „für solche Unsinnigkeiten“ ist er und sind wie er meint, die Amerikaner nicht zu haben. Die Amerikaner? Ach ja, denn es geht um „Europa“ Um Österreich in Europa, wenn man schon will. Um das deutsche Österreich, im (noch deutscheren) Europa Die zweite: „Unser deutsches Nationalbewußtsein ist für niemanden eine Gefahr. Aber eine Gefahr für die künftige Weltordnung wäre es, wenn man es künstlich und gewaltsam unterdrücken wollte.“ Eine Gefahr für die künftige Weltordnung? Also docli — der sattsam bekannte Wink mit dem Zaunpfahl. Wir erinnern uns an das öffentliche Bekenntnis eines dieser Gruppe nahestehenden Herrn, auch eines „Österreichers“ zum Hitlereid auf dem ersten großen Soldatenbundestag in Deutschland, an die Diffamierungen, die dieser im damaligen Zeitpunkt noch in verantwortlicher Stellung als Leiter eines österreichischen Rundfunkstudios stehende Herr gegen die Männer vom 20. Juli bei eben dieser Gelegenheit ausrief, an die scharfe Erklärung der Bonner Regierung gegen diese „deutsch-österreichische“ Demonstration, und verweisen darauf, daß selbst ein so bewährter Vorkämpfer deutschfranzösischer Verständigung, das Mitglied der Academie Fran^aise. Graf Robert d'Har-court. sich veranlaßt sah, öffentlich auf diese gefährliche Form bewußter Nazifi-zierung aufmerksam zu machen. Die Fortsetzung der Deutsch-Österreich-Campagne in dem eingangs zitierten parteiamtlichen Zentralblatt bringt nun die ersten Weisungen, wie wir Österreicher unsere „besondere Aufgabe, das österreichische Deutschtum zu entwickeln“ haben, jenes „geistige Deutschtum, dem. im zweiten Beitrag zum Thema aus der Feder eines Universitätsprofessors immerhin zugestanden wird, bereits vor dem Dritten Reich bestanden zu haben. Wieder werden hier, wie einst im März, Goethe und Schiller, Bach und Wagner beschworen, um die „Einheit“ schmackhaft zu machen. Begnügen wir uns vorläufig mit den folgenden Feststellungen: Mit dieser politisch durchsichtigen Aktion ist weder Europa noch Deutschland, noch Österreich gedient. Europa muß verzichten, von jenen gerettet zu werden, die es gestern ins Verderben stürzten Die deutsche Regierung kann im wohlverstandenen eigensten Interesse den österreichischen Biedermännern von 1951 keine andere Antwort geben, als sie Bismarck ihren unbelehrten Groß- und Urgroßvätern vor 80 Jahren gab: Bleibt zu Hause und begreift eure eigene Sache. Und Österreich? Uns bleibt zunächst die schlichte Erinnerung daß es dieselben Worte und dieselben Männer sind, die uns auf die Schlachtfelder geführt haben. Genug also der falschen Worte Genug der Falschspielerei. Nichts kann heute der Sache aller gutgesinnten Europäer mehr schaden als diese Mache, die sich auf große Namen der Vergangenheit zu berufen vorgibt und doch nur düstere Schatten einer noch nicht überwundenen Gegenwart heraufbeschwört.

DER ÖSTERREICHISCHE LINKSKAPITALISMUS, vornehmlich vertreten durch die Millionen umschlingende „Kinobetriebsgesellschaft“, in Fachkreisen als „K1BA“ gefürchtet und gehaßt, hat diese“ Tage wieder einen Kopf am Hydraleib angesetzt. Die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien hat ihr einen Dretmitlionenkredit zur Durchführung folgender Transaktionen bewilliot: 1. Ankauf von 40 Prozent der Anteile des Luna-Kinos, Wien XVII. Hernalser Hauptstraße, das sich zur Zeit im Wiederaufbau befindet. 2. Errichtung eines Nonstopkinos in der Mariahilf er Straße - Palmgasse (Im Cafi - Palmhof - Gebäude). 3. Ankauf von fünf Achteln der Anteile des Schönbrunner Schloßkinos. 4. KIBA-Klno In Salzburg. 5. Ausglelchsbetrag für das OpernJctno in Wien. Wie bekannt, sind im gemeindeeigenen Hause Johannesgasse 4, in dem sich das Theater „Die Insel“ befand. Vorkehrungen für die Errichtung eines weiteren KIBA-Kinos im Gange. — Man hat in früheren Zeiten einmal bestimmte Typen von Gemeindebauten als Forts für den Eventualfall eines Festungskrieges bezeichnet. Der jetzige Vorgang ist ähnlich, nur weniger defensiv Er ist eine Art „Schlieffen-Plan“ für große wirtschaftlich-propagandistische Umfassungsoffensiven Aber solche Konzepte haben nicht nur ihre bestechenden Schönheiten, sondern auch Schwächen In der Berechnung des Widerstandes und der eigenen Leistungsfähigkeit — wie das Schicksal des großen Vorgängers gezeigt hat...

