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Problem Alternativdiens

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Ein amerikanischer Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen schrieb mir dieser Tage: „In der gegenwärtigen Situation der USA ist es sehr schwierig, als Dienstverweigerer anerkannt zu werden, vor allem, wenn man Katholik ist. Wird man nicht anerkannt, und verweigert man trotzdem den Dienst, so muß man mit fünfjähriger Gefängnisstrafe und/oder 10.000 Dollar Geldstrafe rechnen. Die Einberufung zum Militärdienst ruft eine nie dagewesene Empörung hervor: Junge Männer gehen in den Krieg, obwohl sie ihn hassen, einige weigern sich zu gehen und wissen nicht, wie sie frei werden können; zahlreich sind jene, die nach Kanada flüchten; ihre Entscheidung bleibt jedoch von der älteren Generation unverstanden. Wenn die amerikanische Jugend sich vor dem Klopfen an der Tür in der Nacht fürchtet, dann befindet sich die Gesellschaft ihres Landes in größten Schwierigkeiten. Die Wehrpflicht ist ein unmoralisches Mittel, das heute dazu benützt wird, junge Männer zu zwingen, einen unpopulären, nicht erklärten Krieg auszufechten, ohne daß sie je die Möglichkeit gehabt hätten, für oder gegen diesen Krieg zu stimmen …”

Während des Algerienkrieges flüchteten Hunderte junger Franzosen nach Belgien und in die Schweiz, um der Teilnahme an einem Krieg zu entgehen, der in ihren Augen unrecht war. Andere, die dazu den Mut aufbrachten, stellten sich den Tribunalen und wurden, weil sie sich weigerten, Algerier, die um ihre Unabhängigkeit kämpften, zu foltern und zu erschießen, mit mehrjährigen Kerkerstrafen belegt

Wir stehen vor einem Problem, das heute die ganze Welt angeht: das Gewissen von Menschen der jungen Generation revoltiert gegen das System der allgemeinen Wehrpflicht, das das Rückgrat der Militärpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts bildete.

Idee der Französischen Revolution

Am 8. September 1790 beschloß der revolutionäre „Nationalkonvent” in Paris die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Damit wurde nicht nur die tragende Idee der Aufklärung von der Wohlfahrt aller Völker durch den dauernden Frieden der Menschheit zunichte gemacht, sondern die Freiwilligkeit, auf die das Wehrsystem in Europa bis dahin aufgebaut hatte, aufgegeben und der Grundstein für kommende Militärdiktaturen gelegt. Diese Entscheidung warf sowohl ein schwerwiegendes ethisches Problem auf, mit dem die Moraltheologie bis auf den heutigen Tag nicht fertig geworden ist, wie ein politisches. Napoleon stützte seine Eroberungskriege auf dieses System und zwang es zugleich den übrigen europäischen Großmächten auf. Die Weltkriege unseres Jahrhunderts mit ihrem Masseneinsatz an Menschen und Waffen wurden erst durch die allgemeine Wehrpflicht ermöglicht. Widerstände im Volk brach man unter Berufung auf die „Demokratie”, wobei man übersah, daß die Bürger überhaupt nie befragt worden waren, ob sie dieses System bejahen.

Die Maquisards gingen in die Wälder

Die mittelalterliche Staatsauffassung billigte — der Wehrpolitik des römischen Imperiums folgend — der rechtmäßigen Regierung das Recht zu, zur Aufrechterhaltung bzw. zur Wiederherstellung der Friedensordnung militärische Maßnahmen zu ergreifen. Der Fürst hatte das Recht, Freiwillige, Söldner, anzuwerben. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht spricht nun nicht nur dem einzelnen das Recht ab, sich auf Grund seines Gewissens für oder gegen die Teilnahme an derartigen Aktionen zu entscheiden. Mit diesem Schritt bahnt sich, im Hinblick auf das Leben der Gesellschaft, eine noch verhängnisvollere Entwicklung an: Der Staat beginnt einen totalen Anspruch auf den Menschen zu erheben. Nicht länger entscheidet das an ethischen Maßstäben orientierte Gewissen der menschlichen Person: Sobald ein Bürger unter dem Wehrgesetz steht, ist er unter Androhung schwerer Strafen, in vielen Ländern der Todesstrafe, gezwungen, die Befehle des Staates auszuführen. Letzte Konsequenz dieser Auffassung sind Fälle wie Oradour, Massentötungen in den Konzentrationslagern der Hitler-Zeit durch stumme Befehlsempfänger, der widerspruchslos durchgeführte Abwurf der Atombomben auf offene Städte in Japan, die Ermordung von 40.000 Algeriern in Sėtif, Algerien, am 10. Mai 1945 durch die französischen Streitkräfte als Revanche für die Tötung von 102 Europäern, Folterungen in Vietnam unter dem Kommando amerikanischer Soldaten (vgl. „Le Monde”, 11. Jänner 1968). Der Soldat wird zu einem willfährigen Instrument der Staats- raison. Sein Recht auf freie, verantwortliche Entscheidung in Fragen, die selbst die Existenz der Menschheit betreffen, ist ihm abgesprochen.

