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MIUZDEMOKRATIE: STAATSBURGER ALS WEHRBURGER

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In halb Europa ist die Zeit der großen Streitkräfte-Reduktionen ausgebrochen. Die Schweiz geht auf 400.000 Mann „herunter", die Briten halbieren ihre in Deutschland stationierte Rheinarmee, die USA gehen' auf maximal 150.000 Mann Stationierungstruppen ebendort zurück, Deutschland selbst auf370.000 (Friedensstärke), und so weiter. Und auch Österreich reduziert auf 120.000 Mann - diesfalls allerdings als Mobilmachungsstärke.

Der Reduzierungsdruck wird über kurz oder lang auch bisher noch nicht davon erfaßte Staaten treffen. Zugleich werden in den neuen Staaten auf der europäischen Landkarte zwar militärische Verbände aufgestellt; dies jedoch quasi aus der Konkursmasse des Kader-, Wehrpflichtigen- und Reservistenpotentials der sich auflösenden Vielvölkerstaaten.

Für Wehrpflichtarmeen ist die Stärke eines Geburtsjahrganges (männlich) eine Fixgröße, die Dauer des Wehrdienstes (allenfalls in Grundwehrdienst und nachfolgende Übungen unterteilt) bis zu einem gewissen Grad variabel, und die Streitkräftestärke nicht zuletzt eine sich daraus ergebende Größe. Das ist zwar etwas vergröbert dargestellt, genügt hier aber für die folgende Ableitung: Wenn die Zeit der - für Friedenszeiten abnorm dimensionierten - großen Heere in Europa nun, nach dem Ende des Kalten Krieges (der dafür verantwortlich zu machen war), zu Ende geht, dann stellt sich über kurz oder lang auch die Frage der Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht in jenen Ländern, die sie bis dato haben.

Innerhalb eines gewissen Rahmens kann man noch manipulieren - mit einer Herabsetzung der Dauer des Grundwehrdienstes dort, wo eine bestimmte Friedensstärke der Streitkräfte auch auf dieser Dauer des Grundwehrdienstes (ab einer bestimmten Ausbildungsstufe gerechnet) beruht; oder etwa auch durch eine Verschärfung der Tauglichkeitsbestimmungen; oder bei einer auf Truppenübungen nach dem Grundwehrdienst aufbauenden Armee zum Beispiel durch eine Herabsetzung jenes Alters, bis zu welchem eine Heranziehung zu diesen Übungen erfolgt. Alle Möglichkeiten solcher Art kommen jedoch irgendwann einmal an ihre Grenze - und diese Grenze zieht die heikle Frage der Wehrgerechtigkeit nach sich. Daß diese angesichts vielerlei Ausnahmen und Selektionsverfahren ohnehin bereits „vomTrugbild zur Farce" zu werden droht, hat Joachim Giller in einer früheren Ausgabe dieser Zeitschrift bereits aufgezeigt (FURCHE 34/1991).

Das Problem verschärft sich, wenn zugleich auch von einer ganz anderen Seite her die allgemeine Wehrpflicht zu „wackeln" beginnt: Im Zuge des vielzitierten „Wertewandels" ist die Bereitschaft zu dieser spezifischen Art von Dienst kontinuierlich im Sinken begriffen; das wissen wir alle längst, auch wenn wir uns mit Datenmaterial, das auf die Gesamtgesellschaft bezogen ist, gerne darüber hinwegtäuschen. Von Interesse ist aber bloß die Entwicklung bei den direkt von der Wehrpflicht Betroffenen, das heißt den jungen Männern um die zwanzig (und darunter!).