DIE SOWJETISIERUNG DER

TSCHECHOSLOWAKISCHEN OBERSTEN STAATSBEHÖRDEN, die sich seit geraumer Zeit in einer weitgehenden Aufsplitterung der Ressorts ausdrückt, macht Fortschritte. Zwei Regierungsverordnungen vom 7. September d. J. liegen ganz auf dieser Linie. Die eine regelt die Umwandlung des Ministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge in ein Ministerium für Arbeitskräfte und verlegt die Aufteilung des Ministerium» für Schwerindustrie auf fünf Fachmintsterien (Brennstoffe und Energie, Hüttenindustrie und Erzbergbau, chemische Industrie, Schwermaschinenindustrie, allgemeiner Maschinenbau) Schließlich wird ein Ministerium für Forste und Holzindustrie neu errichtet. Durch die zweite Verordnung wird ein Ministerium für Staatskontrolle errichtet. Hand in Hand mit dieser Regierungsumbildung erfolgt eine Neuorganisation der verstaatlichten Industrie: Alle Ceneraldirektionen der verstaatlichten Betriebe werden aufgelöst, ebenso die Gebietsdirektionen für die Slowakei. Während aber bisher jedem Prager Ministerium die Behörde eines Beauftragten für die Slowakei in Preßburg entsprach, werden für die neuerrichteten Ministerien keinerlei entsprechende slowakische Dienststellen ins Leben gerufen, sondern das ganze Staatsgebiet 2entralistisch von Prag aus verwaltet — ein deutliches Abrücken vom Kaschauer Programm. Die Errichtung eines Ministeriums für Staatskontrolle ließ das Oberste Rechnungs-kontrollamt und den Obersten Kontrollhof für die Slowakei überflüssig erscheinen; sie wurden mit sofortiger Wirkung abgeschafft Als Aufgabe des neuen Kontrollministeriums wird der systematische Kampf gegen alle Mängel und Fehler im Wirtschafts- und Verwaltungsapparat und alle Störung sv er suche der Klassenfeinde bezeichnet. Die bisherigen Dienststellen, so erklärt man in Prag zu der durchgeführten Reform, seien zu sehr mit den Traditionen ihrer kapitalistischen Vorgänger belostet gewesen. Noch deutlicher aber beruft man sich dabei auf das Vorbild der Sowjetunion. In der Tat hat man dort durch ständige Teilung und Spezialisierung Ministerien für sämtliche Industriezweige errichtet, die in der Regel Unionsministerien sind, also Zentralbehörden für sämtliche Republiken der Sowjetunion; Rußland verfügt neben einer staatlichen Planungskommission seit 1940 auch über ein Ministerium für Staatskontrolle. Die Übereinstimmung ist handgreiflich und nähert sich jenem „idealen“ Punkt, da sich einmal getrennte sowjetische und tschechoslowa-kische Staatsbehörden als „schwerfällig“ und „fortschrittshemmend“ erweisen werden ....

ENTSCHEIDUNGEN INTERNATIONALER INSTITUTIONEN Folge zu leisten, ist nachgerade nicht mehr üblich, auch wenn man diesen Körperschaften freiwillig und in solenner Form beigetreten war. Gewiß, kein Staat will sich grundsätzlich von solchen völkerverbindenden Instanzen ausschließen, das Odium eines politischen Einzelgängers auf sich nehmen. Dem Internationalen Gerichtshof, den Vereinten Nationen anzugehören, ist stets ehrenvoll und bringt manchmal Gewinn. Steht aber dann einmal das eigene Interesse auf dem Spiel, so kann man schließlich auch anders. Dort, wo der politische Wellenschlag am stärksten ist, die Dinge in Fluß sind oder in Fluß gebracht werden können, wird sich das am leichtesten ereignen. Eine solche Zone ist seit längerem der Nahe Osten. Man erinnert sich noch, wie Israel manu militari die Entscheidungen der UNO umgestoßen hat. Dafür hat nun der alte Gegner Israels. Ägypten, die Resolution des Sicherheitsrates in der Suezkanalfrage, die Israel (und Großbritannien) zugute gekommen wäre, nicht anerkannt. Womit diese beiden Antagonisten sozusagen quitt sind — die Rechnung «wischen ihnen wird aus dem Prestige der UNO bezahlt. Dem Internationalen Gerichtshof, der ältesten und vornehmsten institutiori seiner Art, geht es nicht besser. Der Iran kümmert sich nicht einen Deut um seine Wohlmeinung. Noch vor einem Menschenalter pflegte eine solche Ablehnung mit dem Austritt des opponierenden Staates aus der betreffenden Institution verbunden zu sein. Das wird heute nicht mehr als notwendig angesehen. Denn schließlich könnte es ja sein, daß man eben diese Instanz einmal selbst anrufen möchte — und dann beruft man sich auf die Heiligkeit internationaler Einrichtungen und Verträge. Politisch Lied ...

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