Man hätte erwartet, daß die christlichen Kirchen als erste die Gefahr dieser Situation erkannt und Protest erhoben hätten. Die Kirchen waren jedoch im 19. Jahrhundert, ja bis über den ersten Weltkrieg hinaus von einem Nationalismus erfaßt, der nicht selten die nationalen Werte über die christlichen erhob und das Wirkfeld des Religiösen auf das Privatleben beschränkte. Ein begrenzter Widerstand kam jedoch aus zwei Richtungen: An der Basis widersetzten sich Teile des französischen Volkes gegen Napoleons Mas- senirekrutierungen. Die Maquisards, zu denen auch Jean-Marie Vianey, der Pfarrer von Ars, gehörte, flüchteten in die Wälder, um der Rekrutierung zu entgehen. Auch unter den Kirchenführern erhoben sich einige prophetische Stimmen, so zum Beispiel die von Kardinal Mercier, der in einem Hirtenschreiben sagte: „Es ist die Brutalität heidnischer Sitten und Despotismus der Cäsaren, die das moderne Militär Wiederaufleben läßt — es hat zu dieser Verirrung des Staatsmolochs geführt.” Ebenso ist in den Akten des Ersten Vatikanischen Konzils (1870) ein von mehreren Konzilsvätern gestellter Antrag zu finden, der die negativen Auswirkungen der durch die Wehrpflicht rekrutierten großen stehenden Heere in wirtschaftlicher, sozialer, politischer und ethischer Hinsicht kritisiert. Auch Papst Leo XIII. gehörte zu jenen Kirchenführern, die die Gefahr der Wehrpflicht für den einzelnen jungen Menschen erkannten (Rundschreiben Praedara gratulationis, 20. Juni 1894) und die ungeheure Bedrohung der Völker durch die Aufrüstung schärfstens verurteilte.

Doch blieben diese Stimmen, auch wenn sie von höchster kirchlicher Stelle kamen, meist von den nationalen Episkopaten ungehört, und es bedurfte der Ernüchterung und der bitteren Erfahrung zweier Weltkriege und der damit verbundenen Krise der Autoritätsgläubigkeit, um in mehr oder minder breiten Kreisen der westlichen Zivilisation (Osteuropa miteingeschlossen) sowie innerhalb der christlichen Kirchen die Frage über Krieg und Frieden und die damit verbundene Verantwortung aufzurollen.

Primat des Gewissens

Für viele junge Menschen ist die Erfahrung des Krieges, des direkten Tötens eines Menschen, ein psychologischer Schock. Die meisten finden sich damit ab, indem sie ihr eigenes Denken unterdrücken und ausschließlich den Befehlen Folge leisten; andere, die ihre Gewissensbedenken ernst nehmen, gelangen häufig zu der Überzeugung, an dem betreffenden Krieg nicht teilnehmen zu können, und erklären sich als Kriegsdienstverweigerer, indem sie alle mit diesem Schritt verbundenen Folgen von seiten des Staates auf sich nehmen. P. Pierre Lorson SJ., der während des zweiten Weltkrieges in Straßburg lebte und dort zum geistigen Berater zahlreicher französischer und deutscher Soldaten wurde, führt in seinem Buch „Wehrpflicht und christliches Gewissen” die Hauptgründe auf, die junge Männer zur Dienstverweigerung aus Gewissensgründen bewegen: Bei Nichtchristen sind es vorwiegend humanitäre Beweggründe, wie die absolute Achtung vor dem Leben des Menschen und die daraus abgeleitete Weigerung zu töten; ferner die Tatsache, daß, der Mensch als rationales Wesen fähig und verpflichtet ist, Gegensätze auf dem Verhandlungsweg auszutragen. Die Christen berufen sich in erster Linie auf den sozialen und universalen ‘Charakter der Kirche, der das Zeugnis der Brüderlichkeit gegenüber allen Menschen ohne Ausnahme erfordert: auf die Erläsungstat Gottes selbst, der, um Sünde und Unrecht zu überwinden, nicht den Menschen, den Aggressor und Übeltäter, vernichtete, sondern vielmehr sich selbst opferte und damit bezeugte, daß das Böse letztlich nur durch die Macht des Guten überwunden werden kann; ferner auf die praktische Feindesliebe, wie Jesus sie in Seinem Leben und Tode geoffenbart und in Seiner Lehre gefordert hat. Andere weigern sich wegen der modernen Kriegsmittel, die in erster Linie das Leben Unschuldiger vernichten