Von der Schweiz konnten wir gerade in Fragen der nationalen Sicherheit stets viel lernen. Der Schock der Abstimmung über die Initiative zur Abschaffung der Schweizer Armee vom 26. November 1989 hat dort zu konsequenter „Nacharbeit" geführt; unter anderem auch in Form einer eingehenden Nachbefragung über Abstimmungsmotive und diverse Trends. Und dabei ist sehr rasch klar geworden (und belegbar), was die schon per se (für die Schweiz) schok-kierende Zahl von 35,6 Prozent Ja-Stimmen zur Abschaffung der Armee tatsächlich bedeutet: einerseits zwar zur Hälfte sogenannte Denkzettel-Wähler (die ihren Unmut über diese Schweizer Armee von heute auf eine solche Weise zum Ausdruck bringen wollten); anderseits jedoch statt 35,6 Prozent nicht weniger als 61 Prozent bei der Gruppe der 20- bis 29jährigen (gegenüber bloß 18 Prozent bei den über 60jährigen). Das heißt, im Vergleich zum Abstimmungsverhalten der Schweizer Gesamtbevölkerung war die Abschaffung der Armee nur halb so vielen der über 60jährigen ein Anliegen, dafür fast doppelt so vielen (und damit einer deutlichen relativen Mehrheit!) der 20- bis 29jährigen; letztere aber sind von der allgemeinen Wehrpflicht direkt betroffen - und auf sie ist die Armee selber in besonderem Maße angewiesen.

Im übrigen zeigt sich der gleiche Anteil von 61 Prozent bei einer Aufschlüsselung der Gesamtbevölkerung noch ein zweites Mal: bei jenen Bürgern eines hohen Bildungsgrades, die mit einer solchen Einstellung jedoch (aus nicht näher definierten Gründen) nicht zur Abstimmung selbst gegangen waren; ihre Pendants, die das taten, stimmten mit schwacher relativer Mehrheit (52 Prozent) für die Abschaffung und lagen damit auch schon um nicht weniger als 50 Prozent über dem Schnitt der Gesamtbevölkerung.

In Österreich hatte der durchaus zur Landesverteidigung positiv eingestellte P. M. Lingens schon zwei Jahre davor (1987) gemahnt, sich nicht selbst zu täuschen, wenn aufgrund aller durch das BMLV veröffentlichten Umfragen stets eine überwältigende Mehrheit die militärische Verteidigung bejahe: „... aber wen immer ich treffe, der gehört zur Minderheit." Wenn die intellektuelle Elite eines Landes einmal so offenkundig am Sinn der Landesverteidigung zweifle, dann müsse man annehmen, daß dieser Zweifel sich zunehmend verbreitere, meinte Lingens wohl nicht unbegründet.

Lingens ist bekanntlich prononcier-ter Verfechter eines Übergangs zum Berufsheer auch in Österreich. Die allgemein-europäische Reduktion der Streitkräftestärken und die sinkende Neigung gerade der jungen und der Bildungsbürger zum tatsächlichen Engagement in der Frage der Landesverteidigung sind dabei nur zwei seiner Argumente. Es sind allerdings jene Argumente, denen in der Gegenargumentation eigentlich nie spiegelgleich entgegengetreten wird. Statt dessen werden Kostenfragen sowie ein grundsätzliches Unbehagen gegenüber einem Berufsheer in die Diskussion eingebracht. Ersteres erweist sich meist schon angesichts der so deutlichen „Schere" zwischen der nun für erforderlich gehaltenen Größenordnung und der maximal finanzierbaren Berufsheergröße als „(er-)schlagender" Beweis. Das ist nun allerdings ein denkbar pragmatisches Argument, das bei allem - wohl schon vor-entscheidenden - Gewicht ein Gefühl des Unbehagens hinterläßt. Denn wenn das zweite der unter anderem eben auch von Lingens gebrauchten Argumente (aus der bereits entscheidend gesunkenen und weiter sinkenden Wehrmotivation gerade der Jungen seien klare Konsequenzen zu ziehen) nicht zu widerlegen sein sollte, dann hieße das ja, die erforderliche Größenordnung des Heeres zwar via Wehrpllicht erreichen zu können -aber mit welchem tatsächlichen (qualitativen) Gehalt und um welchen Preis, diesfalls nun eben im übertragenen Sinn? Vielleicht sollte man einmal das Augenmerk eher darauf richten, was alles mit der allgemeinen Wehrpflicht verloren gehen könnte. Dann zeigt sich möglicherweise eher ein - wenn auch wenig populärer-Schritt aus dem immer deutlicher heraufdämmernden Dilemma heraus als jedenfalls diskutabel.

Allgemeine Wehrpflicht gilt vielfach als „legitimes Kind der Demokratie" (vergleiche dazu den Beitrag von Joachim Giller, der das eherinFrage stellt). Die Beteiligung aller dafür als „tauglich" angesehenen Bürger an einer Aufgabe des Staates, die mit dem befugten Tragen von Waffen verbunden ist, bot sich als Alternativmodell zur Beauftragung einiger weniger „Profis" damit an. Demokratischen Staaten erwuchs ja stets das Problem, Streitkräfte aufzustellen und zu unterhalten, die einerseits die ihnen zugewiesenen Aufgaben wirksam erfüllen könnten, zugleich aber durch ihre Existenz und durch ihr mögliches Eigenleben „diejenige Staatsform nicht gefährden, zu deren Schutz sie berufen sind" (Lepper). Den Umgang mit der Macht in ihren verschiedensten Ausprägungen und Abstufungen mußten Demokratien erst in einem mühsamen, von oft auch dramatischen Rücksc hlägen begleiteten Lernprozeß eben erlernen. Sie haben dabei mit dem entsprechenden Instrumentarium, insbesondere auch mit dem eigenen Militär, umzugehen gelernt und auch, es zu beherrschen. In diesem Lernprozeß blieb der Demokratie beziehungsweise den Demokraten vor allem auch die bittere Erfahrung nicht erspart, welche Folgen aus einer allzu vordergründigen, nicht abgeklärten Beziehung zur Realität existierender Machtmittel erwartet werden müssen (vergleiche dazu FURCHE 38/1991: „Recht-Schaffenheit und dreiste Militanz"). Die vielfach gemeinsamen Wurzeln von Demokratie und Liberalismus haben offenkundig immer wieder Verwechslungen hinsichtlich des Verhältnisses zur eigenen bewaffneten Macht begünstigt: Es ist Anliegen des Liberalismus, den Umfang staatlicher Wirksamkeit möglichst gering, die individuelle Freiheil: möglichst hoch zu halten. Anliegen der Demokratie muß es hingegen sein, die Wahrnehmung der Funktion des Souveräns durch das Volk selbst in geeigneter Weise sicherzustellen. Der „Staatsbürger als Wehrbürger" ist ein entsprechender Ansatz dazu auf militärischem Gebiet.

Nicht zufällig war dieses Leitbild für den Soldaten eines demokratischen Staates anderen Leitbildern entgegengesetzt worden. Wolf Graf von Bau-dissin, Bundeswehr-Reformer der ersten Stunde - im Geiste Scharnhorsts und der Männer des 20. Juli 1944 - hatte dezidiert eine Ablöse der aus der Vergangenheit überkommenen Bilder des „patriarchalisch-feudalen", des „mechanisch-totalitären" sowie des „autonomen Soldaten" durch ebendieses Leitbild des „Staatsbürgers als Wehrbürger" oder auch des „Bürgers in Uniform" gefordert. Wesentliches - und naheliegendes -Element des neuen Leitbildes ist der Grundsatz, daß niemand nur Soldat sei: bei den Berufssoldaten äußert sich das in dem Sinne, daß sie unter anderem eben auch Bürger einer Gemeinde sind (man vergleiche das etwa mit dem Nebeneinander von Militärlager und Zivillager zum Beispiel im römischen Carnuntum), Mitglied einer politischen Partei oder sogar deren Abgeordneter (das wiederum vergleiche man etwa mit dem,ideal" des a-politischen Soldaten, der sich dann leicht gegen die „Quatschbude Demokratie" aufwiegeln läßt). Bei den Soldaten anderer Kategorien, den Wehrpflichtigen im (Grund-)Wehr-dienst sowie im Reservestand, ist es gerade umgekehrt: Sie sind auch Soldaten, vor allem aber zivile Bürger. Am deutlichsten kommt das bei einem Heer zum Ausdruck, das nach dem Milizprinzip oder zumindest milizartig strukturiert ist.

Die Wahrnehmung der Funktion des Souveräns durch das Volk selbst, dieses Grundanliegen der Demokratie, artikuliert sich im Milizgedanken wesentlich stärker als im Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht. Letztere kann eben auch bloße Auffüllung der Streitkräftestärke, die anders nicht zu erreichen wäre, bedeuten; dann bleiben die ihre Wehrpflicht erfüllenden Bürger eben „Füllmaterial" oder Reservisten. Die eigentliche Konkurrenz für Berufssoldaten sind niemals diese Reservisten, sondern die Milizsoldaten, insbesondere deren Kader. In jeder „gemischt" strukturierten Armee tritt das deutlich genug zutage.