Diese Haltung, die auch heute noch vielen Christen als radikal und unbegreiflich vorkommt, ist keine neue Erscheinung in der Kirche. Sie geht auf eine urchristliche Wurzel zurück. In der vorkonstantinischen Zeit, insbesondere bis gegen Ende des 2. Jahrhunderts, war es den Christen verboten, die Blutämter — Richter, Scharfrichter, Soldat — auszuüben. Die Märtyrerakten des heiligen Maximilian sind ein beredtes Zeugnis für urchristliche Kriegsdienstverweigerung. Aber auch in der nachkonstantinischen Zeit, nachdem es zur Bindung zwischen Kirche und Staat gekommen war, findet sich in einzelnen Personen und Bewegungen eine Fortsetzung dieser christlichen Tradition, die im Kampf gegen das Unrecht die Mittel der Waffenrüstung Gottes zur Anwendung bringen und die Gewaltanwendung verwerfen. Hiezu zählen unter anderem Martin von Tour, Franz von Assisi und die ursprüngliche Bewegung des Dritten Ordens, deren Anhänger sich weigerten, Waffen zu tragen die Gottesfriedensbewegung des Mittelalters; Aussagen mancher Reformatoren wie des Erasmus von Rotterdam weisen in diese Richtung; die Quäker, Mennoniten und Baptisten, die sogenannten historischen Friedenskirchen, widersetzten sich geschlossen aus religiösen Motiven der Wehrpflicht und verließen Länder, in denen ihre Haltung schwere Verfolgung nach sich zog. Der radikale Friedensauftrag des Christen nimmt in Leo Tolstojs Werk eine zentrale Stelle ein, und viele seiner Gedanken wurden von Mahatma Gandhi in seiAe Lehre der Gewaltlosigkeit aufgenommen.

Seit dem ersten Weltkrieg waren immer mehr Regierungen der westlichen Welt gezwungen, sich mit der Frage der Kriegsdienstverweigerung auseinanderzusetzen und Gesetze zum Schutze der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen zu schaffen. In dieser Entwicklung gingen die angelsächsischen Länder, die über eine größere demokratische Erfahrung verfügen, voraus: Großbritannien, die USA, Neuseeland, Australien, gefolgt von den skandinavischen Ländern und Holland. In der Sowjetunion Unterzeichnete Lenin 1921 ein Gesetz zum Schutz der religiösen Kriegsdienstverweigerer, das von den Tolstojanem eingebracht wurde und eine lange Liste von Bittstellern aufweist — es wurde jedoch von Stalin in den Kriegsjahren wiederaufgehoben. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über ein derartiges Gesetz, in der DDR konnte ein Dienst ohne Waffe in Form des „Bausoldaten” eingerichtet werden; in Österreich besteht die Möglichkeit zum Dienst ohne Waffe im Rahmen des Heeres. In Frankreich und Belgien wurden Gesetze zum Schutze der Dienstverweigerer nach langen, schweren Bemühungen durchgesetzt In Italien und in der Schweiz konnte, trot intensiver Bemühungen, noch kein gesetzliche Regelung getroffen werden. Dienstverweigerer werden dort bis Ende des wehrpflichtigen Alters nach jeder Weigerung mit Gefängnisstrafen belegt Eine ähnlich etwas gemilderte Regelung wird ln Jugoslawien gehandhabt. Auch ln verschiedenen afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten wird das Problem behandelt.

Friedensdienst statt Militärdienst So wichtig — auch für die Zukunft — die persönliche Gewissensentsahei- dung ist und bleiben wird, so scheint mir dennoch, daß das Problem sich in unseren Tagen von einem individuellen zu einem kollektiven verschoben hat. Die junge Generation beginnt sich mehr und mehr der menschlichen Solidarität bewußt zu werden — eine Folge der technischen und wachsenden geistigen Einheit der Welt. Ihr geht es nicht allein um einen Protest gegen den Krieg, sondern darüber hinaus um ein Zeugnis, das ihre Verantwortung für den Frieden innerhalb der Gesellschaft, sei es im eigenen Volk, sei es im internationalen Bereich, zum Ausdruck bringt. Wer nein zum Krieg als Mittel zur Lösung von Konflikten sagt, der muß durch sein Engagement bezeugen, daß er mit allen Kräften dazu beiträgt, bestehende Probleme zu lösen und friedliche Mittel zur Lösung von Konflikten zu entwickeln. In diesem Sinne sind der Spitalsdienst, der Katastropheneinsatz, der Dienst in Entwicklungsländern echte Alternativen zum Militärdienst — ein wirklicher Friedensdienst, der dem Idealbild vielleicht der besten unserer jungen Menschen entspricht: echte Brüderlichkeit, Solidarität an Stelle der gegenseitigen Vernichtung zu setzen. So zieht z. B. die norwegische Regierung Kriegsdienstverweigerer zur Friedensforschung heran. In einer Welt mit so viel Elend wie der unseren stehen diesem alternativen Friedensdienst ungezählte ungenützte Möglichkeiten offen.

Chancen in Österreich?

Gleichzeitig mit dem Beschluß über die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich begannen auch die Bemühungen um die gesetzliche Anerkennung der Dienstverweigerer aus Gewissensgründen. In einer Stellungnahme zur Regierungsvorlage des Wehrgesetzes wurden bereits 1955 gemeinsam von verschiedenen österreichischen Organisationen (darunter der Internationale Versöhnungsbund, der Internationale Zivildienst, das Friedenskomitee der Quäker, der Arbeitskreis für Friedenspolitik des Evangelischen Jugendwerkes) Vorschläge für einen Alternativdienst unterbreitet Es wurde ein ziviler Alternativ- und Hilfsdienst im In- oder Ausland angestrebt. Leider wurde dieser Vorschlag nicht berücksichtigt; auch 1960 gelang es bei Vorschlägen zu einer Gesetzesnovelle nicht, einen zivilen Alternatįvdienst durchzusetzen. Einem Dienstverweigerer aus Gewissensgründen ist es in Österreich lediglich möglich, einen Dienst

ohne Waffe im Rahmen des Heeres zu leisten (Sanitäts- oder Schreib- xtubendienst). Er besitzt keine Möglichkeit, einen zivilen Hilfsdienst zu leisten. Damit gehört die österreichische Regelung unter den bestehenden Gesetzen zu den unbefriedigendsten.

Wie unbefriedigend die derzeitige Regelung ist, zeigt die Tatsache, daß’ es wiederholt Fälle gibt, in denen Dienstverweigerer aus Gewissensgründen den Dienst ahne Waffe im Rahmen des Heeres ablehnen, weil dieser ihren Gewissensbedenken nicht wirklich gerecht wird.

Der Fall Wörister

Zum besseren Verständnis der Situation möge das Beispiel des Volksschullehrers Karl Wörister (1946) angeführt werden. Als gläubiger Katholik verfolgte er mit großem Interesse das Vatikanische Konzil, insbesondere das neue Verhältnis zwischen Kirche und Welt und die sich daraus ergebende soziale und gesellschaftliche Verantwortung des Christen. Überzeugt, daß ein Christ sich gegen die Gewaltanwendung und für den Frieden engagieren müsse, arbeitete er seit 1966 in freiwilligen Arbeitslagern des Internationalen Zivildienstes. Diese Erfahrung internationaler Zusammenarbeit zur Überwindung sozialer Not bekräftigte seine Haltung der Gewaltlosigkeit. Bei der Musterung stellte er den Antrag auf Dienst ohne Waffe, ohne sich näher über die Form dieses Dienstes informiert zu haben.

Am 2. Oktober 1967 trat er in einer Salzburger Kaserne den Dienst ohne Waffe an, wurde sich jedoch sofort bewußt, daß er sich derselben Grundausbildung wie alle regulären Soldaten unterziehen mußte, mit der einzigen Ausnahme, daß er keine eigene Waffe in die Hand bekam. Es wurde ihm klair, daß seine Ausbildung ihn zu einem vollwertigen Glied der Truppe macht, das in Kriegszeiten eingesetzt werden kann. Dies aber widerspricht seiner prinzipiellen Auffassung von der Gewaltlosigkeit, In einem Brief aus dieser Zeit schreibt er: „ … ich helfe gerne, aber nicht in der Uniform eines Soldaten, sondern als ziviler Helfer, um damit zu zeigen, daß mich nichts mit dem Militär verbindet …” Er diskutierte mit seinen Kameraden, seinen Vorgesetzten und erklärte ihnen, daß er als gläubiger Katholik der Entscheidung seines Gewissens folgen müsse.