In Österreich ist in besonders gründlicher Art Heribert Fernau (selbst engagierter Milizoffizier) dem Milizgedanken auf den Grund gegangen. Aus seiner sehr lesenswerten Dissertation (Miliz und Demokratie in Österreich, Universität Wien, April 1986) hat er zum Milizbegriff einen kompakten Aufsatz in der auch international renommierten Österreichischen Militärischen Zeitschrift (ÖMZ) publiziert (ÖMZ 6/87). Darin nennt er als kennzeichnende Merkmale einer Miliz unter anderem die tendenziell möglichst vollständige Heranziehung aller „Wehrfähigen" (im Sinne gerecht aufgeteilter Belastung in Erfüllung einer das Gemeinwesen treffenden Aufgabe) und die tendenziell möglichst weitgehende „Selbstträgerschaft" (das heißt vor allem auch Ausbildung und Führung durch Milizkader). In Art und Grad der Ausformung solcher Merkmale - beziehungsweise in deren Fehlen - spiegle sich letztlich nicht weniger als das zugrundeliegende Grundverständnis des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft wider. Jürgen Habermas hat auf die diesbezüglich widerstreitenden Auffassungen einer „sozietären" und einer „etatistischen" Konzeption aufmerksam gemacht. Folgt man diesem Ansatz, dann steht Österreich eben in einer klaren Tradition der etatistischen (vulgo „obrigkeitsstaatlichen") Konzeption von Staat und Gesellschaft, während die zu Vergleichszwecken beziehungsweise zur Orientierung, gerade in bezug auf Miliz, so gerne herangezogene Schweiz auf einer dazu besonders deutlich kontrastierenden Tradition sozietären Grundverständnisses aufbauen kann. Miliz als Ausdruck eines Prinzips ist demgemäß in der Schweiz in der Gesellschaft tief verankert; Fernau zitiert dazu auch Alois Riklin mit dessen Begriff der „Milizdemo-lcratie", beruhend auf der Pflicht jedes dazu befähigten Bürgers zur nebenamtlichen und ehrenamtlichen Ausübung öffentlicher Aufgaben. Begriffe wie Milizregierung, Milizparlament, Milizjustiz und Milizverwaltung sind demgemäß nicht nur üblich, sondern werden in bewußten Gegensatz zum Honoratiorentum, zum Berufspolitiker-, Berufsparlamentarier-, Berufsrichter- und Berufsbeamtentum gesetzt (A. Riklin: Milizdemokratie). Nach Erich Kägi resultiert aus der (in der Schweiz) weitverbreiteten Anwendung des Milizprinzips eine Eindämmung der Bürokratisierung, „die eine verhängnisvolle Entfremdung des einzelnen von seiner Gesellschaft und des Bürgers von seinem Staat zur Folge hätte" (E. Kägi: Die gesellschaftsbildende Kraft des Milizsystems).

Fernau verweist dann auch noch auf Nikolaus Julier, der das Milizprinzip entwicklungsgeschichtlich aus der Nachbarschaftshilfe kleinräumi-ger Gesellschaften ableitet. Dementsprechend sei es ein Organisationsprinzip dezentralisierter oder - anders ausgedrückt-kleiner, überschaubarer Räume und umfasse alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens (N. Julier: Das Milizsystem - Modellfall Schweiz).

All diese Ansätze bringt Fernau schließlich mit der Renaissance der „Philosophie des Kleinen" etwa nach Leopold Kohr in Verbindung, die ja gerade auf kleinräumige, überschaubare Lebensbereiche setzt; und er erinnert an diverse Bemühungen um „bürgernahe Politik", Bürgerbeteiligung, Politik einer Entstaatlichung sowie Förderung von Eigeninitiative und Eigenverantwortung auf allen möglichen Gebieten.