Neun Tage nach Dienstantritt entschloß er sich, den Dienst ohne Waffe zu verweigern. Er wurde zunächst im Militärgefängnis inhaftiert, dann in das Landesgericht Salzburg eingeliefert, dort erst erfuhr er, daß es in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern keine gesetzliche Möglichkeit für einen zivilen Alternativdienst gibt; daß seine Weigerung Kerkerstrafen von sechs bis zwölf Monaten nach sich zieht, daß der Verurteilte nach absolvierter Strafe wieder eingezogen wird. Auch kann er als Vorbestrafter in kein pragmatisches Dienstverhältnis mehr aufgenommen werden — seine Existenz als Lehrer wäre dadurch zerschlagen. In der Erwartung, daß in Österreich ein Gesetz über zivilen Alternativdienst geschaffen würde, reichte Herr Wörister ein Gesuch um Aufschub des Dienstes ohne Waffe bis zu jenem Zeitpunkt ein; dieses wurde jedoch abgelehnt. Auf Grund dieser Situation entschloß er sich — selbst gegen seine Gewissensüberzeugung —, den Dienst ohne Waffe weiter zu leisten. Er wurde vom Gericht zu drei Monaten schweren, verschärften Kerkers, bedingt, mit Aufschub der Rechtsfolgen verurteilt.

Vorschlag der Pax-Christi-Bewegung

Obwohl diese Problematik nur wenigen Österreichern bekannt ist, sind in letzter Zeit verschiedene Stimmen laut geworden, um auch in unserem Land die Möglichkeit zu einem echten zivilen Alternativdienst zu schaffen.

Hier sei in erster Linie der Vorschlag der österreichischen Sektion der Pax-Christi-Bewegung an die Wiener Diözesansynode genannt, in dem darum gebeten wird, die Synode möge sich öffentlich dafür einsetzen, daß für die österreichische Jugend an Stelle der allgemeinen Wehrpflicht eine allgemeine Dienstpflicht mit der Möglichkeit eines oder mehrerer Alternativdienste nach freier Wahl geschaffen werde. Es ist dabei an soziale Dienste, an Katastrophenhilfe oder Hilfsdienste in Entwicklungsländern gedacht. Dieser Vorschlag ist in verschiedenen Kreisen der studentischen und gewerkschaftlichen Jugend, in kirchlichen Jugendverbänden usw. auf Interesse gestoßen. Auch Bundesminister Prader hat seine Zusage gegeben. Man beginnt in derartigen Diensten eine wichtige Aufgabe des neutralen Österreich zu sehen. In seiner Neujahrsansprache unterstrich Kardinal König die Bedeutung eines derartigen Ersatzdienstes.

Abschließend muß auch gesagt werden, daß die Weltkirche in dem Maße, in dem sie ihr Bild des Menschen als Geschöpf und Sohn Gottes auf die ganze Menschheit überträgt, ihre Glieder, die Christen in aller Welt, dazu veranlassen muß, dieses Verständnis der Brüderlichkeit und Solidarität in die Realität umzusetzen, um nicht weiter Kräfte der Zerstörung zu fördern, sondern, gestützt auf die Lehre Christi, konkrete Schritte der Versöhnung und der Überwindung bestehenden Unrechts ohne Gewalt zu unternehmen. Das Konzil hat sich — wohl erst ansatzweise — mit dieser Frage beschäftigt und sie in der „Pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute” angeschnitten, wo es heißt: „Vom gleichen Geist bewegt können wir denen unsere Anerkennung nicht versagen, die bei der Wahrung ihrer Rechte darauf verzichten, Gewalt anzuwenden, sich vielmehr auf Verteidigungsmittel beschränken, so wie sie auch den Schwächeren zur Verfügung stehen.” Und „Ferner scheint es angebracht, daß Gesetze für die in humaner Weise Vorsorge treffen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern, vorausgesetzt, daß sie zu einer anderen Form des Dienstes an der menschlichen Gemeinschaft bereit sind…”

Wie lange noch werden Österreichs Dienstverweigerer aus Gewissensgründen auf diesen „anderen Dienst”, auf den Fried emsdienst an der menschlichen Gemeinschaft, warten müssen?

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