Folgt man diesen Gedankengängen, dann erkennt man auf einmal die demgegenüber gerade für ein Land mit Österreichs tief sitzender „etati-stischer" Tradition spezifische Versuchung, die nun aus dem aktuell gewordenen Reduktionsdruck in bezug auf Streitkräftestärken erwachsen könnte: Hierzulande ist nicht auszuschließen, daß eine Abgabe von Mitwirkung und Mitverantwortung „bei guter Gelegenheit" demBürger durchaus recht attraktiv erscheint. Dazu kommt, daß manche Gesellschaft heute ohnedies geneigt ist zu meinen, man könne sich alles kaufen - auch Sicherheit via Versicherungspolizze oder eben durch Bezahlung einiger „Sicherheitsprofessionisten". Von da her ist zu erwarten, daß ein Trend zu höherer „Professionalisierung" auch des Militärs erheblichen Rückenwind aus der Gesellschaft selbst erhalten wird - wobei man sich die eigentlichen Motive dafür durchaus näher ansehen sollte. Eine Gesellschaft mit solcher Neigung läuft allerdings Gefahr, schlicht und einfach zu verlernen, selber vorzusorgen und gebote-nenfalls auch sich zu wehren. Das aber gilt dann auch nicht bloß für militärische Probleme, sondern generell. Will, man dieses Tor wirklich öffnen - gerade in einer Demokratie?

Bedenkt man dazu noch, wie breit und vielfältig heute das Gebiet der sicherheitspolitischen Herausforderungen geworden ist, dann bietet sich eigentlich von selbst ein - unangenehmer - Ausweg aus dem sich abzeichnenden Dilemma um die allgemeine Wehrpflicht an: die rationale und vor( ver)urteil(ung)sfreie Prüfung des Gedankens einer allgemeinen Dienstpflicht an Stelle der allgemeinen Wehrpflicht. Zur Bewältigung einer ganzen Fülle zum Teil neuer Herausforderungen wird der Staat auf die Mitwirkung, Mithilfe und auch Mitverantwortung seiner Bürger angewiesen sein; bisher galt das schon für den militärischen Bereich im Wege der allgemeinen Wehrpflicht. Aber auch in diesem selbst gibt es nach wie vor gute und doch auch demokratiepolitisch nicht uninteressante Argumente für eine auch weiterhin möglichst breite Partizipation der Bürger - die Hinweise insbesondere auf Wesenszüge des Milizprinzips sollten das deutlich machen.

Am Rande sei noch angemerkt, daß neben einer allfälligen „Euro- Armee" (so es einmal dazu kommen sollte) jedenfalls auch territoriale (nationale) militärische Vorkehrungen noch lange Zeit ihre Funktion haben werden; und damit auch die entsprechenden militärischen Verbände, sodaß das Argument eines mit der „Europäisierung" vieler Bereiche einhergehenden Trends zur Professionalisierung der Streitkräfte zumindest zu relativieren wäre. Und auch für einen übernationalen Einsatz wie „peacekee-ping" im Rahmen der Vereinten Nationen („Blauhelme") hat gerade der erfahrene österreichische (Berufs-!) Soldat Greindl stets auf die Erfahrung aus langjähriger einschlägiger Praxis hingewiesen, daß bei dieser Art von Einsatz eine Mischung von Berufsund Milizsoldaten die bewährteste Variante sei: Letztere bringen vor allem den Vorzug mit, an die vielfach recht „zivilen" Probleme, mit denen man im Zuge eines solchen Einsatzes immer wieder konfrontiert wird, auf eine eben „zivile" Weise heranzugehen.

So bleibt eine abschließende Frage: Werden eher pragmatische Argumente schließlich den Ausschlag geben, wenn es in absehbarer Zeit in einer ganzen Reihe von Staaten in diesem sich neu formierenden Europa zur vorauszusehenden Diskussion um die allgemeine Wehrpflicht kommen wird - oder wird diese Diskussion doch in der gebotenen Grundsätzlichkeit geführt werden? Andernfalls könnte so manches in seiner grundsätzlichen Tendenz übersehen werden - durchaus auch von Handelnden selbst. Auf diesem Weg könnte uns zunächst einmal zum Beispiel wieder der „gewohnte" Reservist an Stelle des Milizsoldaten begegnen - egal, wie man dann dazu sagen wird. Technokratische Argumentation kann demokratiepolitische leicht zudecken. Es geht um mehr als bloße Zahlenspiele und auch um mehr als die - für die Betroffenen angenehme - Infragestellung bloß irgendeiner „staatsbürgerlichen Pflicht". Die eigentliche Frage heißt wohl: (Weiterhin) etatistisch oder (endlich) sozietär; zumindest in Österreich.

Der Autor ist Brigadier.

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